15.24

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Menschenhandel, das klingt wie ein Relikt aus vergangenen Tagen. Tatsächlich ist aber das Geschäft mit der Handelsware Mensch nach aktuellen Untersuchungen eines, das zunehmend boomt, das heißt, die höchste Zuwachsrate hat. Menschenhandel ist, das haben auch die Vorrednerinnen festgestellt, ein industrialisier­tes Verbrechen, eine globale Tragödie, die heutzutage jeden Kontinent betrifft.

Jährlich werden mehr als 2,4 Millionen Menschen wie Ware gehandelt. Die Gewinne aus dem Menschenhandel werden weltweit auf 32 Milliarden US-Dollar geschätzt, wie meine Vorrednerin schon gesagt hat – auch das jährlich, und ja, das ist die Dunkelziffer. Seit Mitte der Neunzigerjahre hat sich der weltweite Menschenhandel mehr als vervierfacht und gilt nach einer Untersuchung von Europol als der Verbrechenszweig mit der höchs­ten Zuwachsrate. Das Geschäft mit Menschen gilt deshalb auch als „drittwichtigste“ – unter Anführungszeichen – kriminelle Einkommensquelle nach dem Drogen- und Waf­fenhandel. Nur eine Zahl dazu: In den letzten 30 Jahren wurden allein in Südostasien 30 Millionen Kinder und Frauen Opfer von Menschenhändlern – 30 Millionen Kinder und Frauen, auch das ist eine unglaubliche Zahl!

Menschenhandel, auch da gebe ich meinen Vorrednerinnen recht, ist eine Summe von Menschenrechtsverletzungen und verletzt unveräußerliche Rechte wie das Recht auf Leben, Freiheit, Gleichheit, Würde, Sicherheit, Nichtdiskriminierung, Gesundheit und alle Rechte, die auch den Arbeitsschutz betreffen.

Menschenhandel spielt sich nicht nur innerhalb nationaler Grenzen ab, sondern hat eine außenpolitische, globale Komponente. Es werden nämlich in der Regel Menschen aus weniger entwickelten in besser entwickelte Regionen gebracht und gehandelt. So wer­den beispielsweise Menschen aus Moldawien vornehmlich in die Türkei, nach Russland oder in die Vereinigten Arabischen Emirate gehandelt und die Industrieländer sind laut Untersuchungen sehr oft beziehungsweise meistens die Endstation für die Opfer.

Auch viele europäische Staaten, das möchte man gar nicht glauben, sind nicht nur Her­kunfts-, Transit- oder Bestimmungsländer. Deutschland beispielsweise ist sowohl Tran­sit- als auch Zielland für den organisierten Menschenhandel. Dort handelt es sich vor­nehmlich um Menschen aus Osteuropa, die mehrheitlich in der Zwangsprostitution, auf Baustellen, im Hotel oder im Gastgewerbe ausgebeutet werden.

Mehr als die Hälfte der Opfer in Verbindung mit Sklaverei stammt aus dem südostasiati­schen Raum, weswegen Südostasien als internationale Drehscheibe des Menschenhan­dels gilt. Davon sind insbesondere Kambodscha, Laos, Thailand und Vietnam betroffen.

Es wurde schon erwähnt und man kann es gar nicht oft genug erwähnen: Die meisten dieser Menschen werden in die Sexindustrie verkauft. Allein in Kambodscha sind es täglich – ich wiederhole: täglich! – 50 000 junge Frauen und Mädchen, darunter viele kleine Kinder, die sexuell ausgebeutet werden.

Wieso passiert das, abgesehen davon, dass einige ordentlich daran verdienen? – Weil es zum einen die entsprechende Nachfrage gibt, weil es aber zum anderen auch viele Menschen gibt, die schlicht nichts zum Leben haben. Wirtschaftliche Not, Perspektivlo­sigkeit und der Glaube an eine bessere Zukunft machen viele Menschen zu einer leichten Beute von Menschenhändlern. Auch Entführungen und der Verkauf von Kindern gehören zu den gängigen Einstiegsszenarien der Opfer in den Menschenhandel. Armut ist aber nicht der einzige Grund für die dramatischen Entwicklungen, es sind auch Faktoren wie Diskriminierung bis hin zur politischen Verfolgung oder Korruption, die da hinzukommen.

In den Menschenhandel sind – wie auch in den Organhandel – sehr viele Akteure ver­wickelt. Deswegen ist es so schwer, ihnen auf die Schliche zu kommen. Die Anwerber sind oftmals Bekannte oder Familienangehörige, zu Nutznießern werden Schleuser, viele Mittelsmänner – vor allem Männer –, aber natürlich auch die Abnehmer, die Konsu­menten, die Zuhälter und gut strukturierte globale Netzwerke und kriminelle Organisa­tionen.

Deshalb ist dieser Antrag, wie ich finde, ein sehr, sehr wichtiger, wie auch die Haltung Österreichs in dieser Frage, die Maßnahmen und alle Schritte, die hiezu gesetzt werden, sehr wichtig sind, auch wenn es eine Mammutaufgabe ist.

Ich freue mich sehr, dass wir heute nicht nur darüber debattieren, sondern dass wir es uns zur Aufgabe machen, Menschenhandel nicht nur in Österreich zu bekämpfen und nicht nur in Europa zum Thema zu machen, sondern die globale Komponente nicht aus den Augen zu verlieren. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

15.30

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Kira Grünberg. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.