15.45
Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Es ist schön, dass wir nach wie vor so viele Besuchergruppen bei uns haben. Ich darf zwei begrüßen: die ehemalige Bundesrätin Marianne Hackl mit ihrer Gruppe aus Wörterberg (allgemeiner Beifall); und es gibt viele Sankt Martin in Österreich, dieses Mal handelt es sich um Sankt Martin im Mühlkreis mit dem Bürgermeister Manfred Lanzersdorfer – herzlichen Gruß dieser Besuchergruppe! (Allgemeiner Beifall.)
Jetzt kommen wir zur Dringlichen Anfrage der NEOS. Die NEOS überraschen mich in diesem Wahlkampf, in dem ich ja auch mit unterwegs bin, immer wieder. Letzte Woche waren wir in Salzburg. Da hat mich ihre Listenzweite überrascht, als sie als Gesundheitsprojekt für Europa gefordert hat, europaweit Cannabis freizugeben. Diese Position kann man vertreten. Heute haben Sie mich überrascht, als Sie planwirtschaftliche Ideen vertreten haben – ich habe die NEOS eigentlich immer als liberale Partei eingeschätzt –, und ich werde versuchen, das zu begründen.
Gehen wir ein bisschen in der Zeit zurück! (Abg. Meinl-Reisinger: Sie meinen wegen dem Verbrennungsmotor?) – Ja, wir kommen dem Thema schon näher. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie meinen nicht, dass die Idee ein bisschen hirnrissig und planwirtschaftlich ist?) – Ja, Sie müssen mir nur zuhören. (Abg. Meinl-Reisinger: Wissen Sie, man kann eine gewisse intellektuelle Ebene schon unterschreiten, aber was soll das? – Abg. Steger: Sie haben recht, Sie beide haben den Verbrennungsmotor und das Auto unterstützt, Sie beide! – Abg. Meinl-Reisinger: Ist ja lächerlich!) – Nein, es ist nicht lächerlich. (Abg. Meinl-Reisinger: Doch, es ist lächerlich!) – Ich sage es Ihnen. (Abg. Sieber: Das ist Ihre Zukunftsvision von ...! – Abg. Meinl-Reisinger: Planwirtschaft ...! Von was reden Sie eigentlich?)
Der Unterschied zwischen uns und Ihnen ist, dass Sie ein Modell vertreten, dass die Politik im Jahr 2023 festlegt (Abg. Steger: Und Sie vor der Wahl so tun, als wären Sie nicht dabei gewesen!), was wissenschaftlich 2035 die einzige Möglichkeit ist. (Ruf bei der FPÖ: Richtig!) Das ist genau das, was Sie vertreten. (Beifall bei der ÖVP.)
Wir haben einen technologieoffenen Zugang. (Ruf bei der FPÖ: ... vor der Wahl A und nach der Wahl B! – Abg. Meinl-Reisinger: Sie waren vorher für Verbrennungsmotoren, ...!) Stellen Sie sich vor, die Europäische Union hätte, was den Verbrennungsmotor und den E-Motor betrifft, im Jahr 2007 gesagt, die Endentwicklung beim Handy ist Nokia, und nachher gibt es nichts mehr. Damals war Nokia der Marktführer mit weit mehr als 50 Prozent Marktanteil. Jetzt beträgt Nokias Marktanteil, Sie wissen es, keine 3 Prozent mehr. (Abg. Meinl-Reisinger: Das gibt’s ja nicht!)
Genauso sehe ich es hier. Schauen Sie, die Europäische Union hat in dem Moment, als sie gesagt hat, 2035, gleichzeitig beschlossen: Schauen wir uns das 2026 an! (Abg. Meinl-Reisinger: Hört doch auf die Industrie! In Steyr werden 600 000 Elektromotoren gebaut!) – Das braucht Sie nicht nervös zu machen, Frau Kollegin Meinl-Reisinger! (Abg. Meinl-Reisinger: Nein, es macht mich nicht nervös! Es ist so - -) – Aber Sie könnten mir ja zuhören. (Ruf bei der ÖVP: Ich glaube, es ist ein Ordnungsruf!)
Ich sage Ihnen nur, was die Europäische Union gesagt hat. In dem Moment, als die gesagt hat (Abg. Meinl-Reisinger: Gegen unsere eigenen Betriebe! Steyr! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), 2035, hat sie gleichzeitig gesagt: Schauen wir uns das 2026 an! (Abg. Meinl-Reisinger: 600 000 Elektromotoren!)
