22.11
Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben es gehört: Die Rechtsberatung für Asylwerber:innen wird heute sozusagen repariert. Während wir als NEOS die Schaffung eines verfassungskonformen Zustandes in der Rechtsberatung natürlich begrüßen, möchte ich trotzdem in Erinnerung rufen, warum diese Reparatur nötig ist, und einiges zu den Grünen sagen.
Im Jahr 2019 haben ÖVP und FPÖ die Rechtsberatung in der BBU neu aufgestellt, und das trotz heftiger Kritik von uns NEOS, von NGOs wie Diakonie und Asylkoordination und von Verfassungsexpert:innen, denn es war damals schon klar, dass die Unabhängigkeit der Rechtsberatung nicht gewährleistet ist, Herr Kollege Gödl, und das war eine bewusste Entscheidung.
Hat Türkis-Grün diese Verfassungswidrigkeit gleich repariert? – Nein, das habt ihr nicht getan. Ihr habt einen offensichtlich verfassungswidrigen Status quo hingenommen, auf eine höchstgerichtliche Entscheidung gewartet, die dann – Surprise! – Verfassungswidrigkeit festgestellt hat, bis ihr endlich etwas dagegen getan habt. Heute, gegen Ende der Regierungszeit von Türkis-Grün, repariert ihr das mit quietschenden Reifen. Es steht außer Frage, dass verantwortungsvolles Arbeiten anders aussieht.
Ich möchte jetzt schon einmal ein Resümee ziehen: Was hat denn die Regierung in den letzten fünf Jahren sonst so im Bereich Asyl gemacht?
Ich möchte erinnern: Das Ganze hat mit einem grauslichen Deal im Regierungsübereinkommen begonnen. Da wurde zwischen Türkis und Grün ein koalitionsfreier Raum geschaffen, einzigartig in Österreich. Das bedeutet schlussendlich, die Grünen haben der ÖVP in diesem Bereich von Anfang an eine Freikarte gegeben, einen Alleingang zu machen (Abg. Lukas Hammer: Nein, haben wir nicht!) oder – noch schlimmer – bei diesem Thema mit der FPÖ zu paktieren. (Ruf bei den NEOS: Schon wieder ...!) Es war der eigentliche Sündenfall, liebe Grüne, dass ihr in diesem Themenbereich einfach aufgegeben habt, um es in die Regierung zu schaffen.
Die wenigen konstruktiven Punkte im Regierungsprogramm wurden auch nicht umgesetzt. Erstens: rasche und qualitativ hochwertige Asylverfahren. – Jedes zweite Verfahren dauert über zwei Jahre.
Zweiter Punkt im Regierungsprogramm: bessere Qualität der Bescheide des BFA. – Über 50 Prozent werden von der zweiten Instanz weiterhin aufgehoben oder abgeändert.
Dritter Punkt: eine schnelle Obsorge für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. – Der Gesetzentwurf liegt seit Ende 2021 in der Schublade.
Ihr habt nicht einmal gemacht, was ihr ohne Gesetzesänderung hättet machen können. Justizministerin Zadić hätte zum Beispiel ein Kinderrechtemonitoring einrichten können, einfach aus eigenem Tun. Das hat sie aber nicht getan.
Die ÖVP hatte also recht freie Fahrt. Die ÖVP-Innenminister Nehammer und Karner konnten ordentlich PR-Aktionen setzen, um den harten Mann zu markieren, auch rechtswidrige, liebe Grüne. Es kam zur Abschiebung von Tina – wenn ihr euch erinnert –, zu Abschiebungen von Asylwerbern, die als Fachkräfte von unseren Unternehmen händeringend gesucht wurden; die hätten sie gerne behalten. Kein einziges Kind wurde aus Moria gerettet. Zelte wurden in Spielfeld aufgestellt, es gab Pushbacks durch unsere Polizei – laut Höchstgericht bestätigt, vom Innenminister negiert. Polizisten werden weiterhin aus Österreich, wo wir sie brauchen, für Millionen Euro nach Ungarn geschickt, obwohl dort die Schlepper, die man dort festnimmt, freigelassen werden und man nicht weiß, was mit den Geschleppten passiert. Frontex ist deswegen sogar abgezogen.
Ihr, liebe Grüne, habt da zu oft geschwiegen. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Herr.) Eure Stimme für Rechtsstaatlichkeit, für Menschenrechte einer sehr vulnerablen Gruppe blieb zu oft aus. Jedes Mal habt ihr da eure Kernwerte sehr wohl verleugnet.
Was bleibt faktisch? – Alle großen Baustellen sind weiterhin offen: Die Grundversorgung ist weiterhin dysfunktional, die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sind weiterhin unterversorgt, die Verfahren dauern weiterhin zu lang. Also bleibt ein großes Chaos mit entsprechend viel Leid und Unsicherheit, die die FPÖ dann für ihre Angstmache nützen kann. Deswegen kommt heute trotzdem keine Feierlaune bei mir auf, liebe Grüne. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Herr.)
22.15