10.46

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wenn die Krise etwas gezeigt hat, dann, wie wichtig ein starker Sozialstaat ist, dass wir ein Gesundheitssystem haben, das glück­licherweise noch nicht so wie in anderen Ländern kaputtgespart ist und hoffentlich auch so stark und gesund bleibt, wie es ist, dass wir einen Sozialstaat und soziale Siche­rungssysteme haben, in denen die automatischen Stabilisatoren tatsächlich so wirken und wirken können, dass sie einerseits bestmöglich gegen Armut schützen und ande­rerseits Einkommen sichern und dadurch auch die Nachfrage stabilisieren, und dass wir auch sozialstaatliche Institutionen haben, die funktionieren. Alleine das ist nicht hoch genug zu schätzen.

Es hat sich aber auch gezeigt, dass wir Lücken in diesem Sozialstaat haben, wenn es darum geht, schnelle Hilfe, schnelle Unterstützung, rasche Unterstützung zu bieten, wenn es darum geht, ausreichend gegen Armut und soziale Risiken abzusichern. Wir haben auch erlebt, dass die Institutionen unseres Sozialstaats teilweise auch an ihre Grenzen – an Kapazitätsgrenzen, an die Grenzen ihrer Möglichkeiten – stoßen. Ich den­ke nur daran, dass das AMS bei der Umsetzung der Kurzarbeitsregelung massive Auf­stockungen des Personals gebraucht hat und auf eine derartige Krise einfach nicht vorbereitet war. Das zeigt auch dieses Budget. Dieses Budget ist kein Budget, das die Krise berücksichtigt, das auf die Krise vorbereitet ist, weil es schlichtweg für diesen Fall auch nicht gemacht wurde.

Es ist für mich schon sehr nachvollziehbar und ganz verständlich, wenn die Opposition – auch ich persönlich und viele von uns wahrscheinlich – sehr gerne aktualisierte Daten hätte, Daten, von denen wir sagen können: Darauf können wir uns verlassen, das passt, das ist super. Jetzt wissen wir ungefähr, in welche Richtung es geht.

Nur, ganz kurz: Ich weiß nicht, ob ihr dieses Papier kennt (einige Ausdrucke in die Höhe haltend). Das ist das Papier des Fiskalrats vom 17. April 2020, in dem beispielsweise die Kurzarbeitsregelung noch mit 5,4 Milliarden Euro veranschlagt ist. Heute stehen wir bei 12 Milliarden Euro, und wir wissen in Wahrheit bis heute nicht, wie viel von dieser Kurzarbeit (Zwischenrufe bei der SPÖ) – zuhören, lernt etwas! – tatsächlich schlagend wird. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir wissen aus der letzten Krise, dass die Kurzarbeit im Umfang von circa 25 bis 30 Prozent budgetrelevant, ausgabenrelevant geworden ist. (Abg. Wurm: Das ist eine Selbstanklage! Eine Selbstanklage ist das! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzei­chen.) Wir stehen jetzt bei 12 Milliarden Euro. Wir haben keine Ahnung: Werden es 30 Prozent sein? Werden es 40 Prozent sein? Werden es 50 Prozent sein? – Das heißt, wir haben möglicherweise Abweichungen von über 2 Milliarden Euro. Auch das ist nicht unbedingt eine Form von seriöser Budgetierung, es tut mir aufrichtig leid, auch wenn ich dann die Zahlen da drinnen stehen habe.

Was wir allerdings bedauerlicherweise wissen, ist, wohin die Richtung in den öffentlichen Haushalten geht. (Zwischenruf des Abg. Kollross.) Der Budgetdienst hat wunderbar herausgearbeitet, wie es dahin gehend, was das Finanzministerium nach Brüssel ge­meldet hat, ausschaut. Das Maastrichtdefizit wird auf 8 Prozent des BIP prognostiziert, sprich 30 Milliarden Euro, davon 19 Milliarden Euro ausgabenseitig, 11 Milliarden Euro einnahmenseitig. Im Papier des Fiskalrates steht drinnen – und diese Tatsache beun­ruhigt mich ehrlich gesagt ziemlich –, dass die Sozialversicherungen heuer wahrschein­lich einen Einnahmenentfall von 5,6 Milliarden Euro haben und sich auch die Staats­schuld entsprechend erhöht.

Das wird für uns die zentrale Herausforderung künftiger und aktueller Budgetpolitik sein: den Sozialstaat und seine Institutionen, die uns durch diese Krise getragen haben, die uns gestützt haben, auch weiterhin nachhaltig und ausreichend zu finanzieren. Wir brau­chen den Sozialstaat nicht nur jetzt in der Krise, sondern wir brauchen ihn immer. (Ruf bei der FPÖ: Dann macht ihn nicht kaputt!) Der Sozialstaat ist schlichtweg nicht nur eine Einrichtung der Armutsbekämpfung, für die soziale Sicherheit, sondern ein wesentlicher Wirtschafts- und Standortfaktor. (Beifall bei den Grünen.)

In der Hinsicht werden wir auch im Rahmen dieses Budgetprozesses und künftiger Bud­getprozesse über alte, neue und künftige Finanzierungsformen – wie wir im Zuge der Krise gesagt haben – tabulos reden müssen. Wir werden auch tabulos über eine Ver­abschiedung von bisherigen Budgetpraktiken, sprich vom Nulldefizit, und über die künf­tige Finanzierung unserer sozialen Sicherheit in einem starken sozialen Wirtschaftssys­tem reden müssen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.51

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Matznetter. – Bitte.