Frau Meinl-Reisinger, der Markt ist für Sie gar nichts mehr? Kennen Sie das Konsumentenverhalten der ersten vier Monate? (Abg. Meinl-Reisinger: Geh bitte, Herr Lopatka, ich meine, entschuldigen Sie, aber das ist alles so was von unredlich, was Sie da machen!) – Also das interessiert Sie überhaupt nicht? (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: In Steyr werden 600 000 Elektromotoren gebaut!)
Der Markt interessiert Sie nicht. Es interessiert Sie auch die Infrastruktur nicht. (Abg. Meinl-Reisinger: Oja, die interessiert mich sehr, ...!) Schauen Sie, dann sage ich Ihnen etwas: Bei uns in Wien haben wir mehr Elektrotankstellen als zum Beispiel in ganz Rumänien. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Wie soll das funktionieren? (Ruf: Das kann man lösen! – Abg. Meinl-Reisinger: Nachfrage! Angebot und Nachfrage!)
Das Zweite: Wir bräuchten um 25 Prozent mehr Strom. Da bin ich bei der nächsten Frage: Ihr Spitzenkandidat hat sich bis heute geweigert, zu sagen, ob Sie für Atomstrom oder gegen Atomstrom sind. (Ruf bei der ÖVP: Genau!) Ihre Fraktion ist ja die Atomstromfraktion im Europäischen Parlament. (Abg. Meinl-Reisinger: Ihr müsst so nervös sein, das ist ja unglaublich!) Macron – sein gutes Recht – setzt auf Atomstrom. Er führt Ihre Gruppe an. Bis heute haben Sie es vermieden – Sie haben noch weitere Gegner –, sich festzulegen: Sind Sie für Atomstrom oder dagegen? Sie könnten es mir jetzt mit einem Zwischenruf sofort sagen. (Abg. Meinl-Reisinger: Nein, wir sind nicht für Atomstrom! In Österreich brauchen wir das nicht! –Rufe bei der ÖVP: Haha! Ach so, woanders! Theater! – Abg. Meinl-Reisinger: Sie werden wohl ja sagen können, dass die Entscheidung der Deutschen vielleicht nicht ganz so klug war!) – Nicht in Österreich, ich rede von Europa! Ich rede von Europa. (Abg. Sieber: Es ist auch Ihre Stunde, Europa!) Gut, es wird ruhiger seitens Ihrer Zwischenrufe. (Beifall bei der ÖVP.)
Damit komme ich wieder zu meinem Thema zurück. (Abg. Meinl-Reisinger: How long can you get, Lopatka?) Schauen Sie, wir sind hier bewusst missverstanden worden. Unser Zugang ist – da hat es Ihre Partei noch gar nicht gegeben, haben wir das schon festgelegt – die ökosoziale Marktwirtschaft.
Was heißt das? – Basis ist ein starker Industrie- und Wirtschaftsstandort, weil diese notwendige Transformation verdammt viel Geld kosten wird. Sie wird verdammt viel Geld kosten, und wir werden uns das nur bei einem starken Industrie- und Wirtschaftsstandort leisten können. (Beifall bei der ÖVP.)
Und die letzten fünf Jahre haben wir nicht dazugewonnen, was Wettbewerbsfähigkeit betrifft (Abg. Belakowitsch: Warum war denn das so?) – ich sage es Ihnen (Abg. Meinl-Reisinger: 34 Jahre ÖVP in der Regierung!) –, und wir haben hier natürlich mit zwei großen wirtschaftlichen Konkurrenten zu tun: China, wo der Staat mit Steuergeld einzelne Industrien massiv unterstützt. Während die Chinesen, mit staatlichem Geld massiv unterstützt, E-Autos hierher zu uns transferieren, eröffnen sie gleichzeitig Kohlekraftwerke. Also das Musterbeispiel ökologischer Perspektive ist China für mich nicht.
Im Übrigen, wenn wir schon vom Verbrenner reden: Wir haben weltweit einen Anteil von 8 Prozent am gesamten CO2-Ausstoß. (Abg. Kassegger: Der Kollege hat gut aufgepasst bei meinen Reden!) Von diesen 8 Prozent macht der Verkehr 20 Prozent aus. 20 Prozent von den insgesamt 8 Prozent sind 1,6 Prozent. Pkws machen davon 50 Prozent aus, das sind 0,8 Prozent. Wenn ich alles vom Verbrenner gelöst habe, habe ich 0,8 Prozent des weltweiten CO2-Problems im Griff. (Abg. Kassegger: Herr Kollege, sagen Sie das Ihrer Parteifreundin Ursula von der Leyen!) Es bleiben 99,2 Prozent! (Abg. Meinl-Reisinger: Es geht um Technologieführerschaft! Es geht um Innovation! Es geht darum, endlich wieder einmal ...!) – Das ist Ihre heilige Kuh, ein Anteil von 0,8 Prozent?! – Das ist es. (Beifall bei der ÖVP.)
