15.28
Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Herr Präsident! Herr Bildungsminister! Herr Wirtschaftsminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Also die Geschichte mit dem Chef müssen Sie sich noch einmal gut überlegen, denn wenn man das Ministerium, glaube ich, befragen würde, dann würden die sich wahrscheinlich eine andere Art von Chef wünschen, nämlich einen, der Bildungsvisionen hat, Ziele hat und vor allem auch die Kinder und nicht sich selber in den Mittelpunkt stellt. (Beifall bei den NEOS.)
Ende des Schuljahres, Ende dieser Legislaturperiode, es ist Zeit, darauf zu schauen, was die türkis-grüne Regierung zustande gebracht hat. Wir haben ja jetzt schon einiges gehört, aber ich würde gerne noch einen konkreteren Blick auf die Punkte werfen.
Wir wissen seit Jahrzehnten, dass die Chancengerechtigkeit, die Bildungsgerechtigkeit in Österreich sehr, sehr stark vom Elternhaus abhängt, so wie fast nirgends in einem OECD-Land. Laut Pisa ist die Bildungsschere noch weiter auseinandergegangen. Was ist die Antwort der türkis-grünen Bundesregierung auf diese Ungerechtigkeit, auf diese Chancenungleichheit? – Das Mickeymausprojekt 100 Schulen – 1 000 Chancen.
Wie schaut es denn bei der Talenteförderung aus? – Auch da: Wow! Sie haben wirklich Großes vor, Sie haben nämlich ein Talenteprogramm für sage und schreibe 75 Schülerinnen und Schüler ausgerufen.
Wenn schon die Kinder nicht im Mittelpunkt dieser Regierung stehen, dann vielleicht die Lehrerinnen und Lehrer. (Abg. Hörl: Das ist eine Frechheit!) Es sind ja viele Personalvertreter und Gewerkschafter in diesen Reihen. (Abg. Michael Hammer: In unseren Reihen, ja!) Vielleicht liegt ja da der Fokus. Wir wissen aus unserer Umfrage unter 700 Lehrern, dass die bürokratischen Vorgaben überbordend sind, dass das ein Wahnsinn ist, dass die Lehrerinnen und Lehrer und Direktoren darunter verzweifeln, weil sie Dinge tun müssen, deren Sinn sie gar nicht erkennen, weil doppelt und dreifach Listen ausfüllen einfach unsinnig ist. Das ist Zeit, die den Lehrern bei den Kindern fehlt.
Was haben Sie getan, Herr Minister? Haben Sie mit den Direktoren geredet? (Abg. Totter: Ja, mehrfach! Mehrfach! Deswegen gibt’s die administrative Assistenz!) Haben Sie an diesem einen Tag in der Woche, an dem Sie an die Schulen fahren, mit den Lehrer:innen geredet? Haben Sie sie vielleicht um ihre Meinung gefragt? Haben Sie Bürokratie abgebaut? Haben Sie irgendetwas von diesen Dingen getan, von denen Sie wissen, dass sie nötig sind? – Nein, es bleibt alles schön von oben geregelt, damit ja nicht viel mehr vor Ort entschieden werden kann und ja kein Vertrauen in Direktoren und Lehrer:innen gesetzt wird, weil die ja vielleicht sogar bessere Entscheidungen treffen könnten. Das möchte man ja offensichtlich nicht. (Beifall bei den NEOS.)
Wenn schon nicht die Lehrer, dann haben vielleicht die Eltern erkannt, welch großartige Arbeit Sie in den letzten Jahren geleistet haben. Wir haben 1 000 Eltern befragt, Beate Meinl hat es auch gerade schon gesagt. Diesbezüglich muss ich Ihnen sagen: Die Zufriedenheit mit Ihrer Arbeit ist auch bei den Eltern nicht besonders berauschend. Das Schulsystem bekommt ein Befriedigend und Sie, Herr Minister, ein Genügend. Ist das Ihr Anspruch? (Ruf: Chefsache!) Ich sage Ihnen, was sich die Eltern denken: Die sorgen sich, was die Bildung Ihrer Kinder betrifft. Die Hauptsorge ist der Pädagog:innenmangel in Kindergärten und Schulen.
Dass Sie die Zahlen nicht nachvollziehen können, das kann ich schon verstehen, weil Sie ja offensichtlich keine eigenen Berechnungen haben. Ich komme gerne zu Ihnen ins Ministerium und erkläre Ihnen, wie wir zu dieser Zahl kommen. (Abg. Totter: Nein, das brauchen wir nicht! Nein, das wär’ ganz verkehrt!)
Die weiteren Sorgen der Eltern, die Wahrnehmung, dass zu wenig fürs Leben gelernt wird, betreffen Financial Literacy, Unternehmertum, aber auch Demokratiebildung.
Das dritte Themenfeld ist Mobbing, Gewalt, wie Lehrerinnen und Lehrer damit umgehen und wie man sie unterstützen kann.
