16.39
Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Herr Präsident! Werter Herr Minister! Liebe Menschen hier im Saal und zu Hause! Non vitae sed scholae discimus. Das hat schon Seneca vor 2000 Jahren gesagt. Die ÖVP ist jetzt noch nicht ganz so lange in der Regierung, aber 37 Jahre sind es auch schon, und man denkt sich manchmal, das hat sie sich irgendwo ins Stammbuch geschrieben, zumindest der Bildungsminister, denn 72 Prozent der Eltern sagen das auch: Es ist zu viel Theorie, zu wenig Praxis. Nicht nur die Eltern sagen das – darum freut es mich, dass der Wirtschaftsminister auch da ist –, auch die Wirtschaft sagt das.
Dieser Stoffbeutel hier (einen Stoffbeutel, auf dem – in arabischer Schrift – das Wort „Salām“ sowie das Wort „oida“ zu lesen sind, in die Höhe haltend) zeigt, dass es auch anders gehen kann, nämlich dann, wenn eine Lehrkraft beschließt, einmal diesen ganzen bürokratischen Müll symbolisch in den Mülleimer zu werfen.
Begonnen hat das bei einer Konferenz, bei der an einer Brennpunktschule gesagt worden ist: Nein, die Kinder können sich keinen Fotografen leisten! – Das wollte dieser Lehrer nicht akzeptieren. Er hat gesagt: Passt, dann mache ich das mit meiner Klasse selbst!, und hat für die ganze Schule diese Fotosession geschmissen, was ganz schön viel Geld in die Klassenkasse gespült hat. Dann war es halt so: Okay, was machen wir mit dem Geld? Dream big! – Sie haben gesagt, sie fahren nach Rom; und in den nächsten vier Jahren haben sie jedes Jahr eine Veranstaltung gemacht: Sie haben ein Schachturnier gemacht, sie haben sich bei einem interkulturellen Straßenfest engagiert und dort Dinge verkauft, die sie im Kunst- und im Werkunterricht gemacht haben.
Was haben sie dabei gelernt? – Sie haben gelernt, dass sie sich ein anspruchsvolles Ziel setzen; sie haben gelernt, dass sie sich einen Plan zurechtlegen, um dieses Ziel zu erreichen; sie haben gelernt, wie sie vom Denken ins Tun kommen, und sie haben gelernt, wie man sich präsentiert. Sie sind zu Firmen gegangen und haben gesagt: Das ist unser Plan, gebt uns bitte ein bisschen Geld! –Und mit diesen Taschen, deren Design in der Freizeit einer Schülerin entstanden ist – (auf den Stoffbeutel weisend:) das heißt übrigens „Salām oida“ –, haben sie sich dann den Eintritt ins Kolosseum geleistet.
Jetzt das Traurige an dieser Geschichte: Die Lehrkraft, die hinter diesem Engagement gestanden ist, die die treibende Kraft in dieser Geschichte ist, überlegt, aufzuhören, weil dieser Lehrer im letzten Jahr neun Mehrdienstleistungsstunden jede Woche leisten musste. – Das ist Lehrkräftemangel. (Beifall bei den NEOS.)
Ich habe mit ihm geschrieben und er hat geantwortet: Einen Sektor, der für die Gesellschaft so wichtig ist, auf freiwillige Selbstaufopferung und Ausbeutung aufzubauen, kann halt auf Dauer nicht funktionieren! – Und er hat recht.
Aber nicht nur Lehrkräfte fehlen. Jetzt möchte ich einfach endlich einmal von diesem Wienbashing wegkommen (Abg. Taschner: Das kann ich mir gut vorstellen!) und ein größeres Bild aufmachen, weil es nicht nur um Wien, sondern um Österreich geht. In Oberösterreich haben wir eine Anfrage im Landtag gestellt, in der es um die Schulleitungen geht, denn nicht nur Lehrkräfte fehlen, auch Schulleitungen fehlen. Und ja, Herr Bundesminister, das ist Ihr Versagen, weil Sie es in den letzten fünf Jahren nicht geschafft haben, die Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass der Job als Lehrkraft oder der Job als Schulleiter oder Schulleiterin attraktiv ist.
Weil jetzt das Digitalisierungspaket so gelobt wird – ein elektronischer Schülerausweis oder dass ich mir die Zeugnisse selbst ausdrucken kann –: Sorry, aber in der alltäglichen Praxis hilft das einer Lehrkraft jetzt nicht unbedingt, mehr Zeit für den Unterricht zu haben. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, und ich möchte jetzt allen Menschen noch ein bisschen Hoffnung mitgeben: Ihr da draußen habt am 29. September die Macht und die Möglichkeit, etwas zu verändern. (Die Abgeordneten Wurm und Belakowitsch: Genau, Herbert Kickl! – Abg. Brückl: Wir haben eh noch eine Sitzung im September!) Ich kann nur sagen: Macht euer Kreuzerl bei NEOS, weil wir schauen (Abg. Belakowitsch: Ihr schauts, dass ihr in die Regierung kommts!), dass die Österreicher und Österreicherinnen und alle Kinder, die in diesem Land leben (Abg. Höfinger: Der Millionär Haselsteiner!), das bekommen, was sie verdienen, nämlich die beste Bildung! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Höfinger: Ich glaube, jetzt sind sie nicht alle überzeugt!)
16.43
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Totter. – Bitte.