11.22

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Wir sind alle Zeugen davon geworden, wie in den letzten Tagen große Teile unserer Heimat durch Hochwasser und Überschwemmungen schwer in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Mehrere Menschen haben durch die Fluten auf tragische Art und Weise ihr Leben verloren. Das ganze Land steht im Bann der dramatischen Bilder und der Berichte über Verwüstungen, Zerstörungen und Schäden in einem riesigen Ausmaß.

Wir alle, die wir hier zusammengekommen sind, wissen natürlich auch, dass hinter diesen Berichten und Schlagzeilen Tausende erschütternde Einzelschicksale stecken: Tausende Namen, Tausende Gesichter, Tausende, für die diese letzten Tage eine Zeit voller Angst, voller Sorge, voller Schmerz und voller Unsicherheit gewesen sind. Binnen weniger Stunden ist das Hab und Gut unzähliger Menschen schwer in Mitleidenschaft gezogen oder voll­ständig zerstört worden.

Das Leben hat für viele in den letzten Tagen eine ganz dramatische Wendung genommen. Ganz vieles von dem, was unter Verzicht und über Jahre hinweg mühevoll aufgebaut worden ist, was liebevoll in vielen Stunden errichtet, gebaut, renoviert, betrieben worden ist, wurde zerstört. Anschaffungen, für die man lange gespart hat und die viel Geld gekostet haben, sind mit einem Schlag ein Opfer der Fluten geworden. Nichts ist verschont geblieben: Felder, Wiesen, Gärten, Keller, Garagen, Häuser, Wohnungen, Geschäftslokale, Ställe, Mobiliar, Maschinen, Firmengebäude, Fahrzeuge.

Viele trifft das nicht das erste Mal. Viele stehen vor dem Nichts.

Die Einsatzkräfte vor Ort – es wurde schon angesprochen: Feuerwehren, Ret­tungsorganisationen, das Bundesheer, die Polizei, die Hauptberuflichen und natürlich insbesondere die vielen, vielen Freiwilligen in den Bereichen der Feuerwehren und der Rettungskräfte – haben wieder einmal ganz hervorragende Arbeit geleistet. Sie tun das auch jetzt weiterhin, während wir hier diese Debatte führen. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Sie retten und schützen Menschenleben, Tiere und Sachgüter, soweit das irgendwie möglich ist, und sie tun das ohne Schonung der eigenen Kräfte, oft bis über die eigene Erschöpfung hinaus – ein ganz, ganz großes Dankeschön an alle diese Einsatzkräfte von unserer Seite (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abge­ordneten von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS), auch an ihre Familien, auch an ihre Arbeitgeber, die das alles mit ermöglichen.

Leider ist es aber eben so, dass auch die größte Hilfsbereitschaft und die größte Professionalität die zerstörerische Kraft dieser Wassermassen nicht in allen Fällen bändigen können. Die Frage, die sich für uns hier in diesem Parla­ment jetzt stellt, ist folgende: Was kann – nein, eigentlich vielmehr: was muss –, was muss die Politik, was muss der Gesetzgeber jetzt tun, um die Lage der Betroffenen zu verbessern? Was müssen wir tun?

Wenn ich von Betroffenen spreche, dann spreche ich von den Betroffe­nen, die jetzt aktuell in dieser Krisensituation stehen, ich spreche von Betrof­fenen, die es vor ein paar Jahren in ähnlichen Situationen erwischt hat, und ich spreche auch von denjenigen, die es in Zukunft erwischen wird, weil solche Naturereignisse leider nicht auszuschließen sind.

Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Was ist das Optimum? Was ist das Beste und Sicherste, das wir gemeinsam für diese Menschen erreichen können und erreichen wollen? Wie gehen wir am nachhaltigsten vor?

Die Antwort ist aus meiner Sicht klar und logisch. Wir kennen nämlich aus den Fällen der Vergangenheit ganz genau die Schwächen und Mängel im Sys­tem, wir wissen das. Wir wissen, dass Opfer von Naturkatastrophen oft jahre­lang auf Entschädigungs- und Unterstützungszahlungen warten müs­sen, das wissen wir. Wir wissen, dass viele überhaupt leer ausgehen, das wissen wir. Wir wissen, dass manches gar nicht versichert werden kann, und wir wissen, dass viele mit einem regelrechten Almosen – ich nenne das jetzt einmal so – abgespeist werden und wurden, das in keinem Verhältnis zu den tat­sächlichen Kosten steht. Da gilt es anzusetzen, meine Damen und Herren, weil das keine Einzelfälle sind, sondern das ist das Ergebnis eines falschen Systems. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben ein Systemproblem in der Hilfeleistung, und ich sage Ihnen, was der Dreh- und Angelpunkt davon ist: Der Dreh- und Angelpunkt davon ist, dass trotz der vollmundigen Versprechen von rascher und unbürokratischer Hilfe diese Opfer in Wahrheit, ja, auf die Rolle von Bittstellern degradiert sind. Das ist das Problem.

