14.42
Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Beim gegenständlichen Tagesordnungspunkt geht es natürlich um die Gewerbeordnung und um ein Informationssystem, das nun – nach immerhin sechs Jahren, glaube ich; der Rechnungshof hat es schon einmal empfohlen – umgesetzt werden soll, darum, das Gewerbeinformationssystem zu digitalisieren. Nach Leinenpapier kommt jetzt die digitale Lösung.
Im Grunde genommen muss man sich jetzt die Frage stellen: Liebe ÖVP, ist das alles? Ist das wirklich alles, was ihr in Zeiten von Konjunkturschwäche zu bieten habt? Ist das alles, was ihr dem für die Unternehmerinnen und Unternehmer entgegenzusetzen habt? Ist das der große Wurf in der Gewerbeordnung? Lieber Peter Haubner, wir haben ja schon lang darüber gesprochen: Ist das wirklich der große Wurf, oder macht ihr eigentlich – im Grunde genommen steht es auch im Rechnungshofbericht – die Mauer für die Kammer zur gewerblichen Verhinderung? (Beifall bei den NEOS.)
Die gewerbliche Verhinderung ist nämlich die Wirtschaftskammer – und das stimmt leider auch so, weil eine Gewerbeordnungsreform jetzt dringend notwendig wäre, um neues Unternehmertum zu fördern, um mehr freie Gewerbe zu ermöglichen und um Unternehmensgründungen zu erleichtern. Wir sind immerhin in Europa die Vorletzten bei Unternehmensgründungen – nur Griechenland ist noch hinter uns. Jetzt müssen wir uns fragen, warum das so ist.
Ich habe mich gerade heute Vormittag mit einem Unternehmer unterhalten, der mich via X kontaktiert und geschrieben hat: Wisst ihr, in dem Land ist es wahnsinnig schwer! Er hat in Wien ein Handelsunternehmen, er hat in Velden am Wörthersee ein Handelsunternehmen – und die Unterschiede sind so groß. Die Unterschiede sind nämlich so groß, dass er sich jetzt von Wien verabschieden wird. Warum? – Weil wir neun Bundesländer haben, weil wir natürlich neun verschiedene Ordnungen haben, was Tourismuszonen sind, weil die Landeshauptleute entscheiden, und in Wien entscheiden sie anders darüber als in Salzburg. Das hat auch mit der Gewerbeordnung zu tun, das hat auch mit den Beschränkungen zu tun – und es hat natürlich auch damit zu tun, dass ihr das nicht ermöglicht. Ich frage mich nur, warum. Der wird sich verabschieden. Wisst ihr, warum? – Weil er in Kärnten im Sommer am Sonntag offen haben darf.
Ich war vor drei Wochen an einem Sonntag in der Kärntner Straße in Wien. Ich habe noch nie so viele Leute, noch nie so viele Touristen auf der Straße gesehen. Warum? – Weil sie in kein Geschäft haben reingehen dürfen. Warum darf das nicht sein? – Weil sich ein paar bei der Kammer zur gewerblichen Verhinderung, der Wirtschaftskammer, aufregen und sagen: Der darf nicht aufsperren! Wenn es mir schlecht geht, dann soll es einem anderen auch schlecht gehen! – Das ist keine Reform der Gewerbeordnung. Das ist keine Freizügigkeit. (Beifall bei den NEOS.)
Gerald Loacker, schenk mir noch 1 Minute, bitte! Ja, ich darf noch 1 Minute sprechen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Lukas Hammer und Voglauer.) Es ist nämlich Folgendes der Fall - - (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Der ist nicht da. (Abg. Reimon: Das ist Sozialismus!)
Es ist nämlich Folgendes der Fall: Ich würde mir wünschen, dass wir, wenn wir über die Gewerbeordnung und über Digitalisierung reden, auch wieder das Land der Gründer werden, dass wir auch wieder das Land der Ermöglicher werden, dass wir auch das Land sind, in dem wir mit und zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Land wieder größer machen. Dazu gehört natürlich eines: dass wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch zufriedenstellen, dass wir so viele wie möglich anstellen können und dass ihnen 10 Prozent netto mehr bleiben. Das derzeitige Problem ist nämlich, dass viele Betriebe zusperren, weil sie es nicht mehr schaffen, weil ihnen nichts mehr übrig bleibt, weil die Kostendecke so groß geworden ist, dass die Ertragsdecke überhaupt im Keller ist.
