Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Vor Kurzem haben zwei landwirtschaftliche Organisationen, zwei Umwelt-NGOs, zwei Arbeitnehmer:innenorganisationen ein Zehnschritteprogramm für eine sozial und ökologisch gerechte, nachhaltige EU-weite Landwirtschaftspolitik präsentiert und eingemahnt, dass die Zukunft der landwirtschaftlichen Produk­tion sowie der gesamten Gesellschaft auf einer intakten Natur und sozial fairen Verhältnissen basieren muss.

Letzte Woche haben sich auch weitere Wissenschafter aus ganz Europa in einem offenen Brief an die Politik gewandt, um Bewusstsein dafür zu schaffen, wie ernst die Lage der landwirtschaftlichen Betriebe und der Lebensmittel­produktion wegen zu wenig Naturschutz, zu wenig Umweltschutz und zu wenigen Maßnahmen gegen die Erderhitzung ist.

Meine Frage an Sie:

361/M

„Zahlreiche Wissenschafter haben letzte Woche klargestellt, dass ein Nein zum Renaturierungsgesetz mittel- und langfristig ein Schaden für die Landwirtschaft ist, warum stellen Sie sich trotzdem gegen dieses wichtige Gesetz?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Mag. Norbert Totschnig, MSc: Ich möchte vorausschicken, dass das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur, das Renaturierungsgesetz, aus der Biodiversi­tätsstrategie abgeleitet wurde. Wir haben darüber hinaus im Rahmen des Green Deals andere Strategien wie die Farm-to-Fork-Strategie mit der Gemeinsamen Agrarpolitik. Genau das ist der Unterschied: Ich muss vielfältig auf die Materie schauen. Ich muss schauen, dass die landwirtschaftliche Lebensmittelversorgung funktioniert, dass es intakte Betriebe und motivierte Bäuerinnen und Bauern gibt, dass wir die Kulturlandschaft erhalten, dass wir eine aktive Waldwirtschaft haben, die erneuerbare Ressourcen zur Verfügung stellt, dass es eine funktio­nierende Wasserwirtschaft gibt – das heißt, von meiner Seite ist ein breiterer Ansatz gefordert.

Darüber hinaus sieht man, dass das Renaturierungsgesetz nach wie vor eine historische Betrachtungsweise hat. Wir haben heute ja die Situation, dass wir aufgrund des Klimawandels in die Zukunft schauen müssen. Das heißt, es stellen sich vielfältige neue Fragen, die wir beantworten müssen.

Weiters haben wir in Österreich jetzt schon eines der umweltfreundlichsten Agrarprogramme überhaupt, wenn man das im europäischen Vergleich sieht (Beifall des Abg. Hörl), mit 27 Prozent biologisch bewirtschafteter Fläche. 80 Pro­zent der Betriebe nehmen freiwillig am Agrarumweltprogramm teil. Außerdem gibt es ja auch die einheitliche Stellungnahme der Bundesländer und die bindet die zuständige Bundesministerin dahin gehend, dass sie diesem Gesetz nicht zustimmen darf. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Faktum ist aber, dass es durch die durchgepeitschte Änderung der Gemeinsamen Agrarpolitik zu einer massiven Verschlechterung der Umwelt kommt. Ich zitiere die angesprochenen Wissenschafter noch einmal explizit: Existenzielle Erleichterung bringt das den Bauern nicht, sondern liefert sie der Gefahr aus, dass die Bodenerosion nicht gestoppt wird, sondern beschleunigt wird.

Ich darf Sie noch einmal fragen, Herr Minister: Warum gefährden Sie die Zukunft der Kinder am Land und in der Stadt und die Basis der Lebensgrundlage der Bäuerinnen und Bauern in unserem Land?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Mag. Norbert Totschnig, MSc: Das Gegenteil ist der Fall. Die Kommission hat von sich aus eine Vereinfachung der Gemeinsamen Agrarpolitik vorgeschlagen. Diese schaut so aus, dass der Kontrollaufwand vor allem für kleinere Betriebe – also Betriebe bis zu 10 Hektar – reduziert wird.

Die konkrete Auswirkung für Österreich ist folgende: Es ist zwar vereinbart, dass die Vorschrift für 4 Prozent Bracheflächen wegfällt, allerdings ist es in Öster­reich so, dass es durch das Agrarumweltprogramm möglich ist, nun die Prämien im Agrarumweltprogramm aufzustocken. Der Effekt ist letzten Endes der, dass es keinerlei weniger Flächen für Biodiversität gibt. Das können wir darstellen.

