16.00

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Herr Präsident! Lieber Herr Bundes­minister! Frau Klubobfrau, danke für den Dringlichen Antrag. Es ist nämlich absolut dringlich, unser Bildungssystem zu verbessern. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ich bin auch absolut mit den meisten der Vorschläge von Elternseite und auch von Lehrer:innenseite, die da zitiert werden, einver­standen.

Wenn ich mir jetzt allerdings den Antrag der NEOS anschaue, bin ich schon ein bisschen überrascht, wie unambitioniert er ist. Sie haben jetzt selber von Visionen und von Innovationen gesprochen. (Abg. Meinl-Reisinger:  ... drei einfache, kleine Punkte!) Also ich kann davon in diesen Vorschlägen nicht viel erkennen. (Beifall bei den Grünen. Abg. Meinl-Reisinger: Wir wollen es leicht machen!)

Ein paar Beispiele, was da drinnen steht: Wir brauchen mehr Pädagog:innen.  Ja, na no na net, sage ich darauf, aber die fallen halt einmal nicht vom Baum. Was machen wir? – Wir werben täglich darum, neue Pädagogen, Pädagoginnen zu finden. Die Initiative klassejob.at wurde bereits erwähnt. Wir öffnen neue Zugänge zu dem Beruf, wir versuchen, neue Zielgruppen zu gewinnen. Meine Kollegin Eva Blimlinger wird darauf noch ausführlicher eingehen.

Ein Beispiel, das hier in diesem Antrag angeführt ist: Es wird die Angleichung der Gehälter von Elementarpädagog:innen an jene von Lehrer:innen gefordert. Sie sind da, glaube ich, nicht ganz am letzten Stand. Ich habe mir jetzt gerade noch einmal angeschaut, wie im Moment der Arbeitsmarkt ausschaut. Einstiegsgehalt Lehrkräfte: 3 100 Euro; Einstiegsgehalt in der Elementarpädagogik bei der Gemeinde Wien, Ihre Website: 3 050 Euro; in Oberösterreich wurde es jüngst sogar auf 3 200 Euro erhöht – also da wir sind längst. (Zwischenruf der Abg. Künsberg Sarre.)

Es liegt offenbar nicht an den Gehältern. (Abg. Meinl-Reisinger: Nicht in allen Bundesländern!) Es liegt an den Arbeitsbedingungen in der Elementarpädagogik, an den Arbeitsstunden, an der Gruppengröße. Das gehört dringend geändert. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Ein anderes Beispiel aus diesem Antrag: Es wird die „Überarbeitung der Lehr­pläne“ gefordert. Also ich weiß schon, dass Sie als Klubobfrau vielleicht nicht dazukommen, sich das anzuschauen, aber Ihre Bildungssprecherin müsste die neuen Lehrpläne, die eben gerade überarbeitet wurden, eigentlich kennen. Da steht alles, was Sie fordern, drinnen: Bildungs- und Berufsorientierung, Finanzbildung, sogar Entrepreneurship Education. – Das ist doch eigentlich das, was Ihnen als Unternehmerpartei gefallen müsste. Das ist alles in fächer­übergreifenden Themen in den neuen Lehrplänen zentral verankert. (Beifall bei den Grünen. Zwischenruf der Abg. Totter.) Jetzt stimmt es schon, dass die Lehrpläne alleine nicht bestimmen, was in den Klassen tatsächlich stattfindet, aber ein Antrag ändert das auch nicht.

Nächstes Beispiel: Es steht auch drinnen, die Schulen sollen von Bürokratie befreit werden, die Eltern und die Lehrkräfte von dieser Zettelwirtschaft, die es immer zu Schulbeginn aufgrund des Dateneintragens in irgendwelche Tabellen gibt. Raten Sie einmal, was heute als letzter Tagesordnungspunkt auf der Tagesordnung steht: ein Paket digitale Schule. Genau da wird das umgesetzt, was Sie hier fordern. Gerade habe ich erfahren, wer dagegenstimmen wird: die NEOS. Also verstehe das, wer will, ich verstehe es nicht. (Abg. Künsberg Sarre: Wir ziehen den Antrag zurück, es ist alles gut!)

Weil ambitionierte Ziele gefordert wurden, würde ich die Gelegenheit gerne ergreifen, unsere grünen ambitionierten Ziele hier einmal zu formulieren.

