9.09
Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben eine Aktuelle Stunde. Wir haben uns natürlich überlegt, welches Thema wir wählen, weil es viele Themen zu diskutieren gäbe.
Etwa das Versagen der Bundesregierung beim Kampf gegen die Teuerung: Seit mittlerweile 18 Monaten haben wir den traurigen Spitzenplatz in Westeuropa, was die Höhe der Inflation betrifft. Wir hätten über das Versagen der Bundesregierung, sich die Übergewinne der Energiekonzerne zu holen, reden können. Wir erinnern uns: Finanzminister Brunner hat – auf Druck der sozialdemokratischen Fraktion – angekündigt, sich da 2 bis 4 Milliarden Euro zu holen. Was hat er geschafft? – Nicht einmal 10 Prozent; also auch da ein Versagen. Der sogenannte Mietendeckel der Regierung – von dem wir gesagt haben, dass das ein Schmähdeckel ist –: Seit gestern wissen wir alle, die sogenannten freien Mieten sind wieder um 11 Prozent gestiegen – auch da: ein Versagen der Bundesregierung.
Das Versagen der Bundesregierung wäre aber nichts Aktuelles, das ist ja ein Dauerbrenner in der österreichischen Innenpolitik, und deswegen haben wir gesagt: Die Aktuelle Stunde widmen wir den aktuellen Erkenntnissen aus dem Cofag-Untersuchungsausschuss, in dem es um die Frage gegangen ist: Werden Milliardäre in Österreich bevorzugt? – Und das Ergebnis ist: Ja, sie werden bevorzugt, und zwar auf vielerlei Art! (Abg. Zarits: Ist eh nichts herausgekommen!)
Wir haben im Untersuchungsausschuss die Steuerdaten und so weiter der Milliardäre eingesehen und deswegen wissen wir, dass ein Milliardär von 100 Euro, die er verdient, 20 bis 25 Euro – 20 bis 25 Euro! – an Steuern und Abgaben zahlt. Bei jedem, der arbeiten geht – also nicht bei einem Gutverdiener, sondern bei einem Arbeiter, der 1 800 Euro netto verdient – sind über 40 Prozent an Steuern und Abgaben auf diesem Gehalt drauf. Das heißt, jeder Arbeiter, der nicht einmal 2 000 Euro netto verdient, zahlt mehr als 40 Prozent Steuern und Abgaben auf sein Einkommen, aber Milliardäre, die in einem Jahr mehr verdienen als alle anderen – oder zumindest wahrscheinlich alle anderen, die hier sind – in ihrem ganzen Leben, zahlen die Hälfte. Und das sind nicht einmal die, die besonders dreist sind, sondern das ist der Schnitt. Die zahlen die Hälfte! Und die Frage ist: Wieso ist das so in diesem Land und was können wir dagegen tun? (Beifall bei der SPÖ.)
Es gibt drei wesentliche Erkenntnisse, die wir haben. Erstens: Es ist die strukturelle Bevorzugung. Es ist so, dass Milliardäre eine Heerschaar an Steuerberatern haben. Die Finanz hat sich von sich aus, weil die OECD gesagt hat: Österreich, ihr seid besonders schlecht darin, die Superreichen zu besteuern!, sich selber kontrolliert und hat sich angesehen: Sind wir wirklich so schlecht, wie die OECD sagt? – Herausgekommen ist: Ja, wir sind wirklich so schlecht. Sie haben, sage ich einmal, sich selber kontrolliert, wie sie die 30 Reichsten, die Superreichen in Österreich kontrollieren und wie sie darauf schauen, dass diese ihre Steuern zahlen, und das Ergebnis war: neun Mal positiv, 21 Mal negativ oder nicht beurteilbar, weil sie sie gar nie geprüft hatten, weil sie überhaupt nie hingesehen hatten. Das heißt, quasi jede Matura müsste wiederholt werden, wenn zwei Drittel der Arbeiten negativ sind – und das ist das Ergebnis, das sich die Finanz selber gegeben hat.