Die Frau Staatssekretär, die für den Tourismus ja wirklich eine der besten ist, die wir in den letzten 20 Jahren hatten – das muss man auch einmal sagen, und hier spreche ich Lob aus –, weiß, wovon wir sprechen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Hörl.) Sie weiß, wovon wir sprechen, nämlich von dem Kostendruck, den wir erleben, und von der großen Bürokratie. Der Präsident der Wirtschaftskammer – nicht hier, sondern anderswo – spricht vom großen Bürokratieabbau. Wisst ihr, wer das Bürokratiemonster in Österreich ist? – Die Wirtschaftskammer mit der Gewerbeordnung. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Hörl.)
Ja, das ist der Endeffekt. Darum begrüßen wir diesen Entwurf, darum begrüßen wir, dass das kommt, der Rechnungshof sagt aber auch: Es sind enorme Kosten. Wir sehen kein Einsparungspotenzial, weil das Einsparungspotenzial nicht tituliert werden kann.
Wir begrüßen das, wir gehen da mit, aber es gehört natürlich viel mehr für die Menschen in diesem Land gemacht. Es gehört viel mehr für den Mittelstand gemacht. Für die Menschen gehört eine Entlastung her – und da ist die neue Regierung gefragt. (Beifall bei den NEOS.)
Ich lege nun folgenden Antrag vor:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Klares Bekenntnis zu Neukodifizierung der Gewerbeordnung: Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, wird aufgefordert, bis zum 17.9.2024 mutige Reformen für eine moderne Gewerbeordnung im Sinne der Empfehlungen des Rechnungshofes vorzulegen.“
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Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
14.47
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Klares Bekenntnis zu Neukodifizierung der Gewerbeordnung: Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes:
eingebracht im Zuge der Debatte in der 272. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (2611 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (2668 d.B.) – TOP 18
Empfehlungen des Rechnungshofes
Im Jahr 2019 - unmittelbar vor Beginn dieser Legislaturperiode - hat sich der Rechnungshof den Zugang zur gewerblichen Berufsausübung angesehen und folgende Empfehlungen abgegeben1:
• Im Sinne der Vorgaben der Europäischen Kommission wären die Regulierungsmechanismen – insbesondere hinsichtlich ihrer bürokratischen Hemmnisse – zu analysieren sowie deren ökonomische Auswirkungen zu bewerten mit dem Ziel, den gewerblichen Berufszugang weiter zu vereinfachen.
• Es wäre konsequent auf eine Neukodifizierung der Gewerbeordnung hinzuwirken mit dem Ziel, ein zeitgemäßes, übersichtliches und anwenderfreundliches Regelwerk zu schaffen.
• Die bestehende Kompetenz zur Steuerung im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung im Hinblick auf eine transparente, bundesweit einheitliche Vollziehung der Gewerbeordnung wäre verstärkt zu nutzen, etwa durch die Vorgabe von Richtlinien und Standards, sowie sicherzustellen, dass die Nutzung der gesetzlichen Ermessensspielräume transparent und nachvollziehbar erfolgt.
Arbeit der Bundesregierung: Niedriges Ambitionsniveau und kleinste Veränderungen
In dieser Legislaturperiode war das Ambitionsniveau sehr niedrig, eine Reform der Gewerbeordnung wird im Regierungsprogramm nicht mal erwähnt. Umgesetzt hat man also sehr wenig, wie beispielsweise die Umstellung der Ausstellung von Gewerbelegitimationen. Diese erfolgt nun im Scheckkartenformat statt wie davor auf Leinenpapier2. NEOS haben in den letzten Jahren immer wieder auf die Notwendigkeit ambitionierter Reformen hingewiesen3, 4.
Antrag als starkes Signal für mutige Reformen
Dieser Entschließungsantrag soll angesichts der bevorstehenden Nationalratswahlen ein starkes Signal für moderne Berufszugangsregeln setzen. Die Bundesregierung, insbesondere der zuständige Wirtschaftsminister Kocher, wird daher aufgefordert, bis vor der letzten Plenarsitzung vor der kommenden Nationalratswahl mutige Reformen für eine moderne Gewerbeordnung im Sinne der Empfehlungen des Rechnungshofes vorzulegen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, wird aufgefordert, bis zum 17.9.2024 mutige Reformen für eine moderne Gewerbeordnung im Sinne der Empfehlungen des Rechnungshofes vorzulegen."
Quellen:
1 https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVI/III/331/imfname_768694.pdf
2 https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/I/1674
3 https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/1607
4 https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/3130
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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.
Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Peter Haubner. – Bitte, Herr Abgeordneter.