15.45

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Staats­sekre­tär! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Frau Kollegin Kaufmann! Zu dem An­trag, den Sie heute unter Tagesordnungspunkt 26 einbringen, muss ich Ihnen sagen: Wenn Sie an sich selbst einen Entschließungsantrag stellen, dass die betriebliche und überbetriebliche Lehre sicherzustellen ist, dann ist das mehr als peinlich. (Heiterkeit und Beifall bei FPÖ, SPÖ und NEOS.)

Also wenn Sie sich selbst auffordern, etwas zu tun, und dann hier heraußen stehen und sagen, wir haben so viel getan – da passt irgendetwas nicht zusammen. Das müssen Sie mir erklären.

Aber jetzt vielleicht zum durchaus sehr wichtigen Thema Lehrlingsausbildung, Lehrlinge und zur Situation in Coronazeiten, in Zeiten wie diesen: Das ist natürlich eine Sonder­situation, aber man sollte, was die Lehrlinge betrifft, die Ursachen bekämpfen und nicht die Symptome. Wenn wir uns heute die Ursachen dafür anschauen, dass keine Lehrlinge aufgenommen werden, so gibt es dazu eine Umfrage. Sie wurde von der „Presse“ im November 2018 veröffentlicht.

Laut dieser Umfrage sagen 65 Prozent der österreichischen Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden, sie finden keine Lehrlinge. Und was ist der Grund dafür, dass sie keine Lehr­linge finden? – Die Hauptgründe sind mangelnde Kompetenz im Lesen, Schreiben, Rechnen und in der deutschen Sprache sowie Mangel an Leistungsbereitschaft. Das sind die Ursachen, und da fehlt es im Bildungssystem. Das ist der Punkt. Das Bildungs­system von Rot und Schwarz der letzten Jahrzehnte hat versagt, das ist der Beweis dafür, und da muss man ansetzen. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

Wenn ich gestern vom Herrn Bildungsminister höre, man soll jetzt, wenn man sich bei der Zentralmatura bemüht, auch noch die Matura bekommen, dann muss ich sagen: Also bemühen ist zu wenig. Wenn ich mich bemühe, das kleine Einmaleins zu lernen, es aber nicht beherrsche, ist es einfach zu wenig. (Beifall des Abg. Loacker.) Wenn ich mich bemühe, die Matura zu schaffen, und einfach die Voraussetzungen nicht habe, dann ist das zu wenig. Bemühen ist zu wenig.

Wenn sich ein Lehrer heute bemüht, den Kindern Lesen, Schreiben und Rechnen beizu­bringen, und es nicht zustande bringt, dann ist es einfach zu wenig. Dann muss man dem Lehrer sagen: Das ist zu wenig, Leistung verfehlt! Also da brauchen wir mehr Leistung und nicht einfach nur das Bemühen, etwas zu schaffen! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Shetty.)

Deshalb kann aus meiner beziehungsweise aus unserer Sicht der Ansatz nicht sein, dass man jetzt sagt: Okay, überbetriebliche Lehre sicherstellen, jedem einen Lehrplatz garantieren, der Staat soll hier einspringen! Es kann in einer Krisenzeit wie jetzt natürlich notwendig sein, dass man den Lehrlingen hilft. Kein Lehrling soll im Herbst auf der Straße stehen, wenn er gewillt ist, eine Lehre zu machen, deshalb sollte man die überbetriebliche Lehre heuer sicher unterstützen.

Die Zukunft muss es aber sein, dass man die Überregulierungen – und es gibt viele Dinge, die die Unternehmen heute stören, wenn sie Lehrlinge ausbilden – zurücknimmt, die Lehrlingsausbildung in den Unternehmen unterstützt und fördert und dass man die Voraussetzungen dafür schafft, dass die jungen Leute lesen, schreiben und rechnen können. Das ist der Punkt.

Um den Vergleich vielleicht einmal darzustellen: Die überbetriebliche Lehre wird heute mit rund 16 000 Euro im Jahr pro Lehrplatz unterstützt. Es hat schon in einer sehr erfolgreichen ÖVP-Freiheitlichen-Regierung den Blum-Bonus gegeben, der darin be­stand, dass man die Lehrlinge in den jeweiligen Unternehmen im ersten Lehrjahr mit 400 Euro, im zweiten Lehrjahr mit 200 Euro und im dritten Lehrjahr mit 100 Euro unter­stützt hat,

So gibt man dem Unternehmer eine Unterstützung bei den Lohnkosten und trägt dazu bei, dass er eben Lehrlinge aufnimmt und ausbildet und die wiederum später als Fach­kräfte zur Verfügung stehen. Das muss der Ansatz sein: dass wir heute die Lehrlinge in die Betriebe hineinbekommen und sie dort ausbilden.

