14.11

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister – noch ein­mal –! Ich möchte zu dem Syrienantrag sprechen, in dem es darum geht, Menschen, die hier sind, die Schutz gesucht haben, nach Syrien zurückzuschicken. Ich habe selten von einem gefährlicheren Antrag hier im Nationalrat gehört; das ist ein Antrag, der tatsächlich Menschenleben gefährden würde, wenn er irgendeine Chance hätte, eine Mehrheit zu finden. – Das ist das Einzige, was für den Antrag spricht: dass Sie ohnedies wissen, dass er keine Chance hat.

In Syrien gibt es, wenn man so will – das Land ist zweigeteilt –, zwei Gegenden: In der einen Gegend hat Assad die Herrschaft. Dort ist es in weiten Teilen tatsächlich relativ friedlich, da haben Sie recht, aber friedlich bedeutet auch, dass dort eine Diktatur herrscht, in der Menschen im Gefängnis gefoltert und ermordet werden – und viele der Menschen, die jetzt hier bei uns sind, sind Dissidenten, die Asyl bekommen haben, weil sie vor diesem Regime geflüchtet sind. Mit diesem Antrag sagen Sie jetzt: Da hat ein Diktator einen Krieg über weite Teile gewonnen; schicken wir ihm noch die Leute, die er im Keller foltern kann! – Ich habe im österreichischen Nationalrat selten etwas gehört, das grausamer war.

Die zweite Gegend in Syrien – der Norden und der Nordosten – ist im Wesentlichen unter kurdischer Kontrolle. Dort herrschen teilweise noch Kämpfe, dort gibt es auch noch eine Frontlinie. Wenn wir Leute dorthin zurückschicken, kann das bedeuten, dass sie de facto jederzeit in einen Kampf, in einen Konflikt geraten können, zum Beispiel wenn As­sad die Offensive wieder aufnimmt, was ja nach Corona auch jederzeit möglich sein könnte. Dann schicken wir also Leute direkt in ein Kriegsgebiet.

Was tatsächlich gebraucht würde, ist eine Unterstützung für diese syrisch-kurdische Re­gion, die wirklich eines der interessantesten demokratischen Projekte im Nahen Osten ist, wo man versucht, demokratische lokale Verwaltungen aufzubauen, wo man versucht, Gleichberechtigung zu leben, Menschenrechte strikt einzuhalten, auch Menschenrechte gegenüber den Gefangenen einzuhalten, und das international überwachen zu lassen. Sie brauchen Unterstützung und Hilfe – und nicht, dass man sie dann noch mit solchen Anträgen zusätzlich unter Druck bringt.

Wenn wir uns politisch dafür einsetzen, dass in Syrien irgendwann einmal erstens Frie­den herrscht und zweitens Demokratie herrscht, dann – davon bin ich überzeugt – wer­den sehr viele Leute gern in ihre Heimat zurückkehren. Vorher aber sollten wir eine an­ständige Politik machen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.13

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.