16.10
Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen und Gäste! Ich merke, dass sich die Galerie in der Zwischenzeit geleert hat und das überrascht mich nicht. (Ruf bei der FPÖ: Ja, weil sie gesehen haben ...! Jetzt werden sie wieder kommen! – Abg. Stefan: Jetzt können wir sie ja wieder reinholen, das ist sicher! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ehrlich gesagt bezweifle ich auch, dass sich die bisherigen Argumente, die wir gehört haben, auch nur in irgendeiner Form hier durchgesetzt hätten, und ich finde diese Selbstgefälligkeit – vor allem von Kollegin Steger – eigentlich auch brandgefährlich, auch wenn sie ein bisschen belustigend klingt. Wieso? – In letzter Konsequenz mündet diese nämlich tatsächlich in den Spruch, dass das Recht der Politik folgen muss, nämlich der eigenen Politik. Der Urheber dieses Spruches ist im Übrigen Klubobmann Kickl, der heute den ganzen Tag einfach die Sitzung spritzt – das aber nur nebenbei bemerkt. (Abg. Meinl-Reisinger: Der hat wahrscheinlich eine Bergtour! – Abg. Höfinger: Wandern! Beim Volk! Volkswandertag!)
Kommen wir wieder zurück zum eigentlichen Thema – es stimmt schon, dass es an die gestrige Debatte in der Europastunde angelehnt ist –: Wo wollen wir hin? Wo wollen wir als Europa gemeinsam hin? (Abg. Meinl-Reisinger: Ich glaube, ich habe das nächste Mal auch einen Kosmetiktermin, die sind so schwer zu bekommen!) Wie wollen wir dieses Europa gestalten – und vor allem –, wer will da nicht mitmachen? Wir haben gestern schon festgestellt, dass Europa wie eine große Baustelle ist. Es ist uns allen bewusst: Diese Baustelle muss permanent bebaut, muss neu gebaut und ergänzt werden, die Stockwerke müssen auch entsprechend abgesichert werden.
Es gibt aber natürlich auch diejenigen, die wie Diebe von dieser Baustelle einfach immer wieder etwas wegnehmen: ein bisschen Sand, ein bisschen Zement, ein paar Geräte, die uns dann eben für diese gemeinsame Arbeit an diesem Europa fehlen. Diese Unruhestifter und Zerstörer haben wir gestern benannt, heute möchte ich das in einen breiteren Zusammenhang stellen.
Wir haben gestern schon ganz kurz Georgien erwähnt. (Abg. Meinl-Reisinger: Georgien?) Wir sehen auch, was in Moldau passiert. Wir wissen auch von einem Orbán, der auf der einen Seite – wie die FPÖ – nicht den Mut hat, zu sagen: Wir wollen aus der Europäischen Union austreten!, auf der anderen Seite von all den Fördergeldern enorm profitiert und sich auch in Ungarn absichern konnte.
Ich glaube, es steht außer Frage, dass die Europäische Union für Österreich, wie es in der Begründung zu Recht steht, ein unverzichtbarer Pfeiler des wirtschaftlichen Erfolgs, aber auch des gesellschaftlichen Wohlstands ist. Wir wissen auch, dass die Attraktivität Österreichs natürlich davon abhängt, ob wir Mitglied dieser Union sind und wie stark diese Union ist. Genau an dieser Stärke dieser Union stoßen sich einige und genau das ist der springende Punkt: Wer hat ein Problem damit, dass die Union eine starke ist? – Diejenigen, die eben nicht möchten, dass wir uns dagegenstellen, dass die Autokratien auf Vordermann gebracht werden, dass wir die Demokratien durch die europäische Einigkeit stärken.
Genau da können wir jetzt sehr gut ausmachen: Wer arbeitet an der Baustelle mit und wer trägt von der Baustelle unsere Geräte weg? – Das haben wir gestern schon zur Genüge benannt. Ich glaube aber, diese wirtschaftlichen Fakten, die auch Sie, Herr Minister, vorhin hier vorgetragen haben, überzeugen sehr viele Menschen in Österreich nicht mehr auf dieser emotionalen Ebene.
