12.04

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Hohes Haus! Wie der Rechnungshof festgestellt hat, sind über die Hälfte der Fälle der Bildungskarenz Verlängerungen von Elternkarenz. Da sieht man, dass es da nicht um eine Bildungsmaßnahme geht. Da geht es in der Mehrzahl der Fälle um eine Verlängerung der Elternkarenz.

Die aus dem roten Eck stammende Vorständin des Arbeitsmarktservice, Frau Draxl, hat ausdrücklich gesagt, dafür war die Bildungskarenz nicht gedacht. Dafür war sie nicht gedacht. (Abg. Belakowitsch: Richtig! Eh!) Dann müssen wir uns anschauen, wie wir das reparieren können, nämlich dass direkt im Anschluss an die Elternkarenz eine Bildungskarenz genommen wird, das ist eine Frage der Optimierung.

Da entscheiden sich Menschen, statt zwei Jahre Kinderbetreuungsgeld zu beziehen, lieber ein Jahr das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld zu beziehen und mehr zu bekommen und im zweiten Jahr dann das Weiterbildungsgeld zu beziehen. Sie optimieren die Leistungen des Sozialstaates. Das ist nicht unmoralisch, die nützen Gesetze aus, die dieses Haus geschaffen hat.

Wir müssen darüber reden, wie wir das sanieren können, weil es eben dafür nicht gedacht ist. Da sind wir noch gar nicht bei den Kleinigkeiten, dass das AMS in vielen Fällen Kursbestätigungen nicht eingeholt hat – jetzt müssen eh nur so wenige Stunden nachgewiesen werden, und nicht einmal das wird überprüft –, da sind wir noch gar nicht dabei, dass Institute sich darauf spezialisiert haben und damit werben, dass man seine Babykarenz verlängern kann, dass das nur im E-Learning ohne Prüfungen gemacht wird, dass man zu Hause den Computer einschalten und die Kamera ausschalten kann und in der Zwischenzeit die Wäsche machen oder die Küche reinigen kann, parallel dazu läuft die Kursteilnahme. Das geht alles und man bekommt dafür Weiterbildungsgeld. – Das sollte nicht gehen!

Dann müssen wir uns anschauen, aus welcher Zeit dieses Instrument der Bildungskarenz kommt. Im Ausschuss hat AMS-Vorstand Johannes Kopf bestätigt: Das Instrument kommt aus einer Zeit, als auf dem Arbeitsmarkt ein Überangebot an Arbeitskräften da war und man sich überlegt hat, wie man dem Arbeitsmarkt ein bisschen Arbeitskräfte entziehen kann, um den Arbeitsmarkt zu entlasten.

Heute haben wir auf breiter Front Arbeitskräftemangel und wir kaufen mit dem Geld aus der Arbeitslosenversicherung Erwerbstätige aus dem Arbeitsmarkt heraus, nämlich überdurchschnittlich junge Leute und überdurchschnittlich gut qualifizierte Leute. Kollegin Hamann, wenn Sie sagen, ja, bei den bis 30-Jährigen ist der Akademikeranteil gar nicht so hoch: Ja, weil die Akademikerinnen ihre Kinder oft nach dem 30. Geburtstag bekommen. Das ist halt auch ein Zeichen der heutigen Zeit.

Also wir kaufen mit Geld aus Sozialversicherungsbeiträgen junge, gut qualifizierte Leute aus einem Arbeitsmarkt heraus, auf dem es einen Arbeitskräftemangel gibt. Das ist in dieser Form schlecht. Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Mitteleffizienz bei Bildungskarenz“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, wird aufgefordert, das Modell Bildungskarenz, basierend auf den Empfehlungen des Rechnungshofes, so einzuschränken, dass die Mittel der Arbeitslosenversicherung gezielt und messbar zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen von Personengruppen eingesetzt werden, die auf dem Arbeitsmarkt Risikogruppen darstellen."

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Nur damit die Wählerinnen und Wähler ein Bild davon bekommen, wie die Grünen ticken und für wen die Grünen Politik machen, möchte ich noch darauf hinweisen, was Kollegin Blimlinger im Rechnungshofausschuss gesagt hat. Frau Blimlinger hat gesagt: Es muss doch möglich sein, dass man in der Bildungskarenz einen Yogakurs macht, damit man nachher ein Yogastudio aufmachen kann. – Nein! Für die Bobos im 7. Bezirk, die ein Yogastudio aufmachen wollen, ist die Bildungskarenz nicht gedacht. Wenn wir von Fachkräftemangel sprechen, dann sprechen wir nicht von einem Mangel an Yogastudios. Himmel noch mal! Das ist eure Wohlfühlpolitik für Leute, die im Wohlstand nicht mehr wissen, wohin mit ihrer Zeit. (Beifall bei Abgeordneten von NEOS, ÖVP und FPÖ.)

