11.26

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich nütze die Gelegenheit, jetzt erstens auf ein paar Punkte einzugehen, die in der Debatte genannt worden sind, und zweitens auch auf den Sozialbericht.

Lassen Sie mich voranstellen, dass wir in Österreich Gott sei Dank in der Situa­tion sind, dass wir einen funktionierenden Sozialstaat haben. Den haben viele europäische Staaten nicht, von anderen in Übersee gar nicht zu reden. Es sei auch dazugesagt: Dass wir diesen Sozialstaat haben, der Menschen in Situationen der Arbeitslosigkeit, der Krankheit, des Alters oder einer Behinde­rung absichert, ist unter anderem das Verdienst der Sozialpartnerschaft und von Regierungen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte, die das geschaffen haben. Das sollte man auch so benennen.

Wir haben unzweifelhaft in den letzten drei Jahren Krisen zu bewältigen gehabt, die wir in dieser Form noch nicht hatten, wodurch der Sozialstaat auch vor Herausforderungen gestellt worden ist. Ich möchte schon betonen, dass natürlich entlang dieser Krisen, die wir hatten, zum Teil noch haben, Men­schen in ökonomische Notlagen geraten sind, die das vorher so gar nicht gekannt haben, und dass sich Menschen verschärft in sozialen Notlagen befin­den, die ohnehin schon am Rande gestanden sind und dort immer wieder leben mussten. Das war auch der Grund, warum die Bundesregierung gehandelt und tatsächlich viel Geld in die Hand genommen hat, um dem entgegen­zusteuern.

Das heißt, deutlich gemacht am Beispiel einer Alleinerzieherin mit zwei Kindern: Die hat in den letzten zwei Jahren oder seit Beginn der Krise mindestens 5 000 Euro zusätzlich bekommen. Das ist für diese Frau viel Geld. Ich mag mich nicht in diesem Zynismus ergehen und sagen, das ist entweder zu viel und nicht treffsicher, oder es ist zu wenig, weil es sowieso nichts nützt.

Sie hat von den Direktzahlungen, vom Paket gegen Kinderarmut, von der Strom­kostenbremse, vom Energiekostenausgleich profitiert. Sie hat unter ande­rem möglicherweise auch vom Wohnschirm profitiert, um eben nicht die Wohnung zu verlieren oder nicht den Strom oder das Gas abgedreht zu bekommen.

Das heißt, die Maßnahmen, die wir gesetzt haben, haben Situationen von Menschen, die sich in Notlagen befinden, deutlich verbessert. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben das auch – weil die beiden Bereiche angesprochen sind – im Pflegebereich und im Gesundheitsbereich gemacht. Es ist einfach in den vergan­genen zwei Jahren sowohl im Gesundheitsbereich als auch im Pflegebe­reich massiv Geld investiert worden, um die Situation dort zu verbessern. Es sind die Gehälter für das Pflegepersonal erhöht worden. Es gibt eine zusätzli­che Urlaubswoche. Es ist bei der Gesundheit ein Reformschritt gemacht worden.

Es fließen derzeit pro Jahr 1 Milliarde Euro zusätzlich in die Pflege und 1 Milliarde Euro zusätzlich in die Gesundheit. Auch das ist Sozialpolitik – und zwar gelebte Sozialpolitik, abgesichert auf die nächsten fünf Jahre. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Während wir hier immer von Statistiken, Zahlen und Erhebungen reden, stehen hinter diesen Zahlen, Daten und Fakten immer auch Einzelschicksale, sind Familien und Kinder betroffen. Die OECD hat uns ja vorgerechnet, dass die Fol­gen von Kinderarmut in Österreich mit zweistelligen Milliardenbeträgen zu Buche schlagen.

Das ist mein Standpunkt, und da möchte ich auch Kollegen Loacker sagen: Investitionen in die sozialstaatliche Absicherung rechnen sich volkswirtschaftlich. Es ist eine schlichte ökonomische Rechnung, dass jeder Euro, den wir in die soziale Absicherung von Kindern (Abg. Loacker: Für schlicht halte ich das auch!) und Jugendlichen, in die aktive Arbeitsmarktpolitik, in die Vermeidung von Armut und Deprivation investieren, gut investiertes Geld ist. Schließlich gelingt es damit, Menschen eine Zukunftsperspektive zu geben, und – das ist auch der Punkt – ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, im Bereich Wohnen, im Bereich Lebenshaltungskosten und beim Einkaufen. Das ist unsere Verpflichtung. Alles andere, finde ich, ist zynisch – und wenn Sie noch nie mit einem Menschen geredet haben, der auf eine Mindestpension an­gewiesen ist oder Sozialhilfe bezieht, dann würde ich Ihnen das dringend empfehlen. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Ich bin täglich draußen. Es kommen zu mir nicht die Reichen und Superreichen, Herr Kollege Loacker. Ich setze mich mit den tatsächlichen Lebensrealitä­ten der Menschen auseinander. Das mache ich, seit ich als Sozialarbeiter berufs­tätig bin, und ich weiß, wie es denen geht. (Abg. Loacker: Im Bericht steht, dass die Reichen ... besser Zugang haben!) Das ist zynisch, Herr Kollege Loacker, absolut zynisch, und wenn Ihre Welt und Ihre Denke ist, alles zu privati­sieren und an die Profitmaximierung auszulagern, dann ist es Ihre Welt. Das ist Ihr gutes Recht. Meine ist es nicht (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Lindner), weil wir verpflichtet sind, dem entgegenzutreten. So funktioniert soli­darische Gesellschaft. Das ist Ihre Welt nicht, das habe ich verstanden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Loacker: Ihr Bericht ist ein Unfug!)

Was sind die Zukunftsperspektiven? Wir wissen, wir haben nicht alles erreicht und es gibt noch jede Menge zu tun. Nun gelange ich zum Punkt der Rechtfertigung und der Darstellung, wie sich diese Dinge ökonomisch rechnen. Ja, es gibt die Verpflichtung, darzulegen, dass sozialstaatliche Investitio­nen und Investitionen des Staates überhaupt einen volkswirtschaftlichen Nutzen bringen. Das tun wir – und ich habe es wirklich satt, dass wir immer dann, wenn wir über Gesundheit, Pflege und Investitionen in Soziales reden, in Recht­fertigungszwang kommen. Das sind immer böse Ausgaben; aber immer dann, wenn Gebäude, Schienenwege oder Infrastruktur errichtet werden, dann sind es Investitionen.

Erstere sind genauso Investitionen in Menschen, und das ist gerechtfertigt. Das ist bei den Pensionistinnen und Pensionisten, bei den Jungen, bei den Arbeitslosen und bei den sozial Bedürftigen gerechtfertigt. Wir werden uns angewöhnen müssen, dass uns, wenn wir in diesem Staat den sozialen Frieden und nicht wie in Frankreich Proteste auf der Straße haben wollen, diese Investitionen in die soziale Absicherung und den sozialen Frieden etwas wert sein müssen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das ist die Botschaft dieses Sozialberichtes, nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.33

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Michael Hammer zu Wort. – Bitte.