12.16
Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren heute eine Novelle des Opferfürsorgegesetzes. Das Opferfürsorgegesetz ist eine Form der finanziellen Entschädigung, Unterstützung für Opfer politischer Verfolgung der faschistischen Diktaturen in Österreich von März 1933 bis Mai 1945.
Mit der vorliegenden Gesetzesnovelle vollziehen wir einen Lückenschluss, nämlich jenen Lückenschluss, der eine Opfergruppe umfasst, die bisher ausgeschlossen war: die Opfergruppe der sogenannten Berufsverbrecher, von den Nazis auch als Kriminelle oder Asoziale bezeichnet, die von den Nationalsozialisten in Konzentrationslagern inhaftiert wurden und bisher von der Opferfürsorge ausgeschlossen waren.
So wie viele Maßnahmen, die wir setzen, kommt auch diese reichlich spät. Kollegin Blimlinger hat es gesagt: eigentlich schon viel zu spät, weil wir davon ausgehen müssen, dass aus der Gruppe jener Personen, die jetzt von dieser Novelle profitieren würden, wahrscheinlich schon alle verstorben sind. Es handelt sich aber um einen Lückenschluss in der Anerkennung von NS-Opfern und ist damit für uns eine sehr wichtige symbolische Geste, die wir in unserer historischen Verantwortung heute gemeinsam setzen.
Die Gruppe der KZ-Häftlinge, die als sogenannte Berufsverbrecher, als Kriminelle oder Asoziale bezeichnet wurden und von den Nationalsozialisten deportiert und in den Konzentrationslagern inhaftiert worden sind, ist lange auch von der öffentlichen Wahrnehmung ausgeschlossen gewesen. Andreas Kranebitter vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes hat sich jetzt auch wissenschaftlich dieser Opfergruppe gewidmet und ein Buch dazu in der Mauthausen-Reihe herausgebracht.
Wer waren nun also diese Personen, die als sogenannte Berufsverbrecher in den Konzentrationslagern gesessen sind? – Ich erwähne beispielhaft für sehr viele den Wiener Alfred Gruber. 1936 wurde er nach mehreren Einbruchsdiebstahlsdelikten zu sechs Monaten schweren Kerkers verurteilt. Diese Haft hat er abgesessen und ist danach auch nicht mehr straffällig relevant aufgefallen. Nach dem Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich wurde er dann aber im Juni 1938 von der Kriminalpolizeidienststelle Wien aufgegriffen, inhaftiert, ist in das KZ Dachau mit 461 weiteren sogenannten Berufsverbrechern gekommen und war später in der Gruppe der ersten Häftlinge im Konzentrationslager Mauthausen.
Die Nationalsozialisten haben das als vorbeugende Verbrechensbekämpfung bezeichnet, und leider ist diese Gruppe von NS-Opfern auch in der Zweiten Republik weiter stigmatisiert worden, indem sie eben nicht als NS-Opfer anerkannt wurden. Das korrigieren wir heute mit dem Beschluss dieser Novelle des Opferfürsorgegesetzes. Dafür möchte ich mich zum einen beim Dokumentationsarchiv für den Anstoß dazu und zum anderen bei Kollegin Blimlinger, die diese Initiative entsprechend aufgegriffen hat, ganz herzlich bedanken. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)
12.19
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ragger. – Bitte.