Ich habe Ihnen heute genau zugehört, aber ich habe auch in der Vergangenheit genau zugehört, als es Hochwasser in der Steiermark gegeben hat, als es Hochwasser und Murenabgänge in Kärnten gegeben hat. Ich darf Ihnen jetzt nur ein Zitat vom Juli 2022 bringen: „Die Situation für die Kärntnerinnen und Kärntner im Krisengebiet ist verheerend. Viele von Ihnen stehen vor den Trüm­mern ihrer Existenz. [...] Die Bundesregierung tut, was notwendig ist, um den Betroffenen jetzt so gut und so schnell es geht zu helfen. Denn: Wer schnell hilft, hilft doppelt [...]. Dazu gehört [...] die finanzielle Unterstüt­zung mit Mitteln aus dem Krisenkatastrophenfonds.“

Das war im Juli 2022. Ein Jahr später, im August 2023, haben wir dann fast dieselben Worte, wie wir sie heute vom Bundeskanzler gehört haben, in Richtung Steiermark gehört. Sie können das auf der Homepage des Bundeskanzleramtes alles nachlesen. Wir haben das alles schon gehört.

Was ist aber die Realität? – Die Zahlungen sind bis heute nur teilweise, schleppend oder überhaupt nicht erfolgt. Das ist das riesengroße Problem: Die Menschen sind alleingelassen worden. Das ist dann das, was nach den Fluten kommt: Wenn die Fluten weg sind, dann kommt das Warten, und das Warten ist für viele leider vergeblich. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe diesen Punkt angesprochen: Die Opfer sind in keiner starken Position, sondern in einer ganz, ganz schwachen Position. Das muss behoben werden. Das, was es daher braucht, ist eine Systemumstellung im Zusammen­hang mit dieser Hilfeleistung. Das wäre eine große und mutige Ansage gewesen. Das hätte ich mir heute hier von einer Bundesregierung aufgrund all der Erfahrungen der letzten Jahre erwartet, damit nämlich allen Opfern solcher Katastrophen Zuversicht und eine klare Perspektive gegeben werden können.

Es geht also um Sicherheit, um Planbarkeit, um Verlässlichkeit, und es geht um einen rechtlich garantierten Zusammenhalt der Solidargemeinschaft.

Unsere Botschaft kann ja nur sein: Wir lassen euch mit euren Schäden nicht allein, nicht einen einzigen, keinen von euch, im Gegenteil, wir garantieren euch als unschuldigen Opfern ein Recht auf vollen finanziellen Schadenersatz.

Ein Recht – das ist etwas ganz anderes als das, was Sie seit Jahren den Menschen anbieten. (Beifall bei der FPÖ.) Dieser Anspruch muss für jeden einzelnen auch mit rechtlichen Mitteln so durchsetzbar sein, wie man einen Bescheid bekämpfen kann. Da gibt es dann einen Rechtsweg, und man kann zu seinem Recht kommen. Das fehlt jetzt weiterhin! Das ist der große Kardinalfehler, und deswegen haben Sie auch jetzt keinen Schritt in Richtung Gerechtigkeit gemacht. (Abg. Matznetter: ... Wahlkampf ...!) Wir brauchen also sofort eine gesetzliche Regelung, die die Betroffenen aus der Rolle der Bittsteller herausbringt und ihnen einen Rechtsanspruch auf Schadenersatz gewährt.

Was ist das Problem an der Sache? Was ist das Problem? Dann weiß jeder, wo­ran er ist. Dann gilt für alle das Gleiche. Dann wird keiner alleingelassen, aus Almosenempfängern werden dann Anspruchsberechtigte, und das ist etwas ganz anderes.

Es braucht noch etwas. Sie haben heute in diese Richtung argumentiert, aber es fehlt eben das entscheidende Stück: Es muss die Regel sein. Es muss die Regel sein, dass vor allem auch finanzielle Soforthilfe geleistet werden kann. Ich rede von diesen Akontozahlungen, von dieser Vorausunterstützung, von diesen Sofortüberweisungen: Das muss die Regel sein. Das muss das Recht sein und kein Privileg oder keine Gnade, die einem einmal zuteil wird und das andere Mal dann halt wieder nicht. Da sind wir dann wieder beim Bittstellertum, und das ist der verkehrte Ansatz.