Deshalb stelle ich wieder einmal folgenden Antrag – und die Frau Wirtschaftsministerin hat sogar ins Auge gefasst, darüber nachzudenken –, den Blum-Bonus wieder einzu­führen, entsprechend zu überarbeiten und an die heutigen Gegebenheiten anzupassen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lehrlingspaket für Österreichs Lehrlinge – Wiedereinführung des Blum-Bonus“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der ein an die aktuelle Situation angepasster ‚Blum-Bonus‘, der einen monat­lichen Zuschuss für die gesamte Lehrzeit für Lehrlinge garantiert, eingeführt wird.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

15.50

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Lehrlingspaket für Österreichs Lehrlinge – Wiedereinführung des Blum-Bonus

eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag gem. § 74a Abs 1 iVm § 93 Abs 1 GOG-NR der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner Genossinnen und Genossen betreffend: Lehrlingsgarantie in Zeiten von Corona in der 45. Sitzung des Nationalrates am 8. Juli 2020

Laut einer aktuellen Market-Studie wird es im kommenden Herbst einen eklatanten Lehrstellenmangel geben.

„In Summe dürften das rund 10.000 Ausbildungsplätze weniger sein, als noch vor der Coronavirus-Krise geplant war“, so Studienautor David Pfarrhofer. Besonders betroffen sei dabei der Handel mit rund 3.500 Lehrstellen, der Bereich Gewerbe und Handwerk mit 3.000 und der Tourismus mit rund 2.000 Lehrstellen, die nicht besetzt würden.

Jeder dritte Betrieb, der im heurigen Herbst keine Lehrlinge einstellt, plant laut Umfrage, auch im nächsten Jahr keine Lehrlinge aufzunehmen. „Dies würde einen massiven Schaden für die duale Ausbildung bedeuten,“ so Pfarrhofer. https://ooe.orf.at/stories/3048849/ 16.05.2020

Ein Lehrlingsbonus, den die schwarz-grüne Regierung kürzlich in Aussicht gestellt hat, wurde medial schön platziert, wird aber das vorherrschende Problem nicht lösen können und ist wieder nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Ein Unternehmen investiert allein im ersten Lehrjahr pro Lehrling im Schnitt 19.739 Euro, im dritten bereits rund 26.500 Euro.

Bedenkt man, dass der Umsatzrückgang allein für Österreichs Gastronomie während des Corona-Lockdowns täglich ca 60 Millionen Euro betrug und laut Experten auch nicht wieder aufholbar ist, stellt sich die Frage, wie nun 2.000 Euro, die die Regierung beisteuern möchte, bei gleichzeitig hohen Lehrlingskosten und eingebrochenem Umsatz tatsächlich helfen sollen.

Eine Lehrlingsförderung zur Schaffung und zum Erhalt von Lehrplätzen, die dem tat­sächlichen Stellenwert der Lehre für den Wirtschaftsstandort Österreich entspricht und die die Unternehmen, die sich den aktuellen Herausforderungen stellen, auch eine finanzielle Wertschätzung für ihr Engagement Fachkräfte auszubilden, entgegenbringt, ist daher ein Gebot der Stunde.

Die Problemlage bei den jungen Menschen ist dramatisch. So hat sich zuletzt die Arbeitslosigkeit bei den Jungen unter 25 verdoppelt und ist im Vergleich zum Vorjahr um nicht weniger als 104,1 Prozent gestiegen.

Österreich kann es sich nicht leisten, aufgrund der Corona-Krise ganze Jahrgänge junger Menschen zu verlieren.

Da nahezu alle Branchen von der Corona-Krise sehr stark betroffen sind, und es daher ohne unterstützende Maßnahmen sehr lange dauern wird, bis Jugendliche wieder eine Lehrstelle finden werden, muss der Staat hier die finanzielle Verantwortung überneh­men.

Eine Möglichkeit in diesem Zusammenhang wäre die Wiedereinführung eines an die aktuelle Situation angepassten sogenannten Blum-Bonus, der in den Jahren 2004 und 2008 erfolgreich funktionierte.

Dieser hat sich bewährt und den Unternehmen einen monatlichen Zuschuss über die gesamte Lehrzeit für Lehrlinge in ihrem Betrieb garantiert.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Tatsache, dass auch Bundesministerin Magarete Schramböck Überlegungen in Richtung eines Blum-Bonus anstellt, wenn sie kürzlich in einem Interview mit den Vorarlberger Nachrichten vom 18.01.2020 mitteilte, dass „wir prüfen, welche Anreize wir schaffen können und welche Strukturen Unternehmen brauchen, um mehr Lehrlinge auszubilden. Da wollen wir den Blum-Bonus als Input mitnehmen,“ stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der ein an die aktuelle Situation angepasster „Blum-Bonus“, der einen monat­lichen Zuschuss für die gesamte Lehrzeit für Lehrlinge garantiert, eingeführt wird.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Zorba. – Bitte.