Wir haben in Österreich einen anderen Weg gewählt, der erfolgreich ist und den wir auch weiter fortsetzen werden. Dieser findet auch die Unterstützung der Bäuerinnen und Bauern.

Zuletzt noch eines: 26 Länder haben dieser Vereinfachung der Kommission zugestimmt. Ein Land hat sich enthalten. Das zeigt, dass es großen Konsens und große Übereinstimmung gibt, dass das eine sinnvolle Reform ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Zopf. – Bitte.

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Geschätzter Herr Minister! Österreich ist ja mit seiner Kritik und mit der Ablehnung der Renaturierungsverordnung unter den Mitgliedstaaten nicht allein. Wir wissen, dass da auch sehr viele Punkte dabei sind, die nicht optimal laufen.

Setzt Österreich – Sie haben es eh zuerst schon angesprochen – auch weitere Maßnahmen in Richtung des Verordnungsvorschlages für Renaturierung und Maßnahmen zur Stärkung der Biodiversität?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Mag. Norbert Totschnig, MSc: Ich möchte vorausschicken: Umweltschutz, Naturschutz ist uns sehr wichtig, und wir haben bereits gesetzliche Grundlagen, die diese Entwicklung unterstützen. Ich rede von der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und von der Vogelschutzrichtlinie, von der Gemeinsamen Agrarpolitik speziell im Bereich der ländlichen Entwicklung – das Agrarumweltprogramm sei hier genannt. Ich verweise auf den Waldfonds, ein einzigartiges Instrument, das wir in Österreich haben, mit dem wir die Errichtung klimafitter Wälder zum Beispiel durch die Waldpflege unterstützen, indem wir eine eigene Maßnahme für die Stärkung der Biodiversität aufgesetzt haben.

Um das im Agrarbereich noch einmal zu konkretisieren: Wir haben in Österreich mit der neuen Reform die Größe der Biodiversitätsflächen von 150 000 auf 230 000 Hektar ausgeweitet, fast 10 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche – wie gesagt, wir sind Weltmeister, wenn es um die biologische Bewirtschaftung geht. Naturschutz ist bei uns eine Selbstverständlichkeit; Umweltschutz, Naturschutz in der landwirtschaftlichen Produktion: Mit unserem ökosozialen Weg der Landwirtschaft in Österreich ist das gelebte Realität und Praxis.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundesminister! Für die Zuseher daheim: Das ist Herr Minister Totschnig, unser Landwirtschaftsminister. – Man kennt Sie leider nicht. (Oh-Rufe bei der ÖVP. – Heiterkeit der Abg. Holzleitner. – Abg. Kühberger: Unerhört!)

Sie haben uns in der Beantwortung der Frage der Abgeordneten Feichtinger mit vielen Begründungen – unter anderem die Biodiversitätsstrategie, die intakten Betriebe, die notwendig sind – erklärt, dass sich das Renaturierungs­gesetz auf Österreich, auf die österreichische Landwirtschaft negativ auswirken würde. Nichtsdestotrotz hat die Klimaministerin bekannt gegeben, sie möchte dem zustimmen.

Daher meine Frage an Sie: Gibt es – oder ist Ihnen etwas dazu bekannt – bereits Vorgespräche mit Bundespräsident Van der Bellen, ob es im Fall der Fälle, wenn sich Bundesministerin Gewessler tatsächlich dazu entschließen sollte, für dieses Gesetz zu stimmen, eine Entlassung von Frau Bundesministerin Gewessler gibt?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Mag. Norbert Totschnig, MSc: Die Rechtslage in Österreich ist folgendermaßen: Wenn es eine einheitliche Stellungnahme der Bundesländer gibt – in dieser Frage gibt es eine –, dann ist die Bundesministerin daran gebunden. Sie hat das auch selber gesagt.

Falls sich die Stellungnahme der Bundesländer ändert, gilt nach wie vor das Bundesministeriengesetz. Nach Rechtsauffassung des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt ist damit auch das Einvernehmen meinerseits notwendig, und ich gehe davon aus, dass sich die Ministerin an die Rechtsordnung hält.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Schmiedlechner. – Bitte.