10.27
Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Diese Aktuelle Stunde hat jetzt doch sehr viele grundverschiedene Standpunkte zu einer Frage offengelegt, der wir uns wirklich stellen müssen: Wie gehen wir als Gesellschaft mit Kindern, mit Unmündigen um, die einen strafrechtlich geschützten Wert verletzt haben, die ein Rechtsgut verletzt haben?
Ich gebe der FPÖ durchaus recht, wenn sie dieses Problem aufgreift, denn wir haben einen gesellschaftlichen Wandel, der mit sich bringt, dass wir Social Media haben; wir haben Migration, wir haben aber auch körperliche Entwicklungen, die früher einsetzen. Dennoch soll uns das nicht dazu verleiten, dass wir dieser einfachen und banalen Idee verfallen, einfach herzugehen und zu sagen: Setzen wir die Strafmündigkeit herunter und dann haben wir alle Probleme gelöst!
Das genaue Gegenteil ist der Fall. Ich appelliere an die ÖVP, ich appelliere an die FPÖ: Vergessen Sie diesen Gedanken! Es bringt nämlich überhaupt nichts. Wenn wir die Strafmündigkeit heruntersetzen, bedeutet das ja nichts anderes, als dass das Strafrecht auch unter Berücksichtigung der Sonderregelungen für Jugendliche im Jugendgerichtsgesetz weiter anwendbar ist.
Die Hauptziele unseres Strafrechts sind die Generalprävention und die Spezialprävention. Es soll die Gesellschaft geschützt werden, es soll aber auch der individuelle Täter davon abgehalten werden, weiterhin strafbar zu sein. Das Strafrecht spricht somit nicht den Körper, sondern den Geist des Menschen an. Und wenn wir jetzt vor der Tatsache stehen, dass heute eben oft zu beobachten ist, dass sich der Geist eines Kindes im Körper eines Erwachsenen befindet, dann können wir darauf nicht damit reagieren, dass wir diese unter 14-Jährigen so ansprechen, mit den Mitteln des Strafrechtes ansprechen wollen und sie zur Besserung bringen wollen sowie die Gesellschaft schützen wollen. Was wir brauchen, was uns als Gesellschaft wirklich weiterbringen würde – und es wurde vieles angesprochen, auch vom Herrn Bundesminister –, ist ein Bewährungsrecht.
Wir brauchen für Kinder, für Unmündige, die etwas angestellt haben, die ein Rechtsgut verletzt haben, ein besonderes Recht, das alle diese Maßnahmen, die heute schon angesprochen worden sind, umfasst, damit wir den Geist, damit wir die Seelen dieser Kinder erreichen im Sinne des Schutzes der Gesellschaft, aber auch im Eigeninteresse dieser betroffenen Unmündigen, damit sie wieder den Weg zurück finden.
Früher war es so, dass das Jugendgerichtsgesetz eine Maßnahme, nämlich eine Belehrung durch den Pflegschaftsrichter vorgesehen hat. Ich weiß das noch gut, ich selbst war Rechtspraktikant beim Bezirksgericht in Hall: Der Gerichtsvorsteher, der Pflegschaftsrichter war ein etwas bärbeißiger Mann und hat bei einem Zwölfjährigen, der mit dem Luftdruckgewehr eine Straßenlampe beschädigt hat, eben eine solche Belehrung nach dem Jugendgerichtsgesetz anbringen müssen. Der Pflegschaftsrichter sagt zu dem: Horch zu, wie wir jung waren, haben wir auch so einen Blödsinn gemacht, da haben wir halt eine Watschn kriegt, und der Fall war erledigt! (Abg. Hofer: Vergewaltigung! Gruppenvergewaltigung!) – So funktioniert das heute nicht mehr, das müssen wir zur Kenntnis nehmen.
Heute müssen wir mit den Mitteln der Fallkonferenzen, mit den Mitteln, über die der Verein Neustart sehr genau Bescheid weiß, arbeiten. Der Verein Neustart ist eine sehr, sehr gute, großartige Einrichtung, und ich möchte die Gelegenheit hier nutzen und diesem Verein für seine Arbeit danken. Der Verein Neustart hat auch die Ideen und weiß ganz genau, dass es der gänzlich falsche Weg wäre, die Strafmündigkeit zu senken, sondern dass wir uns ganz im Gegenteil überlegen sollten, diese sogar anzuheben (Abg. Kickl: Ah!), damit bis zu 16-Jährige nicht vom allgemeinen Strafrecht, das ein Erwachsenenstrafrecht ist, umfasst werden, sondern altersgemäß angesprochen werden, nämlich in dem Sinn, dass sie eben ihre Chance nutzen. Diese Belehrung, die damals vielleicht irgendwie gewirkt hat – ich weiß nicht, ob sie die kriminelle Karriere dieses Knaben damals beeinflusst hat –, würde nämlich heute jedenfalls nicht mehr wirken.
Daher ist Folgendes angesagt – und das ist ein Auftrag für die nächste Gesetzgebungsperiode –: Schaffen wir ein Bewährungsrecht für die Unmündigen – von mir aus auch etwas darüber hinaus –, für die Jugendlichen, das einerseits die Gesellschaft schützt, das die Unmündigen aber andererseits, wenn es ganz schlimm war, auch ein Übel spüren lässt – das ist unbestritten –, das ihnen vor allem aber den Weg zurück weist, sodass sie unsere gemeinsamen Rechtsgüter respektieren und nicht mehr verletzen! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
10.32
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Ich danke dem Herrn Bundesminister für Inneres und begrüße Herrn Bundesminister Rauch.