Die ÖVP ist seit 37 Jahren in der Regierung. (Rufe bei der ÖVP: Gott sei Dank! – Abg. Hörl: ... fünfzig!) Wissen Sie eigentlich, wie viele Chancen Sie ausgelassen haben, die an Ihnen vorbeigezogen sind? Sie haben es wahrscheinlich nicht einmal bemerkt (Abg. Michael Hammer: Das ist wie bei der Nationalmannschaft, leider!), wie vielen Kindern Sie in diesen letzten 37 Jahren nicht die Flügel gehoben, sondern sie gestutzt haben, und wie viele Kinder Sie überhaupt nicht einmal gesehen haben. Die sehen Sie nämlich überhaupt nicht.
Wann erkennen Sie endlich, dass wir große Antworten auf die großen Herausforderungen brauchen, die wir haben? Sie machen immer nur klein-klein und alles, was Sie aufgezählt haben, mag schon seinen Sinn haben, aber es ist alles nur klein-klein: Deckel auf, Deckel zu, unüberlegt, wie jetzt beispielsweise auch diese aus der Hüfte geschossene Handlung bei der VWA-Reform. Kein Mensch da draußen versteht, warum das auf einmal kommen muss und dann so verkauft wird, als ob es super ist. – Weil natürlich die Gewerkschaft sich das wünscht. Da knickt man dann sofort ein, wenn die AHS-Gewerkschaft vor der Türe steht. (Abg. Deckenbacher: Geh bitte! – Abg. Salzmann: Haben die NEOS ein Problem mit der Gewerkschaft? Habts ihr ein Problem mit der Gewerkschaft?)
An die Grünen gerichtet: Die Grünen waren natürlich die letzten fünf Jahre ein sehr dankbarer bildungspolitscher Partner, das muss man schon sagen. Das ist ja schon großartig, wenn man sich das anschaut. Die haben sich nämlich immer gefreut, wenn Sie ihnen so ein kleines bildungspolitisches Häppchen hingeworfen haben. Da haben die Grünen dann immer so getan, als ob das eine Riesengeschichte sei, damit sie so tun können, als ob sie noch irgendeinen Anspruch auf Bildungspolitik haben.
Wir bringen diesen Dringlichen Antrag ein – für beste Bildung für unsere Kinder, für einen bildungspolitischen Reset, für Chancen und Möglichkeiten, die wir für alle Kinder und nicht nur für einige wenige wollen. Wir brauchen diesen Stufenplan für 20 000 zusätzliche Pädagoginnen und Pädagogen an Schulen und Kindergärten in den nächsten zehn Jahren. Wir brauchen einen raschen Ausbau der Lehrkräfteförderung, Fortbildung des psychosozialen Supportpersonals, um den Umgang mit Mobbing und Gewalt zu verbessern – und wir brauchen eine Überarbeitung der Lehrpläne und Stundentafeln mit dem Ziel, besser auf das Leben vorzubereiten. (Abg. Salzmann: Strolz hat mitgearbeitet bei den Lehrplänen!)
Wir wollen, dass endlich zwischen Pflicht und Kür unterschieden wird. Was muss ein Kind können? – Lesen, Schreiben, Rechnen. Und was kann ein Kind selbstständig und seinen Talenten und Stärken entsprechend machen?
Überwinden Sie endlich diese jahrzehntelangen wirklich scheuklappenideologischen Barrieren! Wir haben hier in Österreich nur unsere Köpfe als Ressource und die sollten wir nützen, um als Gesellschaft wettbewerbsfähig, innovativ und stark zu bleiben. Wenn wir das nämlich nicht schaffen, werden wir weiterhin Chancen von vielen Kindern vergeben, aber auch wir als Gesellschaft werden die Herausforderungen bei der Integration am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft nicht stemmen können.
Wir brauchen endlich eine Schule, die ein Ort ist, an dem Schülerinnen und Schüler gerne lernen und Lehrer:innen gerne arbeiten. Wir brauchen eine Schule, an der Lehrkräfte und Direktoren als Profis wahrgenommen werden und selbstwirksam werden können und nicht bei jeder kleinsten Entscheidung auf das Ministerium oder auf die Bildungsdirektion warten müssen, was denn die vorgibt. (Abg. Salzmann: Da hat aber grad die Frau Kollegin Meinl-Reisinger ...!) Wir wollen, dass hohe Ansprüche gestellt werden, aber auch viel Unterstützung geboten wird – und wir wollen, dass die Talente zählen und nicht nur die Defizite. Wir wollen, dass Sie sich endlich bewegen. Sie können heute den ersten Schritt in den letzten fünf Jahren machen und etwas Sinnvolles tun, indem Sie unserem Antrag zustimmen. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)
15.36
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Taschner. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter. (Abg. Leichtfried: Das wird jetzt keine gute Rede! – Abg. Totter: Bist du ein Hellseher? – Zwischenruf der Abg. Salzmann.)