13.13

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Wir diskutieren heute das EU-Arbeitsprogramm. Ich darf einen weiteren Aspekt daraus aufgreifen, denn da heißt es – ich zitiere jetzt aus dem Programm –: „Als Ansporn für andere EU-Mitgliedsstaaten“, und um den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, will Österreich bereits „2040 – 10 Jahre vor dem EU-Ziel – die Klimaneutralität erreichen.“

Das ist aus zweierlei Gründen erstaunlich. Grund eins: Österreich ist weit davon entfernt, dieses Ziel zu erreichen. Es gibt überhaupt kein wissenschaftliches Szenario, auf das wir uns da stützen können. Es ist dieses Ziel mit 2040 auch nirgends festgeschrieben, wir sind mittlerweile in der Europäischen Union das einzige Land ohne gesetzlich definierte Klimaziele. Während es im April draußen 30 Grad hat, sind wir weit davon entfernt, dieses selbst gesteckte Ziel zu erreichen. – Grund eins.

Zweitens – es wird noch ein bisschen lustiger –: Österreich ist auch weit davon entfernt und hat keinerlei Plan, wie es das 2050-Ziel schaffen soll. Mein Vorredner hat es schon angesprochen: Die EU-Kommission bittet alle EU-Länder, einen Plan vorzulegen, wie man das schaffen will. Wir schaffen nicht einmal das Zwischenziel 2030. Die grüne Umweltministerin hat einen Plan gemacht, zu dem sie selber sagt: Er wird nicht reichen! – Okay. Die ÖVP-Europaministerin hat dann gesagt: Diesen Plan ziehe ich zurück!

Wir haben also gar nichts. Wir sind im Übrigen erneut das einzige EU-Land, das überhaupt keinen Plan eingereicht hat. (Abg. Weratschnig: Hat die SPÖ einen Klimaplan?)

Kollege Marchetti, fristgerecht spielt es gar nicht mehr, das ist schon vorbei. (Ruf bei der ÖVP: Die SPÖ unterstützt ...!) Wir sind wirklich erneut Schlusslicht in der Europäischen Union! Wir schaffen es nicht einmal, einen Plan zu erstellen, wie wir die Klimaziele erreichen wollen. Was bedeutet das, wenn wir da säumig sind? – Nicht nur, dass wir die Arbeitsplätze der Zukunft de facto aufs Spiel setzen.

Die Frage, wie die Industrie von morgen ausschauen wird, die stellt sich jetzt. Die Frage, wo, an welchem Standort in Zukunft klimaneutrale Produkte erzeugt werden, stellt sich jetzt. Sie riskieren auch milliardenschwere Strafzahlungen, die wir überweisen müssen, wenn wir diese EU-Ziele nicht einhalten. Es ist schon wieder ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich gestartet worden. Es ist also vollkommen absurd, dass wir erneut riskieren, Milliarden Euro Strafzahlungen leisten zu müssen (Zwischenruf der Abg. Steger), statt dass wir das Geld zum Beispiel für einen Transformationsfonds der Industrie verwenden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strasser: Den gibt’s ja! Da muss aber die SPÖ zustimmen! Die SPÖ muss zum Beispiel beim grünen Gas zustimmen, bei Maßnahmen zustimmen!) – Sie regen sich auf.

Wenn Sie auch der Meinung sind, es wäre doch gut, wenn Österreich nicht das einzige EU-Land wäre, das keinen Plan hat, um Klimaziele zu erreichen, können Sie folgendem Entschließungsantrag zustimmen, den ich jetzt einbringe:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rasche Übermittlung des Nationalen Energie- und Klimaplans an die EU-Kommission zur Vermeidung von Strafzahlungen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dringend einen offiziellen Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans an die EU-Kommission zu übermitteln, um Strafzahlungen auf Grund des Vertragsverletzungsverfahrens zu vermeiden.“

*****

Dem müsste man eigentlich wirklich zustimmen. Ich bin neugierig, ob das ÖVP-Grüne-Hickhack auf Kosten des Klimaschutzes endlich beendet wird oder ob das Trauerspiel weitergeht. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.17

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Herr,

Genossinnen und Genossen

betreffend rasche Übermittlung des Nationalen Energie- und Klimaplans an die EU-Kommission zur Vermeidung von Strafzahlungen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend EU-Arbeitsprogramm 2024 (III-1109/2505 d.B.)