Dann möchte ich noch etwas sagen: Unternehmen sind natürlich an der Geschichte nicht ganz unbeteiligt. Man darf heute steuerbegünstigt praktisch keine freiwilligen Abfertigungen mehr zahlen. Will man jetzt einen Mitarbeiter mit einem Zuckerl loswerden, dann sagt man: Gehst halt ein Jahr in Bildungskarenz! So macht man heute Offboarding. Statt einer normalen Kündigung und einer steuerlich überdimensioniert bestraften Extrazahlung kriegt er halt eine Bildungskarenz.

Das ist ein Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zulasten Dritter, denn zahlen tun es die Beitragszahler ins AMS. Das gehört in der Form abgedreht, denn sehr viele Menschen kommen nach der Bildungskarenz nicht mehr an ihren ursprünglichen Arbeitsplatz zurück und hatten das auch gar nie vor. Das AMS zahlt auch Bildungskarenz für zwei Semester Uni-Studium. Niemand macht ein Uni-Studium in zwei Semestern fertig! Diese Leute gehen auf die Uni, die wollen gar nicht nach einem Jahr in ihren alten Job zurückkommen. Wir zahlen da mit dem Geld der Erwerbstätigen, die das mühsam erarbeiten, Wohlfühljahre für Leute, die gerne eine Pause machen wollen. (Beifall bei den NEOS.)

12.09

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Mehr Mitteleffizienz bei Bildungskarenz

eingebracht im Zuge der Debatte in der 264. Sitzung des Nationalrats über Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Bildungskarenz – Reihe BUND 2023/11 (III-919/2532 d.B.) – TOP 5

Mit Geld der Versicherten finanziert das AMS in steigender Zahl Bildungskarenzen. Wie der Rechnungshof in seinem Bericht zu III-919 d.B. feststellt, entfallen mehr als 50% der Fälle auf Elternteile, die mit der Bildungskarenz ihre Elternkarenz (mit einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld) verlängern. Überdurchschnittlich gut ausgebildete und im Schnitt recht junge Menschen nehmen typischerweise Bildungskarenz in Anspruch. So kauft das AMS mit Geld der Versicherten gesuchte junge Arbeitskräfte für ein Jahr aus einem Arbeitsmarkt hinaus, der ohnehin leergefegt ist.

Um die Funktionsweise des Arbeitsmarktes zu verbessern, hätte das Modell Bildungskarenz als Instrument der aktiven Arbeitsmarktpolitik die berufliche Aus- und Weiterbildung fördern sollen, damit auch wenig Qualifizierte sich eine bessere Position auf dem Arbeitsmarkt schaffen können. Doch die gesetzlichen Mindestanforderungen für eine Bildungskarenz sind sehr gering und erlauben den Beziehenden von Weiterbildungsgeld eine sehr große Freiheit bei der Wahl der "Bildungsangebote". So werben Anbieter mit Studienaufenthalten in verschiedenen Ländern der Welt. Auch Sprachkurse auf Anfängerniveau sind zugelassen. Kochkurse, Yogakurse und Schauspielkurse werden vom AMS ebenfalls anerkannt, solange die Bildungskarenz dem Übergang in die Selbständigkeit dient. Das Absolvieren von Prüfungen ist nicht erforderlich. Auch reine Fernlehrkurse, die zu 100% von zuhause absolviert werden, sind zulässig. Lediglich Hobbykurse sind ausgeschlossen und so wurden im Jahr 2021 nur 446 von 24.996 Anträgen auf Weiterbildungsgeld abgelehnt. (1)

Grundsätzlich hängt der Bezug von Weiterbildungsgeld an der Weiterbildungspflicht. Doch die praktische Auslegung ist, dass bis zu 75% des vorgeschriebenen Stundenausmaßes im Selbststudium erfolgen kann. Schon alleine durch die Anmeldung zu Lehrveranstaltungen an der Universität kann Weiterbildungsgeld für ein halbes Jahr bezogen werden, weil das Fehlen von Erfolgsnachweisen kein Grund für eine Rückforderung ist. Auch Kursbesuchsbestätigungen werden nicht durchgehend kontrolliert, weswegen Fehlzeiten dem AMS nicht bekannt sind.

