22.53

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Minister! Erlauben Sie mir, dass ich, bevor ich zu meinem Redebeitrag komme, noch auf einige meiner Vorredner eingehe! Herr Kollege Gerstl, zu Ihrem Wienbashing brauche ich, glaube ich, nichts mehr zu sagen (Ruf bei der ÖVP: Faktenbasiert!), ich möchte aber noch auf die Ausführungen von Kollegen Mahrer reagieren. Sie haben das subjektive Sicherheitsge­fühl der Bevölkerung angesprochen. Sehr geehrter Herr Kollege Mahrer, mit einer Re­gierung, die bewusst mit Politik Angst schafft und Angst schürt, werden Sie kein Si­cherheitsgefühl zustande bekommen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. Rufe bei der ÖVP: Geh bitte! Meine Güte!)

Weil Sie das Thema Gewaltschutz angesprochen haben – der ist uns, glaube ich, allen sehr wichtig –, darf ich Sie noch daran erinnern, dass es die schwarz-blaue Regierung mit Innenminister Kickl gewesen ist, die die Marac-Fallkonferenzen, ein wirklich wichti­ges Instrument zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen, abgeschafft hat. Ich ersuche wirklich darum, Herr Innenminister, dass es qualitativ gleichwertige Fallkonferenzen rela­tiv bald wieder geben wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Kollegen Amesbauer: Herr Kollege Amesbauer, Asyl ist ein Menschenrecht, unab­hängig davon, ob es eine Coronakrise gibt oder nicht. Daran werden wir nicht rütteln. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Amesbauer: Aber trotzdem gibt es illegale Migranten, oder? Aber illegale Migranten gibt es trotzdem!)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir feiern heuer 75 Jahre Befreiung vom Nationalso­zialismus am 8. Mai 1945. Nach 1945 hat sich in Österreich relativ rasch ein falscher Opfermythos verfestigt. Dieser hat auch verhindert, dass es in Österreich eine umfas­sende Aufarbeitung der NS‑Zeit gegeben hat. Das Böse wurde konzentriert auf den Ort Mauthausen gesehen, dabei hat das Konzentrationslager Mauthausen selbst 49 Außen­lager gehabt, abgesehen von vielen anderen Terrorstätten der NS‑Zeit auf dem Gebiet von Österreich. Nur wenig ist davon heute noch sichtbar, und wo es Gedenkstätten gibt, ist das vor allem örtlichen Gedenkinitiativen zu verdanken.

Gusen ist das größte Außenlager von Mauthausen und ein Sinnbild dafür, wie Österreich mit der Geschichte, mit Gedenkpolitik umgegangen ist: Auf der Fläche des ehemaligen Konzentrationslagers Gusen befindet sich heute eine Wohnsiedlung. Das kleine Me­morial, die kleine Gedenkstätte ist ehemaligen Häftlingen zu verdanken, die das Krema­torium in Gusen gekauft haben und es später der Republik Österreich als Gedenkstätte vermacht und übergeben haben, weil sie eben gegen das Vergessen vorgehen wollten und das auch getan haben.

Die Regierung hat am 8. Mai angekündigt, in Verkaufsverhandlungen mit den Eigentü­mern der noch vorhandenen Liegenschaften zu gehen. Ich begrüße das und sage das auch ganz deutlich, fordere aber auch ein, dass es eine entsprechende Einbindung der Bevölkerung, der Überlebendenorganisationen bei der Errichtung der Gedenkstätte gibt. Es gibt in diesem Budget noch keine Mittel für die Errichtung der Gedenkstätte, aber, Herr Minister, Sie werden sich darauf verlassen können, dass wir das entsprechend ein­fordern werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines ist mir da auch noch wichtig, zu betonen, Herr Minister: Sie wissen, zum Lager­komplex Gusen gehört auch der Stollenbau Bergkristall in Sankt Georgen an der Gusen. Dass dieser auch angekauft wird, ist in der Machbarkeitsstudie nicht vorgesehen, er ist aber notwendig für die Errichtung einer Gedenkstätte und für einen Lernort Gusen.

Lernort ist für mich auch ein Stichwort: Wir sind erst kürzlich mit einer Studie konfrontiert worden, gemäß derer Schülerinnen und Schüler der 9. Schulstufe große Wissenslücken aufzeigen, was die NS‑Zeit betrifft. 20 Prozent der SchülerInnen wissen nicht, was Anti­semitismus ist, oder wissen nicht, welche Gruppen neben Juden und Jüdinnen noch von den Nationalsozialisten verfolgt worden sind. Das ist ein klarer Handlungsauftrag an uns alle. Demokratie und Bewusstseinsbildung ist die Verantwortung, die wir aufgrund unse­rer Geschichte tragen, und diese Verantwortung verpflichtet uns auch, aufzuzeigen – das wissen wir aus einer Anfragebeantwortung von Ihnen –, dass es zwischen 2013 und Anfang 2020 über 100 Schändungen von NS‑Gedenkstätten in Österreich gegeben hat, und sie verpflichtet uns, endlich Maßnahmen gegen diesen Höchststand an rechtsextre­men Straftaten zu ergreifen, die wir seit 2015 erleben.

Wir müssen da endlich aktiv werden. Das ist die Verantwortung, die wir tragen, auch gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus. Sie fordert uns auf, dass wir uns endlich damit beschäftigen. Deswegen brauchen wir endlich die Wiedereinführung des Rechts­extremismusberichtes, wir brauchen – das wurde auch schon angesprochen – mehr Personal im BVT, vor allem in der Extremismusabteilung, wir brauchen einen Aktions­plan gegen Rechtsextremismus, und wir brauchen für all diese Maßnahmen das notwen­dige Budget. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

22.59

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lopatka. – Bitte.