Erster Punkt: Elementarpädagogik. Es stimmt schon, dass noch nie so viel vom Bund in die Elementarpädagogik investiert wurde wie derzeit, nämlich 4,5 Milliarden Euro in den nächsten Jahren. Wir sagen allerdings, wir brauchen noch viel, viel mehr. Wir müssen vor allem den Fleckerlteppich an Zuständig­keiten beseitigen; wir brauchen einheitliche Standards in ganz Österreich, ein einheitliches Dienstrecht und wie schon erwähnt attraktive Arbeitsbedin­gungen. Deswegen gehört die Elementarbildung raus aus der Betreuungs­logik  auch die Frau Klubobfrau hat das Wort Kinderbetreuung heute erwähnt  und rein ins Bildungssystem. Sie gehört aus unserer Sicht ganz klar in Bundes­kompetenz. (Beifall bei den Grünen.)

Zweite Vision: eine gemeinsame Schule. Ich finde es tatsächlich unerträglich, dass wir die Kinder im Alter von neun Jahren aussortieren, dass wir einen Teil von ihnen beschämen und ihnen so früh im Leben schon sagen, dass sie nicht gut genug sind, dass sie nur zweite Wahl sind. Ich sage aus voller Überzeugung: Österreich braucht eine gemeinsame inklusive Schule, die Kinder nicht nach sozialen Kriterien auseinanderdividiert, sondern ihnen individuell gerecht wird. Das wäre ein wirklich ambitioniertes Reformprojekt, das in der Gesellschaft einen breiten Konsens braucht.

Bei der SPÖ weiß ich, sie ist theoretisch dafür (Abg. Heinisch-Hosek: Auch praktisch!), obwohl die Segregation in Wien zwischen den Schulen so stark wie sonst nirgendwo in Österreich ist. Bei der ÖVP weiß ich, sie sind offiziell dagegen, obwohl ich in der Wirtschaft oft starke Stimmen höre, die sich davon wesentliche Verbesserungen erwarten würden. Bei den NEOS habe ich jetzt ziemlich genau zugehört: Sie haben von Chancengerechtigkeit geredet, aber ob Sie sich wirklich klar für eine gemeinsame inklusive Schule für alle Kinder aussprechen, habe ich heute nicht gehört. (Abg. Künsberg Sarre: Lesen Sie das Programm einmal! Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger. – Ruf bei den NEOS: Sinnerfassend lesen!– Abg. Künsberg Sarre: Jahrelang nicht zugehört!) Wir sind jedenfalls klar dafür.

Dritter Punkt: Ganztagsschule. Das wurde heute schon öfters erwähnt. Ja, die Halbtagsschule, die die Kinder mittags hungrig auf die Straße schickt, ist ein Auslaufmodell. Wir brauchen eine Schule bis zum Nachmittag, in der Unterricht, Lernen, Bewegung, Spielen, Essen und Sport zusammengeführt werden. Wir haben in den letzten Jahren intensiv an einer wirklich ambitionierten Reform gearbeitet, die den Vormittag und den Nachmittag, den Unterricht und die Freizeitpädagogik zusammenführen würde. (Beifall bei den Grünen.)

Das hätte bedeutet, die Freizeitpädagogik ins gemeinsame pädagogische Team zu integrieren, in den öffentlichen Dienst zu übernehmen, dauerhaft vom Bund zu finanzieren. Das hätte bedeutet, Ganztagsschule in ganz Österreich, kostenlos für die Eltern, eine Ganztagsschule aus einem Guss. Ich habe sehr dafür gekämpft, auch viel Überzeugungsarbeit geleistet, um alle an Bord zu holen. Leider sind wir am Ende noch an einigen Partikularinteressen gescheitert. Ich sage dazu, die GPA, die Gewerkschaft, und auch der Wiener Bildungsstadtrat waren da keine riesige Hilfe bei der Umsetzung. (Abg. Künsberg Sarre: Stimmt überhaupt nicht!)

Ich bin davon überzeugt: Das ist die richtige Idee. Es ist die richtig große ambitio­­nierte Reform, die Sie fordern, und irgendwann einmal wird die umgesetzt werden. (Beifall bei den Grünen.)

Damit bleibt mir nur, das schöne Motto dieses Antrages aufzunehmen: „Schluss mit dem Betonieren“; das unterschreibe ich als Grüne aus voller Überzeugung. Beton gehört weg, im Schulsystem genauso wie in allen anderen Bereichen unseres Lebens. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

16.07

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fiedler. – Bitte sehr.