15.19

Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher: Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Kollege! Sehr geehrte Abgeordnete! Und liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich muss ja sagen, eine Dringliche ist normalerweise immer so, dass man sagt: Eine Dringliche?! Zugleich möchte ich heute fast mit einem Dankeschön beginnen, denn das Thema ist dringend und wichtig und mir und uns auch ein Herzensanliegen.

Wir arbeiten mit vereinten Kräften an vielen Maßnahmen und haben auch weitere in Umsetzung, die ich Ihnen jetzt gerne mitteilen möchte. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Leichtfried: Applaus fürs Mitteilen, das ist ja ...!)

Die Coronapandemie und auch die Weltwirtschaftskrise haben das Leben der gesamten Bevölkerung stark verändert. Bei den Familien, bei den Jugendlichen, aber auch in der gesamten Arbeitswelt und dementsprechend auch in der Jugendbeschäftigung hat die Coronakrise Spuren hinterlassen. Da gilt es jetzt, Maßnahmen zu setzen und weiterzuentwickeln. Daher möchte ich einen kurzen Aufriss machen, wo wir stehen, und dann sagen, was bereits eingetaktet ist und was weiterhin forciert wird.

Wie schaut es mit dem Lehrstellenbedarf aus? – Wir sehen, dass wir mit Ende Juni 2020 7 673 jugendliche Lehrstellenbedarfe verzeichnen. Alleine beim AMS sind knapp 5 000 offene Lehrstellen gemeldet. Wenn ich in den verschiedenen Regionen unterwegs bin und mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Unternehmen rede, die in Kurzarbeit sind oder auch waren, auch in Bereichen, wo es zurzeit unüblich ist, Lehrlinge zu suchen, wie beispielsweise in der Stadthotellerie, sagen mir viele: Wir finden dennoch keinen Lehrling! In einem Stadthotel beispielsweise werden sechs Lehrlinge gesucht. Dement­sprechend gilt es, diese Bedarfe zu analysieren und diese Lücken zu schließen.

Im Vorjahr allerdings war der Lehrstellenmarkt in Gesamtösterreich ausgeglichen. Ende Februar hatten wir sogar einen Lehrstellenüberhang von über 400 offenen Lehrstellen. Wir sehen also, wie sehr diese Coronapandemie unseren Arbeitsmarkt durcheinan­der­gewirbelt hat.

Schätzungen von Expertinnen und Experten, beispielsweise von Zukunft.Lehre.Österreich, aber auch interne Schätzungen zeigen, dass aus jetziger Sicht im Herbst rund 7 500 Lehr­stellen offen sein werden.

Zum Zweiten: Die aktuellen Arbeitsmarktdaten im Bereich der Jugendlichen, also für all jene, die unter 25 Jahre sind, verzeichnen bei der reinen Arbeitslosigkeit – also ohne diejenigen, die sich in Schulung befinden – einen Zuwachs von 80,5 Prozent im Ver­hältnis zum Vorjahr, und zugleich bei all jenen Jugendlichen, die Arbeit suchend und in Schulungen sind, einen Zuwachs von 32,6 Prozent.

Wir sehen also alleine an diesen Zahlen, dass die Bereitschaft der Jugendlichen, an Schulungs-, Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen, sehr, sehr groß ist. Dementsprechend sind wir gefragt, diese Angebote auch bereitzustellen.

Zahlen von Eurostat, aber auch der OECD zufolge waren wir, was die Jugendarbeits­losigkeit betrifft, stets unter den Topnationen Europas. Zum Beispiel 2019 auf Rang fünf mit einem Wert von 8,5 Prozent, als der Durchschnitt in der EU bei circa 15 Prozent war, und auch zurzeit, im Zuge der Coronapandemie, liegen wir bei vergleichbaren Werten auch weiterhin deutlich unter dem EU-Durchschnitt, und wir sind uns alle einig, dass das heurige Jahr nicht mit den letzten Jahren vergleichbar ist. Auch Expertinnen und Exper­ten mit jahrzehntelangem Erfahrungsschatz sagen, so etwas haben sie noch nie ge­sehen. Es bedarf hier eines arbeitsmarktpolitischen Instrumentenkoffers für verschie­dene Zielgruppen, aber auch für verschiedene Branchen.

