22.12

Abgeordnete Pia Philippa Strache (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Um die Lasten der Coronakrise so gut wie möglich bewältigbar zu machen, müssen wir uns langsam, aber sicher neben den wirtschaftlichen Konsequenzen auch Gedanken über die psychologischen Konsequenzen des Lockdowns machen, Konsequenzen, welche vor allem die Zukunft und das Leben der Frauen in diesem Land besonders stark be­treffen werden.

Eine Studie der Donauuniversität Krems untersuchte eine für Österreich repräsentative Stichprobe von rund 1 000 Personen. Die Anzahl derer, die angaben, unter depressiven Verstimmungen zu leiden, war von 4 Prozent auf 20 Prozent gestiegen, die von Menschen mit Angstsymptomen von 5 Prozent auf 19 Prozent. Die Studienautoren vermuten zusätzlich eine hohe Dunkelziffer bei der Zunahme von depressiven Erkran­kungen. Die Leidtragenden sind aber nicht nur die psychisch Erkrankten selbst, sondern auch deren Angehörige.

Es sind eben vor allem Frauen, die disproportional davon betroffen sind, wenn der Partner in eine emotionale Krise stürzt. Die meist verbreiteten Tatmotive sind patriarcha­les Besitzdenken, Eifersucht, Kontrolle, Macht – alles Motive, welche besonders in Zeiten großer Unsicherheit, verbunden mit Existenzängsten, tendenziell eher zunehmen als abnehmen.

Es gibt auch bereits erste Anzeichen, die diese Vermutung bestätigen. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es über 50 Prozent mehr an Betretungsverboten; Gewaltschutzein­richtungen in ganz Österreich berichten davon, längst an die Grenzen ihrer Kapazität gelangt zu sein. Der Antrag betreffend „Fortführung des Nationalen Aktionsplans zum Schutz von Frauen vor Gewalt“ ist also nicht nur begrüßenswert, sondern leider auch dringend notwendig.

Neben Frauen sind aber auch Kinder ganz stark betroffen. Wie der Grevio-Schatten­bericht eindeutig festhält, ist die Zahl der Kinder in Frauenhäusern gleich hoch bezie­hungsweise oftmals höher als jene der Frauen. Frauenhäusern mangelt es aber an Personal, im Besonderen wenn es um die Kinderbetreuung geht. Es ist vor allem ein schmerzlicher Punkt, dass es nicht genügend Plätze für männliche Jugendliche über 14 Jahre gibt. In diesen Fällen müssen die Jungen mitunter weiterhin bei ihren gewalt­tätigen Vätern leben, wo sie tagtäglich erneut Gewalt ausgesetzt sind. Darüber hinaus gibt es immer noch keine ausreichende Anerkennung des psychischen Schadens, der Kindern durch das Miterleben von häuslicher Gewalt angetan wird.

Schutzmaßnahmen sollten geändert werden. Die Voraussetzungen für zivilrechtliche Schritte bei psychischen Gewalterfahrungen sollten adaptiert werden, um den Behörden das Ausüben ihrer Schutzfunktion zu erleichtern. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Tatsache, dass Betretungsverbote zum Schutz von Kindern vor Gewalt nur relativ selten erlassen werden, nährt den Verdacht, dass es auch da erhöhten Handlungsbedarf gibt. Schutz von Frauen und Kindern muss Hand in Hand gehen, nur so kann einer Familie ganzheitlich und vor allem rasch und unbürokratisch geholfen werden.

Wie der Schattenbericht weiters feststellt, erhalten Interventionsstellen und Gewalt­schutz­zentren Finanzierungen nur für die Unterstützung von Kindern, die direkt von Gewalt betroffen sind, nicht aber für Kinder, die Gewalt bloß miterleben müssen. So unterstützte im Jahr 2015 zum Beispiel die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie 474 betroffene Kinder, aber 5 733 Kinder, die Gewalt tagtäglich miterleben, konnten aufgrund fehlender Mittel nicht betreut werden.

Diese Kinder und Jugendlichen müssen oftmals traumatisierende Erlebnisse ohne Unterstützung verarbeiten. Die Anträge bezüglich Hochrisikofallkonferenzen und Fort­führung des Nationalen Aktionsplans zum Schutz von Frauen vor Gewalt“ sind also mehr als zeitgemäß. Es muss allerdings dringend Ergänzungen geben, gerade solche, die den Schutz der Kinder verbessern.

Nur so können wir nicht nur heute helfen, sondern auch sicherstellen, dass aus den potenziellen Opfern von heute nicht durch ein unbehandeltes Trauma vielleicht die Täter von morgen werden. Schaffen wir bitte einen Rahmen, der es betroffenen Frauen leichter macht, ihren mutigen Schritt in eine gewaltfreie Zukunft für sich und ihre Kinder zu gehen, einen Schritt, der wahrlich kein leichter ist, einen Schritt, bei dem wir alle hier die Betroffenen nicht alleine lassen dürfen – in einer Welt, die geprägt ist von Wut, Schmerz und Angst, in einer Welt, in der es einer Mutter oftmals nicht einmal möglich ist, sei es aus Gründen der psychischen oder physischen Gewalteinwirkung, ihr eigenes Kind zu beschützen!

Betroffene Frauen und Kinder haben verdammt noch einmal ein Recht darauf, dass wir hier im Parlament alles auf politischer Ebene Mögliche unternehmen, um ihnen diesen Schutz zu gewährleisten! – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.17

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünschen die Berichterstatterinnen ein Schlusswort? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir werden am Ende abstimmen, wie das bei den anderen Tagesordnungspunkten bereits der Fall war.