Lassen Sie mich nun aber auf die entscheidende Frage zurückkommen – und ich bin Ihnen ja dankbar, dass wir darüber nachdenken –: Wie kann Europa wettbewerbsfähiger bleiben?
Ich möchte Sie gar nicht langweilen, aber ich hatte heute zu Mittag Gelegenheit, mit dem langjährigen Kommissionspräsidenten Barroso zu sprechen, der auf Einladung von Wolfgang Schüssel hier war. Dieser hat zum Beispiel 25 Mal Putin getroffen und glaubt daher, dass er Putin kennt, und er sagt – erster Punkt –: Ja, die Zeitenwende hat es seit dem Einmarsch der Russen in der Ukraine gegeben. Europa muss mehr für Verteidigung tun. Wir müssen uns langfristig darauf einstellen, dass Russland auf Kriegswirtschaft umgestellt hat, und müssen mehr für Verteidigung tun. – Das haben alle bei uns begriffen, bis auf die Fraktion, die nach mir zu Wort kommt, die Freiheitliche Partei. – Der erste Punkt. (Abg. Leichtfried: Nein, das bin ich! Hallo! – Heiterkeit bei der FPÖ.)
Ah, bitte! Aber bei der SPÖ hat es da ja auch Zweifler gegeben, was Putin betrifft. Aber nach Ihnen, Kollege Leichtfried, werden dann die Freiheitlichen das Wort ergreifen. Also ich sage es Ihnen noch einmal: Bis auf sie, glaube ich, haben alle in Europa schon verstanden, dass der Kriegstreiber Putin ist und nicht die Europäische Kommission gemeinsam mit der Ukraine. – Das heißt für uns: Wir müssen hier mehr tun.
Der zweite Bereich – und da bin ich auch zu 100 Prozent der Meinung von José Manuel Barroso –: Er sagt, ganz wichtig für die Europäische Union ist die Balance zwischen Wirtschaft und Klimaschutz. Und in den letzten Jahren haben wir uns hier sehr, sehr auf den Green Deal konzentriert. Ich bin nicht dagegen, aber ich bin für die nächsten fünf Jahre dafür, dass die Balance wieder stimmt. (Abg. Kassegger: Meine Güte! Sagen Sie das Ihrer Parteifreundin Ursula von der Leyen, nicht uns da!) Wir müssen wieder mehr für den Industrie- und Wirtschaftsstandort tun, meine Damen und Herren! (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, aber dann mach ich’s selber! ... seit 34 Jahren ÖVP in der Bundesregierung!) Das ist unser Ansatz. Die Balance muss stimmen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: ... Wettbewerbsfähigkeit Österreichs: Kein Wettbewerb bei den Energieversorgern! Hohe Inflation! Hohe Energiepreise! Viel zu viel Bürokratie!)
Das ist das Entscheidende, und da wollen wir mit dabei sein – in einem technologieoffenen Zugang, sage ich Ihnen. Und technologieoffen heißt, dass wir hier alles machen, dass selbstverständlich auch in anderen Bereichen investiert wird. Na selbstverständlich: wenn es um synthetischen Treibstoff geht, wenn es um Wasserstoff geht, um nur zwei andere Bereiche zu nennen. Alles in diesem Bereich sollte von uns offen gesehen werden.
Und: Konzentrieren wir uns nicht nur auf ein Modell, das am Markt momentan nicht unbedingt den Zuspruch findet! Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)
Daher sage ich Ihnen – 100-prozentig richtig – unsere Positionierung: Eine technologieoffene Partei, das ist die Österreichische Volkspartei! Lange vor Ihnen waren wir schon bei der ökosozialen Marktwirtschaft – das mache ich Ihnen nicht zum Vorwurf (Abg. Meinl-Reisinger: Und was habts ihr gemacht jahrzehntelang? Was habts ihr gemacht? Die Jungen im Stich gelassen!) –, und das ist unser Modell auch für die Zukunft: Ökosoziale, aber Marktwirtschaft! (Beifall bei der ÖVP.)
15.55
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Leichtfried. – Bitte sehr.