16.58

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir alle kennen das aus diversen Kinofilmen, aus TV-Serien oder möglicherweise auch aus eigener persönli­cher Erfahrung, nämlich die Situation in einem Operationssaal, kurz bevor die Operation losgeht.

Da stehen viele komplexe technische Apparate herum, da gibt es einen Überwachungs­computer, der ständig irgendwelche Geräusche, akustische Signale abgibt, um die grundlegenden Körperfunktionen wahrnehmbar zu machen. Das Personal ist hoch kon­zentriert, kommuniziert mit kurzen, präzisen Anweisungen. Der Anästhesist verabreicht kurz vorher noch eine Entspannungsspritze und spricht beruhigend auf den Patienten ein, bevor er die Vollnarkose hochfährt. Und dann muss jeder Handgriff sitzen. Langjäh­rig ausgebildetes, meist auch erfahrenes Personal bringt seine ganze Kompetenz ein, damit die Operation zum Erfolg führt.

Hohes Haus! Sie ahnen, worauf ich mit diesem Bild hinauswill. Es ist das Gegenbild zu dem, was in Ischgl passiert ist, es ist das Gegenbild zum Krisenmanagement in Ischgl, zu dem nunmehr sozusagen der Operationsbericht vorliegt.

Die Rolle des Anästhesisten teile ich dem Herrn Bundeskanzler zu. Von ihm sind wir es ja gewohnt, dass er uns in wohlgesetzten Worten in Trance versetzen will, damit wir nicht mitbekommen, worum es eigentlich geht. (Beifall bei den NEOS.)

Es gehört nach dem Bundesministeriengesetz aber auch zu seinen Aufgaben, die Öf­fentlichkeit über die Arbeit der Regierung zu informieren. Darauf beruft sich ja auch der Herr Bundeskanzler im Zusammenhang mit seinem verhängnisvollen Ischglbeitrag.

So zeigt uns also der Expertenbericht einen Anästhesisten, der alles eher als beruhigt und deeskaliert hat, einen, der dem Patienten praktisch zugerufen hat: Es wird ganz brutal gefährlich – rette sich, wer kann!

Für mich ist das insofern sehr verwunderlich, als es ja eigentlich eine Kernkompetenz – ich möchte sagen, die einzige – unseres Bundeskanzlers ist, dass er kommunizieren kann. Dass er so einen schweren kommunikativen Fehler macht, das war wirklich über­raschend, und dieser Kommunikationsfehler hat immensen Schaden verursacht. Durch die Fehlleistung des Anästhesisten wurde aus dem Operationssaal praktisch ein Toll­haus. Die Kontrolle war komplett verloren, das wurde schon von Vorrednern ausgeführt.

In dieser Situation tritt dann Chefchirurg Anschober auf, und der tut – da er sich offenbar auf die Operation in keiner Weise vorbereitet hat – zunächst nichts. Er hat auch offenbar keine Ahnung davon, was er tun soll. Er fuchtelt zwar mit einem Skalpell, sprich mit diversen Verordnungen, herum, welche vom Verfassungsgerichtshof dann später als rechtswidrig aufgehoben werden, kann aber offenbar keinen sinnvollen Beitrag zum Ge­lingen der Operation leisten. Und es wird Sie nicht wundern, wie die Operation ausge­gangen ist.

Verlassen wir den Operationssaal, wenden wir uns der nicht viel trostreicheren Realität zu: Fehler zu machen ist das eine, diese aber dann in dieser Art und Weise abzuhandeln, zu glauben, sie mit einigen wohlgesetzten Worten abtun zu können, das ist das andere. Immerhin bekennen Sie ein, dass Sie Fehler gemacht haben – im Gegensatz zum Herrn Bundeskanzler, der ja nach wie vor alles richtig gemacht hat. Wir müssen aber den Blick auf Konsequenzen haben und unser Tun und Handeln wirklich so ausrichten, dass es wieder zu Vertrauen kommt. Vertrauen ist das Wichtigste, das wir jetzt brauchen, zwi­schenmenschlich und – und damit bin ich in Tirol – auch im Tourismus.

Personelle Konsequenzen werden in Tirol ausgeschlossen. Es wird zwar – damit komme ich noch einmal kurz auf unser Bild vom Operationssaal zurück – im Operationssaal ein bisschen herumgeräumt, da wird ein Kastl verschoben und vielleicht das eine oder das andere verändert, aber das offenbar überforderte Personal, das sich noch dazu an diver­sen Hilfskräften abzuputzen versucht, das bleibt in Amt und Würden, und damit wächst der Schaden erst richtig an.

Die europäischen Reisewarnungen – vor allem die deutsche Reisewarnung – bleiben aufrecht. Ich habe soeben gelesen, die deutsche Bundesregierung hat ab 8. November eine neue Quarantänepflicht für Rückkehrer aus ausländischen Risikoländern angeord­net, der man sich auch nicht mit einem negativen Test entziehen kann. Das ist für unse­ren Tourismus der Todesstoß. (Abg. Hörl: Gefällt dir das, Margreiter?) Der Wintertou­rismus in Tirol wird von geschlossenen Hotels, von geschlossenen Liften geprägt sein. Der wirtschaftliche Schaden, den wir in Tirol und damit in ganz Österreich zu erwarten haben, ist unvorstellbar!

