12.46

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Ich glaube, die Zuschauer haben der Klubobfrau Maurer angese­hen, wie sie körperlich mit sich ringt, wenn sie dieses ganze Konvolut schönreden muss, das uns da vorgelegt wird. (Beifall bei NEOS und FPÖ. – Abg. Belakowitsch: Ja!)

Die Bevölkerung in Österreich, die Erwerbstätigen, aber auch die Schülerinnen, Schüler und die Studenten leiden nämlich seit Monaten unter dieser Ungewissheit. Niemand weiß, was nächste Woche ist. Die Leute fragen sich: Kann ich meiner Arbeit nachgehen? Kann ich studieren gehen? Hat meine Schule morgen offen? (Abg. Martin Graf: Aber schuld ist die FPÖ!) Eltern wissen nicht, ob ihre Kinder nächste Woche noch betreut werden.

Was die Menschen gebraucht hätten, wäre eine alltagstaugliche Lösung, wie wir weiter miteinander leben, arbeiten und lernen können. Was Sie jetzt vorlegen, ist aber ein Ge­setz fürs Zusperren, fürs Absperren und fürs Wegsperren. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Machen wir uns keine Illusionen: Niemand schreibt ein Gesetz, das Ausgangssperren regelt, wenn er nicht Ausgangssperren plant. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordne­ten der FPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.) – Wissen Sie, kommen Sie mir jetzt nicht mit dem Feuerwehrvergleich, Herr Minister! Der Feuerwehr­mann kommt mit dem Schlauch und behält das Wasser in Reserve, aber der Feuerwehr­mann kommt nicht mit dem Brennholz daher, und das tun Sie gerade. (Neuerliche Zwi­schenbemerkung von Bundesminister Anschober.)

Verordnungsermächtigungen werden da erteilt. Das Parlament geht her und gibt diesem Minister, der ein halbes Jahr lang bewiesen hat, dass er keine Verordnung gescheit auf die Reihe kriegt, so gigantische Verordnungsermächtigungen, dass er jetzt Betretungs­verbote verhängen kann, die so weit gehen, dass die Bürger nicht einmal mehr ihren privaten Pkw benutzen dürfen. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Wir müssen uns ja schon dafür bedanken, dass im Gesetz steht, dass der private Wohnraum von den Maßnahmen ausgenommen ist. – Oh, danke sehr, Sie kommen nicht in meine Wohnung! (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Straßensperren können Sie verhängen. Da muss man sich fragen: Stimmt die Verhält­nismäßigkeit noch? Ja, Covid-19 ist eine Krankheit, die ein ernst zu nehmendes Risiko mit sich bringt, das muss man sagen; aber inzwischen haben wir, hat das österreichische Gesundheitssystem viel dazugelernt und es ist ein gut bewältigbares Risiko geworden. Das ist der Unterschied zum März. Wir haben es mit einem gut bewältigbaren Risiko zu tun, das eben nicht Betretungsverbote, Ausgangssperren, Straßensperren rechtfertigt.

Wir haben uns aber schon daran gewöhnt, nicht? Die Österreicher haben sich in den letzten sechs Monaten an vieles gewöhnt, und dieses Parlament hat sich auch an vieles gewöhnt, an einen Wust von Verordnungen, durch den niemand mehr durchblickt. Das führt jetzt dazu, dass wir hier ein Gesetz bekommen, bei diesem gut bewältigbaren Ge­sundheitsrisiko, das es dem Minister ermöglicht, die ganze Bevölkerung in der Privat­wohnung einzusperren. Das ist nicht mehr verhältnismäßig! Es hat auch im Experten­hearing am Montag ein Experte gesagt: Wir müssen aufpassen, woran wir uns gewöh­nen.

Klubobfrau Maurer hat gelobt, wie toll die Begutachtung dieses Gesetzes war. Wir haben zum Beispiel den ersten Entwurf nach der Begutachtung am Sonntag um 23.30 Uhr zugestellt bekommen und durften den dann mit dem Minister am Montag um 10.30 Uhr besprechen.

Ja, man gewöhnt sich daran – und man gewöhnt sich so daran, dass man, wenn in der nächsten Woche der nächste Entwurf am Sonntag um 14.30 Uhr kommt, schon dankbar sein muss, dass er am Sonntagnachmittag gekommen ist und nicht Sonntagnacht. Die Experten, die am Montag im Expertenhearing waren, hatten gar nicht alle die Letztver­sion dieses Gesetzes. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Was ist denn das für ein Ex­pertenhearing? Das ist eine Verhöhnung des Parlaments und eine Verhöhnung der Ex­perten, die eingeladen worden sind. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Wir gewöhnen uns aber auch daran, dass das Parlament verhöhnt wird, nicht? Das Par­lament ist inzwischen nur noch ein Ausführungsorgan dieser Regierung geworden. Für wen spielt schon die Machtbalance zwischen Parlament und Regierung eine Rolle? Die Zeiten der selbstbewussten Abgeordneten in der ÖVP – wir erinnern uns an Karlheinz Töchterle oder an Erwin Rasinger – sind vorbei. (Abg. Hörl: Net stänkern da!) Jetzt haben wir nur noch die Mitschwimmer, die auf der Kurz-Welle hier hereingespült worden sind – und die anderen, die schon länger da sind, wissen, dass sie still sein müssen, weil sie sonst weg sind –, und wir haben einen Parlamentspräsidenten, der sich auch nicht als Gegenüber der Regierung versteht (Abg. Salzmann: Das ist eine Beleidigung!), son­dern der im März sogar vorgeschlagen hat, dass die Sitzung vom 18.3. entfallen und das Parlament bis auf Weiteres nicht mehr tagen soll. Das ist normal (Zwischenruf bei der FPÖ), daran gewöhnen wir uns, und nur auf Druck der Opposition wurde dann doch am 15.3. eine Sitzung abgehalten.

Wir gewöhnen uns an sehr viel. Am Montag war das Expertenhearing im Ausschuss, und der Minister hat es nicht einmal für notwendig befunden, einen Satz dazu zu sagen, was an Ermächtigungsgesetz (neuerlicher Zwischenruf bei der FPÖ) vorgelegt wurde, mit dem Sie in Zukunft die Republik wegsperren können und wollen. Ich sage Ihnen eines: Wir gewöhnen uns da an zu viel.

Erich Kästner hat darauf aufmerksam gemacht: Das, was 1938 passiert ist, konnte man nicht 1938 oder 1937 verhindern, das hätte man zehn Jahre früher zu verhindern begin­nen müssen. – Ich bitte Sie: Gewöhnen wir uns nicht an das alles, was hier passiert! (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

12.52

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Klubvorsitzende Pamela Rendi-Wagner. – Bitte. (Abg. Wurm: Die Frau Komplizin spricht!)