Wir haben aber gute Finanzbeamte. Die haben gesagt, wir können es besser, wir brauchen organisatorische Änderungen, wir brauchen mehr Personal, wir müssen die Prüfungsdichte erhöhen, und haben Vorschläge an vier ÖVP-Finanzminister gerichtet, wie man das besser machen kann, dass Milliardäre besser besteuert werden und ihren gerechten Beitrag leisten. Und was haben die ÖVP-Finanzminister gemacht? (Abg. Fürlinger: ... gerechte Beitrag sind 500 bis 700 Millionen Euro ... Kollege, bevor du so viel Schas daherredst!) Sie haben diesen Bericht genommen und in den Safe gesperrt, damit er ja nicht bekannt wird, damit sich ja nichts ändert. Sie schützen die Privilegien der Milliardäre, dass diese möglichst keine Steuern zahlen, nämlich strukturell keine Steuern zahlen. Das muss sich ändern! (Beifall bei der SPÖ.)
Ich sage Ihnen, wenn Sie wollen, dass die ihren gerechten Beitrag zahlen (Abg. Jeitler-Cincelli: Wenn Sie wollen, dass die dableiben, dann sollten Sie es lassen!), wie jeder, der in diesem Land arbeiten geht, wenn Sie das wollen, dann führt kein Weg daran vorbei, dass wir Vermögensteuern einführen. Damit die endlich – nicht mehr zahlen als alle, aber zumindest gleich viel – gleich viel zahlen wie jeder Arbeiter in diesem Land, der mit 2 000 Euro netto nach Hause geht. Das muss doch das politische Ziel von allen hier herinnen sein. Ich verstehe nicht, wieso man sich schützend vor denen stellt (Abg. Steinacker: Vor die! Nicht einmal Deutsch kann er! – Zwischenruf des Abg. Zarits), denen es eh besonders gut im Leben geht, und nicht dafür sorgt, dass die einen fairen Beitrag zahlen. Wieso die ÖVP das macht, werde ich nie verstehen (Abg. Steinacker: Lies heute mal den „Kurier“-Artikel, dann verstehst, was eine Vermögensteuer bewirkt!), denn ich weiß, dass es auch bei der ÖVP viele gibt, die der Meinung sind: Ja, jemand, dem es besonders gut geht, muss nicht besonders wenig Steuern zahlen, sondern soll einen fairen, einen gerechten Beitrag zahlen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steinacker: Unbelehrbar, der Mann, er versteht es nicht!)
Der zweite Bereich ist die individuelle Bevorzugung, bei der sich ÖVP-Kabinette, ÖVP-Minister, ÖVP-Generalsekretäre im Finanzministerium noch persönlich für die Herren Benko, Pierer – Pierer haben wir erwischt, der hat 8 Millionen Euro nachzahlen müssen, gut so (Abg. Steinacker: Wer ist „wir“?); gegen den Willen der ÖVP, die hat ihn noch immer geschützt – oder Wolf einsetzen. (Zwischenruf des Abg. Loacker. – Abg. Steinacker: Wie viele Arbeitsplätze sichert Pierer in Österreich? Wie wichtig ist das Unternehmen in Österreich?)
Es war im Untersuchungsausschuss der zuständige Beamte, der gesagt hat, er versteht nicht, wie man genehmigen konnte, dass alle den Privatjet von Herrn Benko mit 9 Millionen Euro subventionieren, sein Privathaus subventionieren, sein Wochenendhaus subventionieren. Und Sie haben auch noch dafür gesorgt, dass er 1 Million Euro Covid-Förderung für sein Wochenendhaus bekommt (Ruf bei der ÖVP: ... hat der Gusenbauer ...!), weil es ein Hotel ist! Er war halt sein eigener Gast im Hotel. (Zwischenruf des Abg. Hanger.) Diese Konstrukte wurden nicht nur genehmigt (Abg. Steinacker: Organisation Gusenbauer!), sondern dann hat man noch Steuergeld nachgeworfen, und das unter der Verantwortung der ÖVP und unter aktiver Mithilfe von ÖVP-Funktionären. (Beifall bei der SPÖ.)