Und ich habe noch niemanden gehört, der wirklich mit Betroffenheit sein Bedauern da­rüber zum Ausdruck gebracht hätte, wie das europäische Ausland jetzt auch über diesen Ischglbericht berichtet. – Das ist verheerend! Mit all dem geht genau das verloren und wird nicht wieder aufgebaut, was im Tourismus ganz wesentlich ist, nämlich das Ver­trauen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dieses Vertrauen ist nachhaltigst geschädigt, und zwar nicht schicksalhaft durch die Pandemie, sondern vor allem wegen der dummdreisten Reaktionen der Politik auf ihre unbestreitbaren Fehlleistungen. Um einen Beitrag in Richtung Wiederaufbau des Ver­trauens zu leisten, bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erweiterung des Untersuchungsmandats der Ischgl-Kommission“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, an die ,Rohrer Kommission‘ heranzutreten und darauf hinzuwirken, diese zur umfassenden, transparenten und unabhängigen Evaluie­rung des Managements der Covid-19-Pandemie durch die Bundesbehörden mit der Erstellung eines umfassenden Berichtes, mit den in der Begründung genannten Inhalten, zu beauftragen.“

*****

Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

17.05

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Erweiterung des Untersuchungsmandats der Ischgl-Kommission

eingebracht im Zuge der Debatte in der 55. Sitzung des Nationalrats über die Beant­wortung der dringlichen Anfrage der Abg. Loacker, K&K an BM Anschober betr. per Pressekonferenz ins Corona-Chaos: Die Verantwortung von Gesundheitsminister und Bundeskanzler an der europaweiten Ausbreitung des Covid-Virus aus Ischgl (3749/J)

Gegenstand des Berichts der unabhängigen Expertenkommission unter dem Vorsitz von Dr. Ronald Rohrer und deren Prüfung war "das Management der Tiroler Behörden in Zusammenhang mit der Pandemie Covid-19. Das Verhalten von Personen und Insti­tutionen, die nicht als Behörden oder deren Mitarbeiter tätig wurden, war von der Unab­hängigen Expertenkommission nicht zu untersuchen" und wurde nur insoweit berück­sichtigt und beschrieben, "als es mit Maßnahmen der Behörden in Zusammenhang steht oder zum Verständnis der Situation erforderlich ist."

Das Gesundheitswesen ist Bundessache (Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG). Die Landes- und Bezirksbehörden wurden bei Vollziehung des Epidemiegesetzes 1950 in mittelbarer Bundesverwaltung tätig. Der Kommissionsbericht bezog daher die in der Weisungskette übergeordneten Bundesbehörden in die Bewertung der Tätigkeit der Tiroler Behörden nur insofern ein, als deren Aktivitäten "Reflexwirkung" auf die Landesbehörden hatte.

Im Lichte der bereits zu Tage getretenen Fehler im Corona-Management in der Früh­phase der Krise ist es dringend geboten, auch die Rolle der Bundesbehörden genau untersuchen zu lassen.

Die Bundesregierung möge daher an die Rohrer Kommission herantreten und darauf hinwirken, diese zur umfassenden, transparenten und unabhängigen Evaluierung des Managements der Covid-19-Pandemie durch die Bundesbehörden zwischen 1. Jänner und 15. Mai 2020 mit der Erstellung eines Berichtes beauftragen.

Sie sollen sich dabei insbesondere mit folgenden Vorgängen auseinandersetzen:

1.         Zeitpunkt und Informationsbasis für die Einrichtung der Krisenstäbe des Bundes sowie Zusammensetzung der Krisenstäbe.

2.         Alle Maßnahmen des Bundeskanzlers, des Gesundheitsministers und des Innen­ministers im Rahmen des Krisenmanagements aufgrund der Verbreitung von Covid-19 im Hinblick auf

a. ihre Notwendigkeit,

b. ihre Rechtzeitigkeit,

c. ihre Ausgestaltung,

d. ihre Durchführung.,

e. die Kontrolle ihrer Durchführung,

f. die interne und externe Kommunikation,

g. ihre rechtlichen Grundlagen,

h. ihre Vollständigkeit,

i. ihre Verhältnismäßigkeit,

j. ihre Auswirkungen,

k. ihre Vergleichbarkeit gegenüber anderen Regionen und Staaten,

l. ihre Abstimmung mit den zuständigen Bundesministern bzw. der Bundesregierung.

Als Berichtszeitraum solle der 1. Jänner bis 15. Mai 2020 festgelegt werden.

Die Expert_innen sollen ihren Bericht nach Abschluss der Untersuchung dem Nationalrat vorlegen und der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, an die "Rohrer Kommission" heranzutreten und darauf hinzuwirken, diese zur umfassenden, transparenten und unabhängigen Evaluie­rung des Managements der Covid-19-Pandemie durch die Bundesbehörden mit der Er­stellung eines umfassenden Berichtes, mit den in der Begründung genannten Inhalten, zu beauftragen."

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Smolle. – Bitte.