Wir wissen ja, dass diese Zahlungen oft viele, viele Monate hinter­her erfolgen und dass die Geschädigten dann oft vor dem wirklich unlösbaren Problem stehen, wie sie das alles vorfinanzieren sollen. Wie sollen sie denn die Sanierung ihrer Schäden vorfinanzieren? Mit neuen Schulden? Mit ei­nem Kredit? Das macht die Not und die Verzweiflung noch größer.

Ich weiß das aus meiner ursprünglichen Heimat Kärnten, und ich weiß das auch aus der Steiermark eben von den genannten Ereignissen, dass die Gemeinden nur ein großes Glück gehabt haben: dass es so viele freiwillige Spenden gegeben hat – aber auf die kann man sich nicht verlassen –, denn mit diesen freiwilligen Spenden wurden dann diese Vorfinanzierungen vorgenommen und wurde den Leuten über diese schwere Phase geholfen.

Wenn es diese freiwilligen Spenden nicht gegeben hätte, dann wären die Betroffenen, wie man so schön sagt, aufgeschmissen gewesen. Und das kann es nicht sein, genauso wenig wie es so sein kann, dass wir weiter einen unglaublichen Kompetenz- und Zuständigkeitsdschungel in dieser ganzen Schadensabwicklung haben.

Das zu ändern, einen solchen Rechtsanspruch herzustellen und diese Sofortzahlungen zur Regel zu machen, das ist nur eine Frage des politischen Wollens hier herinnen. Das liegt an uns. Da brauchen wir uns nicht umzudrehen und zu jemandem anderen hinzuschauen. Das ist unsere ureigenste Aufgabe.

Wir bekennen uns dazu, unserer Bevölkerung die bestmögliche und die raschestmögliche Unterstützung zu geben, und das heißt: diese Unterstützung mit einem Rechtsanspruch zu garantieren. Das kann doch bitteschön für ein Land wie Österreich kein Problem sein, oder?

Österreich, und davon bin ich felsenfest überzeugt, hat in Notsituationen in erster Linie für seine eigene Bevölkerung da zu sein. Das ist die aller­erste Priorität und die allererste Verantwortung einer österreichischen Regie­rung, und dann kommt alles andere! Dann reden wir weiter über andere Hilfsaktionen. (Beifall bei der FPÖ.)

Um diese Hilfestellung finanzieren zu können, muss eben woanders gespart oder woanders gestrichen werden, aber dann muss man halt auch einmal über die Milliarden reden, die in die Entwicklungshilfe gehen! (Abg. Schwarz: Das sind Millionen!) Dann muss man auch einmal über die Frage reden, ob das Geld in manchen Fällen nicht in Österreich besser aufgehoben wäre als zum Beispiel in der Ukraine. (Beifall bei der FPÖ.)

Es steht den Österreichern zu, und deswegen werden wir heute auch einen entsprechenden Gesetzesantrag mit diesem Kernthema Rechtsan­spruch im Nationalrat einbringen. Sagen Sie jetzt bitte nicht, dass das nicht geht! Denken Sie einfach daran, wie schnell alles beim Epidemiegesetz und den diversesten Coronamaßnahmen gegangen ist! Denken Sie einfach daran, und denken Sie an die Tausenden Namen, an die Tausenden Gesichter und an die Tausenden Schicksale! (Zwischenruf des Abg. Brandweiner.)

Ich hoffe jedenfalls hier und heute auf Ihre Zustimmung. Ich hoffe auf die Zustimmung aller anderen Parteien. Jetzt bitte ich Sie um einen Schulter­schluss. Jetzt bitte ich Sie um einen Schulterschluss, so wie es vorhin der Kanzler getan hat. Wir brauchen diesen Schulterschluss, damit jeder weiß, dass in Zukunft niemand alleine dasteht, wenn er die Hilfe der Gemeinschaft braucht; und es kann jeden treffen, garantiert. Das ist der entschei­dende Ansatz. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Brandweiner.)

Wenn unser Antrag heute nicht durchgeht, wenn er keine Mehrheit findet, ja dann wird ein freiheitlicher Bundeskanzler dafür sorgen, dass auch in diesem Bereich in Österreich Gerechtigkeit herrscht! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Abg. Kollross: ... Wahlkampfrede!)

11.34

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Christian Stocker zu Wort. – Bitte.