Da Pierer schon erwähnt wurde: In den Unterlagen sehen wir, dass wir selbst die Putzfrau von seinem Wohnhaus mitsubventionieren. Das kann doch nicht sein, bitte, dass ein Milliardär auch noch quasi seine Putzfrau von uns allen mitfinanzieren lässt. Sie können in den Datenraum gehen und sich die Unterlagen ansehen. (Zwischenruf des Abg. Zarits.) Das kann doch nicht sein! Was macht die ÖVP? – Den Bericht, wie man es besser machen kann, sperren sie in den Safe, kommen in den Untersuchungsausschuss und wissen von nichts; wissen gar nicht, dass es Milliardäre gibt, wissen nicht, dass wir sie schlecht besteuern, und schauen einfach weg.
Dann schauen wir auch noch zur Cofag, denn das war natürlich auch ein Thema, wieso Konzerne so viel Geld bekommen haben, und zwar gegen das europäische Recht. Das, was wir da herausarbeiten konnten, ist erstens einmal, dass das mit Anlauf war. Externe Berater haben wir auch noch bezahlt. Als die ÖVP und Finanzminister Blümel gemeint haben, die Konzernbetrachtung lassen wir weg, wir wollen Konzernen möglichst viel Geld geben, hat der Rechtsanwalt sofort zurückgeschrieben: Ist das euer Ernst? Das führt ja dazu, dass ein Konzern, der in einer Konzernstruktur ist, 100 Millionen Euro bekommt oder sogar bis zu 100 Millionen Euro, ein anderer nur 5 Millionen Euro. Wenn ihr das macht, müsst ihr das mit der Europäischen Kommission besprechen, weil das sonst gegen das Europarecht ist.
Und was hat die ÖVP gemacht? – Sie hat gegenüber der Kommission diese Zeile einfach rausgelöscht. Sie haben in Wahrheit die Europäische Kommission hintergangen und damit uns alle. Das hat dazu geführt, dass die Konzerne rechtswidrig an mehr als 1 Milliarde Euro an zusätzlichen Förderungen gekommen sind, die nur in Gewinne gelaufen sind. Und wie viel Geld haben Sie jetzt davon zurückgeholt? – Null Euro! Bis heute gibt es noch kein Konzept, wie Sie diese Milliarde zurückholen, denn Sie wollen sie gar nicht zurückholen. Sie haben es doch absichtlich gemacht. Sie haben absichtlich den Konzernen mehr Geld gegeben als die EU eigentlich erlaubt hätte, und Sie tun nichts dafür, dass dieses Geld wieder zurückkommt. Es ist eine Schande, dass wir eine Bundesregierung haben, die so agiert. (Beifall bei der SPÖ.)
Der Bundeskanzler interessiert sich offenbar nicht dafür, aber wenn Sie (in Richtung Staatssekretärin Plakolm) schon hier sind – und ich glaube, Sie haben ja den Wanderpokal Digitalisierung in dieser Bundesregierung gewonnen (Ruf bei der ÖVP: Na, na!) –, dann erklären Sie mir bitte eines: Es gibt staatliche Leistungen wie den Reparaturbonus oder jetzt das Supersparbuch quasi über die Oebfa, die funktionieren, die man sich als Bürger aber nur holen kann, wenn man die ID Austria hat. Wir wissen, dass die nur ein Drittel der Österreicher überhaupt hat, also zwei Drittel werden von staatlichen Leistungen einfach ausgeschlossen.
Unser Vorschlag ist, dass jemand, der halt kein Digitalexperte ist, jemand, der das nicht will oder nicht kann, genauso Zugang zum Reparaturbonus oder zum Supersparbuch, das Sie selber als Onlinesupersparbuch bewerben, bekommt. Sie diskriminieren da die ältere Generation und sagen: Nein, du musst ein Digitalexperte sein, du musst dir irgendwelche Sachen auf dein Handy runterladen, bei denen du dich nicht auskennst, damit du staatliche Leistungen in Anspruch nehmen kannst!
Das ist eine Diskriminierung von einem Drittel der Bevölkerung. Wir haben heute einen Entschließungsantrag eingebracht: Bitte machen Sie, dass das aufhört, denn auch die ältere Generation hat das Recht auf staatliche Leistungen! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: 20 Minuten Unsinn reden ...!)
9.20
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Plakolm. – Bitte sehr.