14.44
Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause und hier im Hohen Haus! Der Inbegriff des absurden Theaters „Warten auf Godot“ hat Konkurrenz bekommen: Wir warten auf die Afrikastrategie.
Diese Bundesregierung hat sich das Erarbeiten einer solchen Strategie auch ins Regierungsübereinkommen geschrieben, passiert ist dann sehr lange nichts. Im vorletzten Winter wurde angekündigt, dass diese Strategie im Frühjahr dann doch bald kommen wird – Karl Nehammer hat das auch im Rahmen einer Pressekonferenz so formuliert. Im April hieß es dann auch seitens des Bundesministers, dass diese Strategie vor dem Sommer kommen wird; vor dem Sommer hieß es, sie kommt im September; im September hieß es: vor Weihnachten; vor Weihnachten wurde dann gar kein Datum mehr gesagt, aber sie werde kommen; bei einer Pressekonferenz im März meinte der Herr Außenminister, man arbeite daran; und jetzt war in der Sitzung des Außenpolitischen Ausschusses keine Rede mehr davon, sondern – ich zitiere sinngemäß –: Das Erarbeiten einer Strategie macht nicht wahnsinnig viel Sinn, denn sobald man diese verschriftlicht hätte, wäre diese Strategie ja schon wieder obsolet und überholt.
Das bedeutet nichts anderes, als dass diese Bundesregierung betreffend die Afrikastrategie ohne Plan, ohne Ziele durch die Gegend irrlichtert, auch Besuche, Reisen auf den afrikanischen Kontinent macht, aber eigentlich gar nicht genau weiß, was sie dort tut. Das hat insofern auch besondere Brisanz, als die Afrikaagenden – allen voran die Entwicklungszusammenarbeit – auf sieben Ministerien aufgeteilt sind.
Jetzt möchte ich schon gerne darauf eingehen, warum man denn eigentlich eine Strategie braucht. Geopolitische Strategien haben im Wesentlichen zwei Funktionen: erstens einmal eine regierungsinterne Vergewisserung darüber, was denn eigentlich die Ziele sind, was die Prioritäten sind, und – auch der Weg ist das Ziel – damit man eben untereinander in den Ministerien auch darüber spricht, wohin man denn eigentlich möchte; und natürlich wird auch die Frage der Kohärenz mitverhandelt.
Die zweite Funktion eines Strategiedokuments, das auch veröffentlicht wird, ist natürlich die Kommunikation der eigenen Politik nach außen, nicht zuletzt auch gegenüber afrikanischen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern, die man trifft – vielleicht auch demnächst bei der Eröffnung unserer neuen Botschaft in Accra in Ghana.
Darüber hinaus gibt es natürlich noch weitere Gründe, warum man strategisch über Afrika nachdenken sollte. Nun ist der afrikanische Kontinent in den letzten Jahrzehnten auf der Prioritätenleiter nach oben geklettert, hat aber für uns natürlich nicht ganz die Relevanz wie beispielsweise China, betreffend das wir ebenfalls noch keine Strategie haben, die EU, Osteuropa, der Nahe Osten. Das sind schon Themen, mit denen wir auch sehr viel zu tun haben.
Insofern hat die Afrikapolitik sehr begrenzte zeitliche und finanzielle Ressourcen. Umso wichtiger ist es eben, dass man eine Strategie hat, eine Fokussierung, eine Prioritätensetzung, und diesen Kompass vermissen wir. Wir wollen ihn endlich sehen, und deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vorlage des Entwurfs der Afrikastrategie an den Nationalrat“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich, spätestens jedoch bis 31. Mai 2024, den Entwurf der im BMEIA bereits vorliegenden Afrikastrategie zur Debatte und Überarbeitung zu übermitteln.“
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Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
14.47
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Vorlage des Entwurfs der Afrikastrategie an den Nationalrat
eingebracht im Zuge der Debatte in der 262. Sitzung des Nationalrats über den Außen- und Europapolitischer Bericht 2022 der Bundesregierung (III-1151/2536 d.B.) – TOP 2
Während der Bundeskanzler und verschiedene Regierungsmitglieder Afrikareisen unternehmen, auch um Informationen für die seit langem überfällige Afrikastrategie zu sammeln, können sich die Koalitionspartner anscheinend nicht auf eine Strategie einigen. Auf Nachfrage - oder auch auf Entschließungsanträge zur zeitnahen Veröffentlichung - antwortet Bundesminister Schallenberg routinemäßig und seit langer Zeit, die Strategie sei aus Sicht des BMEIA fertig und harre nur der Zustimmung des Koalitionspartners. Weder Geopolitik noch Wirtschaft können darauf warten. Österreich riskiert noch weiter zurückzufallen, als es das im Vergleich zu Staaten wie der Türkei, die massiv in Afrika politisch wie auch wirtschaftlich investieren, bereits der Fall ist.
Afrika ist einerseits Zukunfts- und Hoffnungskontinent, anderseits beschäftigt sich Europa zurzeit mehrheitlich mit Instabilität, Demokratieerosion und dem Einfluss Russlands und Chinas in Staaten, die auch von einer europäischen – oder österreichischen – Afrikastrategie abgedeckt werden sollten.
Wenn die Afrikastrategie nicht vor Ende dieser Gesetzgebungsperiode veröffentlicht wird, ist davon auszugehen, dass eine neue Regierung sie nicht übernimmt. Damit wäre die Arbeit des BMEIA in dieser Sache verschwendet. Die Vorlage der Strategie erlaubt es dem Nationalrat, auf Basis der Grundsätze der bereits erarbeiteten Strategie die Debatte weiterzuführen und die Strategie zeitnahe fertigzustellen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich, spätestens jedoch bis 31. Mai 2024, den Entwurf der im BMEIA bereits vorliegenden Afrikastrategie zur Debatte und Überarbeitung zu übermitteln.“
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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht auch mit in Verhandlung.
Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Berlakovich. – Bitte.