15.53

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Ich glaube, es ist einmal wieder an der Zeit, dass hier ein bisschen Ruhe einkehrt.

Meine Damen und Herren, der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist relevant für unsere Demokratie, er ist wichtig. Dass ein öffentlich-rechtliches Medienhaus zu einer demokratischen Infrastruktur zählt, muss man leider immer wieder betonen, weil es dann eben populistische Parteien wie die FPÖ gibt, die einfach versuchen, den ORF sturmreif zu schießen. (Abg. Kickl: Was ist denn das für ein Vokabular? – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Dann entsteht eine toxische Situation, dass immer mehr Menschen glauben, dass der ORF überflüssig ist, dass auch immer mehr Menschen den Glauben an den Wert eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks und auch generell an die Medien verlieren. (Abg. Kickl: Vielleicht liegt es am Programm!)

Das ist alarmierend, denn Aufgabe des ORF ist schon, eine gesamtgesellschaftliche Debatte zu führen (Abg. Kickl: Ja, das haben wir bei Corona gesehen!), sie auch in eine breite Öffentlichkeit zu tragen, über Kultur, über Werte, über Normen zu sprechen, ja, auch über Meinung zu reflektieren (Abg. Stefan: Passiert das? Passiert das derzeit?) und auch ein Programm zu bieten, das sich finanziell einfach nicht rechnet. Ich hoffe ja wohl, dass wir uns darauf verständigen können, dass es auch die Aufgabe des ORF ist, zum Beispiel eine Minderheitenredaktion zu betreiben.

Zugleich gibt es aber im Maschinenraum des ORF auch genügend zu reparieren, und vor dieser Debatte haben sich sowohl ÖVP als auch Grüne ganz heftig gedrückt. Dabei wäre der Zeitpunkt vor der Einführung der Haushaltsabgabe ideal gewesen.

Wir NEOS haben immer gesagt, wir wollen einen breiten, zivilgesellschaftlichen Prozess, wir wollen mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber sprechen (Abg. Michael Hammer: Ernst wie eure Vorwahlen!): Was ist die Aufgabe des ORF, was sind die Ziele, was sind nicht die Ziele? Was ist dieser berühmte Public Value, also der Mehrwert für uns alle, den der ORF liefern muss? – Vor dieser Debatte wollten sich Grüne und ÖVP einfach drücken. Das war ein großer Fehler, denn nur dann, wenn man darüber spricht, was die Aufgabe ist, wenn man das auch vergemeinschaftet, gibt es auch eine Akzeptanz dafür, dass man für diesen Wert etwas bezahlen muss, dass man sich das als Demokratie auch leisten muss.

Dann treten übrigens auch die Höhe des Betrags und ähnliche Debatten in den Hintergrund. Was wir hier aber sehen, ist mutlose Medienpolitik, das ist duckmäuserisch, das ist Medienpolitik wie in einer Deix-Karikatur.

Dabei gäbe es ja so wahnsinnig viel zu tun: Der ORF hat nach wie vor unflexible Strukturen, er kommt viel zu wenig dem eigenen Auftrag nach, er ist zu analog, zu wenig attraktiv für junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, er ist zu angepasst, er ist zu wenig transparent, er ist viel zu sehr Spielwiese von Parteien, allen voran von Regierungsparteien. Er hat eine nicht zu rechtfertigende Marktmacht und verzerrt den Wettbewerb gegenüber privaten Medienhäusern. Er führt viel zu viele Verfahren vor Arbeitsgerichten, wenn Frauen sich gegen Mobbing, Bossing oder sexuelle Übergriffe wehren.

Da wird nichts unternommen. Vor dieser Debatte drücken Sie sich. Sie drücken sich davor, Konzepte zu entwickeln und den Diskurs zu führen. Stattdessen – daran kann man nicht oft genug erinnern – haben wir Topjobs, die in Sidelettern ausbaldowert werden, von denen – ich wiederhole es immer wieder – auch Kollegin Blimlinger von den Grünen meinte, man müsse sich entscheiden, ob man ein korrupter oder ein naiver Idiot sein möchte. Man hat sich offensichtlich für Ersteres entschieden.

Es gibt fragwürdige Besetzungen der Publikumsräte durch die Regierung mit Menschen, die dezidiert aus ÖVP-nahen Vereinen stammen. Es gibt Moderationen von ORF-Moderator:innen bei ÖVP-Parteiveranstaltungen. Es gibt diverse Stiftungsräte mit Tätigkeiten, die ihnen dabei helfen, für ihre Kundinnen und Kunden beim ORF zu intervenieren. Es gibt bei den Stiftungsräten Freundeskreise. Mediensprecher anderer Parteien sitzen bei den Vorbesprechungen für die Stiftungsratssitzungen mit dabei – das geht einfach nicht. Es gibt prekäre Arbeitsverhältnisse für junge Mitarbeitende, Kettenarbeitsverträge, und zugleich sehr hohe Gagen, die durchaus Menschen irritieren.

