14.18
Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich beginne heute mit einem Buch: „Die Welt von morgen. Ein souveränes demokratisches Europa – und seine Feinde“ (das genannte Buch von Robert Menasse in die Höhe haltend) – über die Feinde werde ich gleich reden. „Die Welt von morgen“ erinnert natürlich an einen historischen Roman von Stefan Zweig, an eine Zeit, in der man geglaubt hat, dass sich alles besser entwickeln wird – und später ist man draufgekommen, das war nicht so.
Bei uns ist es ja so, dass wir inzwischen wissen, wo die Gefahren sind, dass wir die Gefahren erkennen müssen und dass wir dagegen aktiv auftreten müssen. Wir wissen aber auch, wer die Feinde sind: Das ist der Nationalismus, das beschreibt Menasse natürlich auch, es ist aber auch die Unfähigkeit, gemeinsam als Europa zu agieren. Menasse schreibt, Europa entwickelt sich fort – und das ist ja ein Doppelsinn: entwickelt sich weiter, aber entwickelt sich auch weg vom ursprünglichen Gedanken, und das ist dann, glaube ich, sehr gefährlich.
Ganz konkret – die Ukraine ist jetzt schon mehrfach angesprochen worden –, was mich wirklich schockiert, und ich weiß nicht, ob Sie vielleicht intern einmal darüber reden: Sie reden über alles Mögliche – die EU als Kriegstreiber, das muss man sich einfallen lassen –, aber ich habe von Ihnen noch nie ein Wort über die Menschen in der Ukraine gehört. Heute in der Früh beim Hergehen hat mich eine Frau angesprochen. Sie hat gesagt, sie ist mit ihren zwei Kindern geflüchtet – der Mann ist natürlich zu Hause –, sie versucht, Kontakt zu haben. Sie hat Angst um ihre Verwandten, Angst um ihren Mann, Angst um ihre Eltern.
Das alles interessiert Sie überhaupt nicht, Ihnen gefällt es, dass Putin gerade ein anderes Land einnimmt. Wenn Sie sich ein bisschen schlaumachen oder zumindest mir zuhören würden, dann wüssten Sie auch, wie das mit den Friedensgesprächen ist. Im russischen Fernsehen treten Menschen, Politiker, sogenannte Moderatoren, sogenannte Philosophen – Freunde von Ihnen auch – auf, die sagen: Wir müssen jetzt eine Stadt nach der anderen zerstören, damit können wir die Ukraine einnehmen! – Ich wünsche Ihnen alles Gute, mit denen zu verhandeln.
Das Nächste aber ist Georgien, Herr Bundesminister – Georgien ist schon angesprochen worden –: Es gibt einen Brief von zwölf Außenministern, einen klaren Appell an die Regierung in Georgien. Warum gibt es keinen Appell von 27 Außenministern? Es ist wieder eine unfassbare Schwäche der Europäischen Union, dass wir nicht in der Lage sind, in einem Moment, in dem ein ganzes Volk betroffen ist – und es ist immerhin ein EU-Beitrittswerber –, gemeinsam aufzutreten. Das ist wirklich eine Schande!
Natürlich kommen die Gefahren unseres Europas auch von innen. Wir haben heute schon von der AfD gehört – Kollege Strasser, man kann es ein bisschen konkreter machen: In Polen ist ein Mann angeklagt, der von AfD-Abgeordnetem Krah als russischer Spion ins Europäische Parlament eingeschleust wurde. Ein anderer AfD-Abgeordneter hat nachweislich Geld von Russland genommen. Der Dritte erklärt, dass China ein wunderbares Land ist, alles andere als keine Demokratie, also eine wunderbare Demokratie.
Wir wissen, dass die Leute gekauft sind, und mit solchen Leuten sitzen Sie (in Richtung FPÖ) im Europäischen Parlament zusammen. Das ist eine Schande!
Ich muss aber auch noch zum Thema Iran kommen: Ich habe das Foto von Mahmoud Mehrabi mitgebracht (ein entsprechendes Foto in die Höhe haltend), und zwar weil seine Schwester heute hier in Wien war; Kollege Troch war auch dabei. Ich habe gesagt, dass wir gemeinsam appellieren werden – mehr können wir ja nicht machen –, aber es ist unfassbar, dass dort jeden Tag Menschen zum Tode verurteilt werden dafür, dass sie sagen, na ja, sie seien mit der Regierung nicht zufrieden. – Es ist unfassbar, und auch da fehlt die Einigkeit der Europäischen Union.