Es ist öffentlich bekannt, dass die EU-Kommission mittlerweile schon ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet hat, da der integrierte nationale Klima- und Energieplan (NEKP) für den Zeitraum 2021-2030 in seiner aktualisierten Form nach wie vor nicht vorgelegt wurde.

Jeder EU-Mitgliedstaat muss der Kommission einen solchen Plan vorlegen, der zeigt, wie die Klimaziele bis 2030 mit entsprechenden Maßnahmen erreicht werden können. Zu diesen Zielen gehört die EU-weite Reduktion von Treibhausgasemissionen um 55 Prozent (im Vergleich zum Jahr 2005), bis 2050 Klimaneutralität. Für Österreich liegt das Reduktionsziel bis 2030 bei 48 Prozent, die Regierung hat sich zusätzlich das Ziel gesetzt, bis spätestens 2040 Klimaneutralität zu erreichen.

Das Climate Change Centre Austria (CCCA) hat aufgezeigt, was es an Zielen und Maßnahmen bräuchte.  Österreich scheiterte bislang jedoch an einer definitiven Ausarbeitung und Übermittlung eines NEKP.  Umweltministerin Leonore Gewessler hat zwar einen Plan vorgelegt, Europaministerin Karoline Edtstadler hat diesen wieder zurückgezogen, da dieser nicht der Position der gesamten Bundesregierung entsprechen würde. Umweltministerin Gewessler verweist hingegen auf die Einbindung aller zuständigen Ministerien.

Ende Februar 2024 hat die Kommission Österreich zuletzt erneut aufgefordert, den NEKP zu übermitteln, seit Anfang März ist Österreich das einzige Land in der EU, das noch keinen offiziellen Entwurf übermittelt hat. Bis Mitte 2023 sollten die Entwürfe eigentlich eingereicht, dann von der EU-Kommission evaluiert werden. Auf Basis der Evaluierung und einer neuerlichen Beteiligung der Öffentlichkeit sollen bis Ende Juni 2024 alle Pläne endgültig vorliegen.

Da der übermittelte Plan das Reduktionsziel noch um 13 Prozentpunkte verfehlt, könnte die Evaluierung der EU-Kommission – neben den wissenschaftlichen Empfehlungen des CCCA – eine wichtige Rolle beim Schließen der Zielerreichungslücke spielen. Dabei muss insbesondere auch auf die soziale Dimension der Klima- und Energiewende (Ursachen und Auswirkungen) Rücksicht genommen werden, sodass „niemand am Weg zurückgelassen wird“, wie es die EU-Kommission im Green Deal formuliert.

Die NEKP sind praktisch wichtige Unterlagen und stehen für energie- und klimapolitische Glaubwürdigkeit und Verbindlichkeit. Sie dienen der Verwirklichung der bis 2030 gesteckten Energie- und Klimaziele der EU hinsichtlich der Verringerung der Treibhausgasemissionen, der erneuerbaren Energieträger und der Energieeffizienz. Gemäß Artikel 14 der Verordnung (EU) 2018/1999 über das Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz besteht eine europäische Rechtspflicht, diese zu übermitteln.

Im Bericht über das EU-Arbeitsprogramm heißt es: „Als Ansporn für andere EU-Mitgliedstaaten und um dem eigenen Anspruch gerecht zu werden, will Österreich […] bereits bis 2040 – 10 Jahre vor dem EU-Ziel – die Klimaneutralität erreichen.“

Die Realität sieht aber so aus, dass die Bundesregierung nicht einmal in der Lage ist, einen Plan vorzulegen, mit dem die Emissionen bis 2030 halbiert werden sollen.

Österreich verliert den letzten Rest an klimapolitischer Glaubwürdigkeit, wenn es als einziger EU-Mitgliedstaat keinen NEKP vorlegen kann und im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens deswegen sanktioniert wird.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dringend einen offiziellen Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans an die EU-Kommission zu übermitteln, um Strafzahlungen auf Grund des Vertragsverletzungsverfahrens zu vermeiden.“

1 Climate Change Centre Austria (CCCA), Wissenschaftliche Bewertung der in der Konsultation 2023 zum NEKP vorgeschlagenen Maßnahmen - Climate Change Centre Austria (ccca.ac.at) (15.04.2024).

2 DerStandard, EU fordert Österreich erneut zur Vorlage von Klimaplan auf - EU - derStandard.de › International (15.04.2024).

3 EU-Arbeitsprogramm 2024 - Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten an das österreichische Parlament, S. 34.

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Michael Schnedlitz. – Bitte, Herr Abgeordneter.