Deswegen möchte ich etwas ins Treffen führen, was mir persönlich ein großes Anliegen ist, nämlich die emotionale Ebene, die europäische Identitätsebene, wenn man so möchte, die diesen Zusammenhalt in Europa erst ermöglicht hat. Viele hier werden sich noch erinnern können, wie es zu Zeiten des Kalten Krieges war. Viele wissen noch, wie es war, als im Burgenland ein Stacheldraht die Länder voneinander trennte, die eigentlich Nachbarn waren. Ich selber weiß noch, als ich als neunjähriges Kind, als die Mauer gefallen ist, mit meiner Familie gejubelt habe, dass wir endlich ein paar Kilometer weiter über die Grenze fahren und unsere Verwandten, Angehörigen und Freunde besuchen können.
Diese emotionale Komponente, die identitätsstiftend ist für unser gemeinsames Europa, ist verloren gegangen. Nur, wenn wir wieder auf diese emotionale identitätsstiftende europäische Zusammenarbeit setzen, wird es uns gelingen, auch den nächsten Generationen klarzumachen, dass wir da nicht nur etwas Einzigartiges geschaffen haben, sondern dass wir ohne diesen Zusammenhalt, ohne dieses Europa in der Welt vollkommen isoliert wären, unseren Wohlstand verlieren würden, unsere Sicherheit gefährden würden und eben nicht mehr mit demokratischen Kräften zusammenarbeiten, sondern uns denen, die diese Demokratien in Europa zerstören wollen, ausliefern würden. (Beifall der Abg. Disoski.)
Das heißt, da geht es schon um eine Metaebene. – Meine Redezeit ist um, deswegen lasse ich das Klatschen nicht zu. (Heiterkeit bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS.) Es geht um eine Metaebene abseits von Wohlstand, Sicherheit und Freiheit, die Europa für uns garantiert, nämlich um aufzuzeigen, dass unsere und die nächsten Generationen in Europa eine Zukunft haben und dass es Kräfte von außen, aber auch von innen gibt, die uns diese Zukunft rauben wollen – und genau das ist der springende Punkt.
Es gibt einen aktuellen, sehr spannenden Artikel – zwar zu Spionage, aber da geht es um viel, viel mehr als nur die Spionagetätigkeiten von russischer Seite in Österreich. Darin geht es nämlich darum, wie beispielsweise Russland oder andere Autokratien versucht haben, Österreich regelrecht zu korrumpieren. Wie korrumpiert man ein Land? – Indem man das schwächste Glied ausmacht. Man schaut sich an, wer anfällig dafür ist, wer davon profitieren könnte, wer sich nicht aus eigener Kraft durchsetzen kann. Man hat dieses schwächste Glied in Österreich ausgemacht – auch das hatten wir gestern schon –, nämlich in Form der FPÖ.
Wir haben auch gestern schon über das BVT und die Knickse der ehemaligen Außenministerin gesprochen, aber dahinter steckt ja noch viel, viel mehr. (Abg. Loacker: Das wäre extrem viel Applaus gewesen!) Russland hat in diesem Fall sehr genau gewusst, dass es durch das Einfallstor Österreich, nämlich genau durch die Diebe der Demokratie, der europäischen Demokratie, vorwärts kommen und genau diese Stimmungen erzeugen kann, wie sie jetzt gerade in Georgien oder in Moldau spürbar sind.
Deswegen ist es ein sehr ernstes Thema. Es geht nicht nur um Wirtschaft, es geht nicht nur um unsere europäische Zukunft und Identität, sondern es geht um die grundlegende Frage: Lassen wir es zu, dass diese schwächsten Glieder weiterhin Einfallstore für Autokraten sind, die unseren Zusammenhalt in Europa gefährden?
Deswegen danke ich auch für diese Dringliche. Man kann nicht oft genug darüber sprechen, wie wichtig es ist, dass wir auf Zusammenhalt setzen und den Zerstörern einfach den Riegel vorschieben. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und NEOS.)
16.17
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.