Besonders beliebt ist die Bildungskarenz zur Verlängerung der Elternkarenz. Im Jahr 2021 bezogen 7.172 Frauen Weiterbildungsgeld direkt nach dem Kinderbetreuungsgeld. Im Internet wird dieses Modell von privaten Anbietern mit dem Slogan "Babypause verlängern" beworben. Die Zahl dieser Teilnehmerinnen hat sich seit 2017 verzehnfacht (siehe Abbildung).

Insgesamt beliefen sich die Kosten für die Bildungskarenz im Jahr 2021 auf 300 Millionen Euro bzw. 4% der Beitragseinnahmen des AMS. Mit dem Bericht des Rechnungshofes liegen nun konkrete Handlungsempfehlungen für eine Verbesserung der Bildungskarenz vor, um eine effizientere Verwendung der Pflichtversicherungsbeiträge sicherzustellen. Die zentralen Empfehlungen lauten wie folgt:

- Klare Ausrichtung auf ambitionierte Weiterbildungen, die geeignet sind, die Position der Beziehenden am Arbeitsmarkt zu verbessern, z.B. durch Anhebung des Weiterbildungsausmaßes und höhere qualitative Weiterbildungsanforderung;

- Stärkere Kontrolle durch Einforderung von Kursbestätigungen mit Anfangsdatum, Enddatum, Stundenausmaß und Fehlzeiten;

- Entwicklung eines bundesweit gültigen Arbeitsbehelfs im Hinblick auf eine zentralisierte Abwicklung des Weiterbildungsgeldes;

- Verpflichtung zur Meldung bei Änderungen, Unterbrechungen oder einer vorzeitigen Beendigung der Weiterbildungsmaßnahme;

- Meldepflicht betreffend die Aufnahme neuer bzw. Änderung bestehender unselbständiger, selbständiger bzw. landwirtschaftlicher Erwerbstätigkeit;

- Verpflichtung zur Vorlage von Kursbesuchsbestätigungen und Studienerfolgsbestätigungen;

- Möglichkeit der Rückforderung bei Nicht-Erfüllung der Weiterbildungspflicht.

Das Weiterbildungsgeld aus der Bildungskarenz wird auch für die Beantragung eines Selbsterhalterstipendiums als Einkommen anerkannt. Wer also nach drei Jahren Erwerbstätigkeit ein Hochschulstudium in Bildungskarenz beginnt, kann bezahlt auf Kosten der Arbeitslosenversicherung studieren (Weiterbildungsgeld) und danach mit Selbsterhalterstipendium weiterstudieren.

Österreich leistet sich eine besonders teure Arbeitslosenversicherung:

- Beitrag in Österreich:      5,9%

- Beitrag in Deutschland:  2,6%

- Beitrag in der Schweiz:   2,2%

Der ineffiziente Mitteleinsatz für Bildungskarenzen von gut Ausgebildeten, Bildungskarenzen ohne Erfolgsnachweis und Bildungskarenzen von besonders jungen Menschen trägt eine Teilschuld an der hohen Belastung der Löhne und Gehälter durch Versicherungsbeiträge an die Arbeitslosenversicherung. Wer die Erwerbstätigen entlasten will, muss das Geld der Versicherten auf die notwendigen und zielgerichteten Maßnahmen begrenzen.

Quellen:

(1) Rechnungshofbericht, 28. April 2023, https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/news/news/news_3/Weiterentwicklung_der_Bildungskarenz_notwendig.html

(2) derStandard.at, 28. April 2023, https://www.derstandard.at/story/2000145959459/rechnungshof-kritisiert-geringe-anforderungen-bei-bildungskarenz

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, wird aufgefordert, das Modell Bildungskarenz, basierend auf den Empfehlungen des Rechnungshofes, so einzuschränken, dass die Mittel der Arbeitslosenversicherung gezielt und messbar zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen von Personengruppen eingesetzt werden, die auf dem Arbeitsmarkt Risikogruppen darstellen."

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nun hat sich die Frau Präsidentin des Rechnungshofes zu Wort gemeldet. – Bitte.