Es ist uns schon schrittweise gelungen, die Situation am Arbeitsmarkt für die Jugend­lichen zu entschärfen, vom Höchststand der Arbeitslosigkeit Mitte April bis jetzt, da wir über ein Viertel der Jugendlichen vermitteln konnten. Dennoch bleiben die Ärmel hoch­ge­krempelt, es ist viel zu tun und viel Einsatz in der Arbeitsmarktpolitik gefragt.

Ich bin als Jugendministerin im ständigen und intensiven Austausch mit den betroffenen Jugendlichen und auch mit vielen Jugendorganisationen und werde öfters gefragt, auch im direkten Austausch: Sind Bewerbungen jetzt überhaupt sinnvoll? Wenn man einigen Rednern hier zuhört, dann muss man sich als Jugendlicher eigentlich schon fragen, ob man zurzeit überhaupt noch eine Bewerbung schreiben soll. Ich möchte darauf sagen: Ja, die Unternehmen suchen Arbeitskräfte, deshalb zahlt es sich aus, dorthin, wo es offene Stellen gibt, wo auch Interesse besteht, Bewerbungen zu schreiben.

Auf der anderen Seite geht es aber auch sehr stark um Umqualifizierung, um Weiter­bildung. Im Bereich der Digitalisierung zum Beispiel schätzen wir, dass es rund 20 000 neue Jobs geben wird. Dafür müssen wir auch unsere Jugendlichen bereitmachen und dementsprechend Aus- und Weiterbildung anbieten.

Gemeinsam mit meinem Ressort, aber auch mit Fachexpertinnen und Fachexperten und mit Zukunftsforschern – weil das Thema der Jugendlichen auch ein Zukunftsthema ist –, und aber auch in Kombination mit den neuen Arbeitswelten erarbeiten wir gerade diese Anforderungen, welche New Skills notwendig sind, und dafür gilt es, Perspektiven zu geben und Mut zuzusprechen. Mir ist wichtig, dass wir den konkreten Bedarf eruieren und darauf zugeschnittene Angebote machen, um diese Lücke schließen zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Also was haben wir in den letzten Wochen und Monaten getan? Welche Projekte sind im Laufen, um die Jugendbeschäftigung zu garantieren und gegen die Jugendarbeits­losigkeit zu arbeiten? – Aus der finanziellen Dimension betrachtet, stehen über eine halbe Milliarde Euro für die aktive und aktivierende Arbeitsmarktpolitik, zugeschnitten auf die Jugendlichen, zur Verfügung. Aus den laufenden Maßnahmen, aus dem Instru­men­tenkoffer für die Jugendlichen, also die unter 25-Jährigen, stellen wir im Rahmen der Ausbildungsgarantie bis 25 sehr wohl verschiedene Schulungen für Jugendliche mit einem Pflichtschulabschluss bereit.

Warum die SPÖ behauptet, dass damit kein Schwerpunkt gesetzt sei, ist aus meiner Sicht nicht verständlich (Beifall bei der ÖVP), denn rund 40 000 Jugendliche haben alleine heuer im ersten Halbjahr von einer der Bildungsmaßnahmen des AMS profitiert, und dementsprechend sollten wir das nicht schlechtreden, sondern die Jugendlichen motivieren und aktivieren, und nicht Perspektiven verneinen, sondern Perspektiven geben.

Dementsprechend werden auch, beispielsweise über die Lehrstellenförderstelle, über 10 000 betriebliche Lehrstellen gefördert. Zugleich war es aber auch ganz wichtig, im Zuge der Krise in unserem Coronakurzarbeitsmodell auch für Lehrlinge Kurzarbeit zu ermöglichen, bei vollem Entgelt, damit sie keinen Einkommensverlust erleiden. Auch die Infohotline, die wir eingerichtet haben, wurde besonders von den Lehrlingen sehr intensiv in Anspruch genommen.