So – bei dem aber, was die FPÖ heute hier macht, da bleibt einem ja echt die Spucke weg. Ihr schreit einfach nur: Haltet den Dieb!, dabei steckt ihr bis zum Hals hier oben im Sumpf mittendrin.

Das zeigen nicht zuletzt all die Chats, die jetzt auch im Untersuchungsausschuss aktuell werden. Da gab es diese Chatgruppe mit Strache, Vilimsky, Herrn Hofer, FPÖ-Stiftungsräten, in der über Interventionen im ORF gesprochen wurde. Da hat Strache immer wieder Jobinteressen von diversen ORF-Mitarbeitenden geteilt, man hat dann darüber gesprochen, wer gepusht werden soll oder wer nicht. Es gab Chats zwischen dem damaligen, mittlerweile versetzten – gekündigt wird man ja nicht – Chefredakteur Schrom und Strache zu Interventionen. Es gab einen regen Austausch mit Ex-ORF-Manager Thomas Prantner, der auch ganz stolz darauf war, dass er große Beiträge für die FPÖ auf orf.at bewirkt hat.

Es gab Flirts mit Philipp – Chats zwischen Strache und dem Vorturner mit der Bitte um Hilfe bei Postenbesetzungen. Es ging um bessere Jobs für Christian Wehrschütz. Es ging darum, dass man Moderator Martin Thür als „ZIB“-Moderator verhindern wollte. Es wurde interveniert, dass mehr Gabalier auf Ö3 gespielt wird (Heiterkeit des Abg. Silvan – Abg. Wurm: Wahnsinn! – Abg. Belakowitsch: Wahnsinn, Verbrechen!) – also das wird ja immer absurder. (Abg. Stögmüller: Was macht man als Vizekanzler, wenn man den ganzen Tag frei hat?)

Es wurde auch gefeiert, dass ein langjähriges FPÖ-Parteimitglied als ORF-Personalchefin installiert worden ist. Strache hat auch das Kommando ausgegeben: „Keine öffentlichen Angriffe mehr auf ORF/Leute, Müssen sie abschießen, nicht aufwerten!“ – So wird gesprochen, das ist diese Politik, die ihr macht.

Ihr seid Diskurszerstörer und ihr wollt den ORF zerstören, aber nicht nur ihn, sondern generell die österreichische Medienlandschaft, um mit eurer Desinformation „Flood the zone with shit“ zu spielen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Strache hat ebenfalls in Chats geschrieben, es brauche „ein ORF-Gesetz, wo totale Personalrochaden, Neubesetzungen möglich werden“, zum Beispiel um Generaldirektor Wrabetz loszuwerden – den man aber vorher gewählt hat. (Abg. Belakowitsch: Man kann nur gescheiter werden!) Auch Steger – (in Richtung Abg. Steger) also der Papa, nicht Sie – berichtet in einem Chat: „Radio ist derzeit feindselig, ein neuer Chef ändert weniger als die Zerschlagung der Struktur! FM4 gehört weg, die Journalisten müssen nicht übernommen werden!“ – So geht es dahin. (Zwischenruf der Abg. Steger.)

Sehr geehrte Damen und Herren, das brauchen wir nicht! Das bringt uns jeden Tag einen Schritt mehr hin zu ungarischen Verhältnissen, zu einem totalen Durchgriff von einzelnen Personen auf den medialen Diskurs, auf mediale Inhalte. Das zerstört unsere Demokratie.

Wir brauchen keinen kreativen Umgang von Ihnen – von der FPÖ – mit der Wahrheit, wo man dann: Haltet den Dieb!, schreit. (Abg. Belakowitsch: ... NEOS auch!) Wir brauchen auch keine ÖVP, die dieses Spiel mitspielt, wir brauchen keine Grünen, die sich selbst als „korrupte Idioten“ bezeichnen, wir brauchen aber auch keine Mutlosigkeit der SPÖ.

Was wir brauchen, ist ein starker, unabhängiger, moderner ORF, der im Dienste der Allgemeinheit steht. Wir brauchen eine Debatte darüber, und zwar sachlich, gemeinschaftlich und frei von Populisten und Diskurszerstörern. (Beifall bei den NEOS.)

16.01

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schnedlitz. – Bitte. (Abg. Michael Hammer: Jetzt muss er die Kastanien aus dem Feuer holen! Aus der brennenden Hütte!)