12.20

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Werte Kollegen, Kolleginnen! Die Welt steht nicht still. Im Außenpolitischen Bericht 2019 werden all die komplexen, großen Herausforderungen sichtbar.

Eines vorweg: Diese sind nicht beseitigt, sie sind nicht weniger geworden, im Gegenteil, im Moment brechen alte Konflikte auf. Da gibt es eine durch eine Explosion ausgelöste Krise in Beirut, dort gibt es eine Explosion der Gewalt in Belarus, bevorstehende Wahlen in den USA bringen aktuell die ganze Welt ins Wanken, und die Pandemie hat zweifels­ohne auch vielerorts, wie zum Beispiel in Brasilien, nicht nur das Gesundheitssystem teils kollabieren lassen, sondern stellt uns international vor neue Herausforderungen. Genauso wird die europäische Solidarität zweifelsohne auf die Probe gestellt.

In der Türkei gibt es aktuell die größte Verhaftungswelle von Oppositionellen und eine Abkehr – das haben wir heute schon gehört – von den Bemühungen um die Europäische Union. Im Iran werden weiterhin Menschen lediglich aufgrund ihrer politischen oder auch sexuellen Orientierung zum Teil öffentlich hingerichtet. Saudi-Arabien lässt Tausende Menschen in Gefängnissen für „lediglich Meinungsfreiheit“ – unter Anführungszeichen – büßen, und Russland steht gerade international am Pranger, weil allem Anschein nach die Geheimdienste für den Giftanschlag auf Nawalny verantwortlich sind.

China hat, auch das wissen wir, Millionen BürgerInnen in Zwangs- und Umerziehungs­lager gesteckt und ist auch dabei, die vertraglich garantierten demokratischen Freiheiten der Sonderverwaltungszone Hongkong zu zerschlagen. Gleichzeitig ist China der zweit­größte Handelspartner der Europäischen Union, was die Sache nicht weniger komplex macht.

Man könnte meinen, die Liste ließe sich unendlich fortführen. Sie hinterlässt den Ein­druck, als wäre man aufgrund dieser Komplexität machtlos. Ich aber bin der Meinung, das Gegenteil ist der Fall: Wir können nicht nur etwas tun, wir müssen etwas tun! Wir müssen, je schwerwiegender die Krisen sind, desto mehr auf das multilaterale Engage­ment Österreichs setzen.

Das multilaterale Engagement Österreichs lässt sich zum Beispiel an der Generalver­sammlung der Vereinten Nationen festmachen, an völkerrechtlichen Fragen wie Abrüs­tung, an Friedensmissionen der OSZE, an Fragen betreffend Menschenrechte oder auch an Wahlbeobachtungen, im Europarat oder in der OECD. Österreich ist bekanntlich nicht nur Sitz vieler internationaler Organisationen, Österreich hat auch den Vorsitz im UN-Menschenrechtsrat und setzt zum Glück im Bereich Klimaschutz, bei Energiefragen oder auch bei der Krisenbewältigung zunehmend auf internationale Power.

Diese internationale Power braucht es in einem aktuellen, schwerwiegenden, tiefgreifen­den und sehr komplexen Konflikt auf jeden Fall. Wie wir heute schon gehört haben, gibt es einen Antrag der Regierungsparteien betreffend „die aktuelle Situation in der Region Bergkarabach“. Besonders die Zivilbevölkerung leidet enorm unter diesem Konflikt, unter den Kampfhandlungen, die dort gerade stattfinden. Es gibt beunruhigende Berichte über Angriffe auf Dörfer und Städte sowie die Zerstörung der zivilen Infrastruktur – Schulen, Krankenhäuser – durch schwere Artillerie. Tausende Personen mussten bereits aus der Region fliehen. Wir wissen, wenn sich die Situation dort nicht verbessert, werden noch mehr Menschen zur Flucht gezwungen.

Ich freue mich sehr, dass wir heute hier mit diesem Antrag einen konkreten Schritt setzen und an Sie, Herr Außenminister, appellieren, konkrete Schritte zu setzen. Österreich hat in seiner neutralen Rolle schon einmal zwischen Armenien und Aserbaidschan erfolg­reich den neutralen Raum für Verhandlungen über einen Waffenstillstand bieten können, und jetzt sollten wir auch wieder dranbleiben. Der Kanzler hat auch schon angekündigt, dass es dieses Angebot gibt. Das ist richtig und wichtig, und deswegen ist es umso erfreulicher, dass es gelungen ist, diesen aktuellen Antrag hier einzubringen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.25

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter. – Bitte.