Es würde diesbezüglich aber schon ein Stück weit helfen, wenn es hier in Österreich Einigkeit darüber gäbe. Ich bin wirklich der Überzeugung, dass wir dieses Regime anders behandeln müssen. Die Revolutionsgarden sind ja nicht nur ein Terrorinstrument, sie sind auch ein Wirtschaftsinstrument der iranischen Regierung, und diese gehören auf die Terrorliste.
Deswegen bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vorlage der Österreichischen Sicherheitsstrategie an den Nationalrat“
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Landesverteidigung, wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 31. Mai 2024, den Entwurf zur Österreichischen Sicherheitsstrategie zur Debatte zu übermitteln.
*****
Auch das müssen wir endlich machen: Wir haben noch immer keine Sicherheitsstrategie. Wir haben jene von 2013, und Kollege Stögmüller hat im Fernsehen erklärt, die ÖVP sei dagegen, weil sie das russische Gas weiterhin haben will. Also dass man in einer Regierung streitet, verstehe ich ja, aber dass man über Österreichs Sicherheit streitet, finde ich höchst bedauerlich.
Bitte, Herr Bundesminister, ich appelliere wirklich an Sie, reden Sie auch mit dem iranischen Botschafter! Wir können nicht dabei zuschauen, wie dort jeden Tag Menschen umgebracht werden. Wenn diese EU, das gemeinsame Europa, für uns etwas bedeutet, dann sind es gerade die Menschenrechte, und da dürfen wir auch die Glaubwürdigkeit nicht verlieren. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)
14.23
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Vorlage der Österreichischen Sicherheitsstrategie an den Nationalrat
eingebracht im Zuge der Debatte in der 262. Sitzung des Nationalrats über den Außen- und Europapolitischer Bericht 2022 der Bundesregierung (III-1151/2536 d.B.) – TOP 2
Österreich bringt sich im Strategischen Kompass der Europäischen Union ein und hat sich für die Rapid Deployment Capacity 2025 freiwillig gemeldet. Die Vorbereitungen dafür haben bereits begonnen. Nun wird auch über eine engere Anlehnung an die NATO gesprochen. Auch dafür wird Planung vonnöten sein. Weiters hat das Verteidigungsministerium einen Beschaffungsplan 2032+ erarbeitet und trat der European Sky Shield Initiative bei. Großangelegte Beschaffungen mit dem höchsten Budget in der Geschichte des BMLV sollten von einer langfristigen Strategie getrieben sein.
Dieser Meinung war auch der Bundeskanzler, der letztes Jahr eine neue Österreichische Sicherheitsstrategie bis Ende 2023 versprach. Die Vorbereitungsarbeiten dazu fanden im Sommer und Herbst letzten Jahres statt, dann konnte sich die Koalition nicht auf eine gemeinsame Version einigen. Nun liegt die ÖSS auf Eis; Österreichs Beschaffungsplan, die Teilnahme an der RDC, die Eingliederung in die europäische Raketenabwehr ESSI und die Annäherung an die NATO finden – zum Schaden der Sicherheit unseres Landes aber wohl auch zum finanziellen Schaden, der mit strategieloser Beschaffung einhergeht – ohne grundlegende Vision für die Verteidigung Österreichs statt.
Wenn die ÖSS nicht vor Ende dieser Gesetzgebungsperiode veröffentlicht wird, ist davon auszugehen, dass eine neue Regierung sie nicht übernimmt, sondern stattdessen von Grund auf neu ausarbeitet. Damit wäre die Arbeit des BMLV und der zugezogenen Expert:innen in dieser Sache ebenso verschwendet, wie die Zeit bis zur Erarbeitung der neuen Version. Die Vorlage des bestehenden Entwurfs hingegen erlaubt es dem Nationalrat, auf Basis der Grundsätze der bereits erarbeiteten Strategie die Debatte weiterzuführen und die Strategie zeitnahe fertigzustellen, und die Planung für ESSI, Beschaffungsplan 2032+, RDC und NATO Annäherung auf Basis einer langfristigen Vision fortzuführen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Landesverteidigung, wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich, spätestens jedoch bis 31. Mai 2024, den Entwurf der Österreichischen Sicherheitsstratege zur Debatte und Überarbeitung zu übermitteln."
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Präsidentin Doris Bures: Mit der Ergänzung, dass die Sicherheitsstrategie nicht nur zur Debatte, sondern auch zur Überarbeitung zu übermitteln ist, ist dieser Entschließungsantrag ordnungsgemäß eingebracht und steht auch mit in Verhandlung. (Abg. Brandstätter: Danke schön!)
Jetzt erteile ich Herrn Abgeordneten Martin Engelberg das Wort. – Bitte.