Eine bedarfsgerechte Planung der ÜBAs ist gerade im Laufen, und dementsprechend arbeiten wir auch mit Unterstützung von verschiedenen Forschungsinstituten daran, zu sagen, welche Bereiche es am Ersten Arbeitsmarkt gibt, wo wir Jugendliche am Ersten Arbeitsmarkt unterbringen können und wo der Bedarf gegeben ist, im Ausbildungsjahr 2020/2021 überbetriebliche Plätze zur Verfügung zu stellen.

Die laufenden Instrumente dienen besonders auch der Orientierungshilfe. In jedem Jugendlichen flackert ja ein Funke an Interesse. Das müssen wir erwecken. Da müssen wir investieren, sei es mit dem Jugendcoaching, sei es mit dem Lehrlings- oder Lehr­betriebscoaching, aber auch der AMS-Beratung, und mit der Koordinierungsstelle AusBildung bis 18 unter der Federführung meines Ressorts in Zusammenarbeit mit dem Sozialministerium.

Dementsprechend gilt es, den Schwerpunkt in den Orientierungshilfen zu setzen, um zu schauen, wo die Stärken der Jugendlichen sind, damit diese auch entfaltet werden können.

Aber nicht nur der Arbeitsmarkt ist zentral für die Jugendlichen. Was ist die Basis? – Die Basis ist eine fundierte und gute Ausbildung für die Jugendlichen, und dementsprechend stehe ich auch in enger Kooperation mit dem Herrn Bildungsminister, damit wir für den gesamten Schulbereich umfassende Maßnahmen treffen, die besonders heuer im Zuge der Coronakrise essenziell sind, damit die Schülerinnen und Schüler ihren Abschluss machen können.

Zum Beispiel haben heuer, letzte Woche schon, aber auch diese Woche, 90 000 Schü­lerinnen und Schüler die 9. Schulstufe, also den Pflichtschulabschluss absolviert. Aus den Erfahrungen der letzten Jahre wissen wir, dass circa 40 Prozent davon in eine Lehre und 60 Prozent in eine weiterführende Schule gehen.

Ich war erst gestern mit internationalen Arbeitsministerinnen und Arbeitsministern auf OECD-Plattformen per Videokonferenz im Austausch. Sie haben gesagt, in der Jugendbeschäftigung ist besonders unsere duale Ausbildung nicht nur ein europäisches, sondern auch ein internationales Best-Practice-Modell. Diese gilt es, weiterhin auszu­bauen und zu stärken. Dementsprechend bin ich sehr froh darüber, dass die geplanten Euroskills, die jetzt während der Coronakrise in Österreich nicht stattfinden konnten, auf Jänner verschoben wurden und in meiner Heimatstadt Graz stattfinden werden. Es ist wichtig, unsere Lehrlinge, unsere Fachkräfte der Zukunft vor den Vorhang zu holen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir müssen aber besonders jetzt den Fokus genau dorthin legen, wo das gebraucht wird. Wir müssen schauen, wie wir die Lehrlinge unterbringen und Ausbildungsplätze bei den Unternehmen garantieren können. Daher arbeiten wir mit der Wirtschaftsministerin sehr eng zusammen, um die Lehre aufzuwerten, neue Lehrberufe zu installieren und attraktiv zu machen, auch für die Jugendlichen spannend zu machen, aber zugleich zu schauen, welche Anforderungen wir am Arbeitsmarkt haben.

Wichtig ist gerade jetzt, Unternehmerinnen und Unternehmer zu unterstützten, damit sie Lehrlinge aufnehmen. Da haben wir den Lehrlingsbonus ausgeschrieben, der schon am 1. Juli gestartet ist. In nur einer Woche haben da schon rund 600 Unternehmen nach­gefragt, die Lehrlinge aufnehmen wollen. Das wollen wir jetzt besonders unterstützen. Es gab eine Tendenz, die mich sehr, sehr nachdenklich gestimmt hat, nämlich wie wir dem entgegenwirken können, dass Unternehmen gesagt haben: Heuer wird es mit den Stellen für Lehrlinge schwierig, die wir aber eigentlich grundsätzlich nehmen wollen.

Deshalb unterstützen wir vonseiten der Regierung mit dem Lehrlingsbonus von 2 000 Euro pro Lehrstelle Unternehmen, die gesagt haben, dass sie nicht nur die Lehrlinge auf­nehmen, die sie geplant haben, sondern vielleicht auch den einen oder anderen zu­sätzlich, weil es gerade jetzt so wichtig ist, die Fachkräfte von morgen auszubilden.

Anstatt an einzelnen Rädchen zu drehen, versuchen wir und geben wir mit vereinten Kräften das Beste, um das große Ganze zu sehen. Es sind schon viele Maßnahmen eingetaktet und im Laufen. Zugleich bedarf es aber auch noch intensiverer Unter­stützung. Deshalb haben wir eine interministerielle Taskforce ins Leben gerufen, um uns noch genauer den Bedarf anzuschauen, der tatsächlich vorhanden ist, um dieser Nach­frage gerecht werden zu können.

Ich bin sehr dankbar für die Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsministerin, mit dem Bil­dungsminister und auch mit dem Sozialminister, denn mit vereinten Kräften können wir als Bundesregierung unserem Ziel gerecht werden, den Jugendlichen entweder einen Ausbildungsplatz im schulischen Bereich oder eine Lehrstelle zu garantieren und dabei zu unterstützen, dass das Matching noch besser wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir müssen uns dieses Triangel genau anschauen: Welche Anforderungen und welche Nachfrage gibt es seitens des schulischen Bereichs, des betrieblichen Bereichs und in der aktiven Arbeitsmarktpolitik, um dort zu unterstützen, wo es notwendig ist, und gege­benenfalls selbstverständlich auch bedarfsorientierte Aufstockungen vorzunehmen.

Uns ist es ein Herzensanliegen – und da kann ich für uns alle sprechen –, wirklich zu versuchen, dass wir den Jugendlichen Orientierung und Unterstützung geben, Mut zuzusprechen, ein ausbildungsvorbereitendes Angebot zur Verfügung zu stellen, indivi­duelle Stärken der Jugendlichen zu identifizieren und zu stärken, damit sie diese auch entfalten können, nämlich dort, wo es darum geht, einer sinnhaften Beschäftigung, einer sinnhaften Tätigkeit nachzugehen. Dementsprechend wollen wir an den Schnittstellen niemanden verlieren und haben gemeinsam diese Taskforce ins Leben gerufen, um ressortübergreifend Ausbildungs- und Lehrstellenplätze bereitzustellen.

Wir stehen vor besonderen Herausforderungen in dieser besonderen Zeit. Wir packen diese an, wir lassen die Ärmel weiterhin hochgekrempelt. Es ist viel zu tun, und über den Sommer wird der Fokus verstärkt auf der Orientierungshilfe sein, auf dem Identifizieren des Angebots und der Nachfrage in den verschiedenen Bereichen, um die Schnittstellen herzustellen, um unsere Jugendlichen bestmöglich zu begleiten und im Ausbildungsjahr 2020/2021 allen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen, damit sie einer sinnhaften Tätigkeit nachgehen können, und nicht von einer Lost Generation zu reden, sondern von einer Zukunftsgeneration. Das ist mir wichtig, und da müssen wir hin.

Ich danke allen für diese Initiative und auch für dieses Thema, damit wir gemeinsam für die Jugendbeschäftigung kämpfen und jedem einzelnen Jugendlichen eine Perspektive und Mut geben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.35

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Köchl. – Bitte.