9.59

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ja, es ist jetzt gerade einmal drei Tage her, dass es in Österreich den schlimmsten Terroranschlag seiner Geschichte gegeben hat, und ich glaube, es ist nicht übertrieben, wenn man in diesem Zusammenhang von einer tragi­schen Zäsur in der Geschichte der Zweiten Republik spricht.

Dabei sind 22 Menschen zum Teil schwer verletzt worden, und vier unschuldige Men­schen sind von einem Attentäter eiskalt und bestialisch ermordet worden, von einem Islamisten, von einem Mann, der als Mitglied einer terroristischen Organisation auf Be­währung aus dem Gefängnis entlassen wurde, also der von verantwortungslosen Welt­verbesserern und Fantasten auf die österreichische Bevölkerung losgelassen wurde (Abg. Pfurtscheller: ... Gesetze ...!), von einem Mann, der im sozialen Wohnbau unter­gekommen ist, von einem Mann, der von der Sozialhilfe gelebt hat und der das Privileg genossen hat, gleich zwei Staatsbürgerschaften zu besitzen.

Herr Bundeskanzler Kurz, ich sage Ihnen eines: So groß wie meine Trauer angesichts der Ereignisse, die sich da abgespielt haben, ist, so groß ist mein Entsetzen und so groß ist auch meine Wut über all das, was in diesem Land möglich ist, in einem Land, in dem Sie und Ihre Partei über viele, viele Jahre die Verantwortung im Bereich Justiz, im Bereich Sicherheit und im Bereich der Integration getragen haben – Sie und niemand anderer! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie jetzt davon ausgehend von einem Ende der falschen Toleranz reden, Herr Bundeskanzler Kurz, verzeihen Sie mir diese deutlichen Worte, dann ist das eine einzige Selbstanklage.

Herr Innenminister, es sind vier Menschen, die ermordet worden sind, vier und nicht fünf, so wie Sie es gestern in einer Pressekonferenz behauptet haben, denn der fünfte Tote, das ist der Islamist. Das ist derjenige, der eine Blutspur durch Wien gezogen hat. Er wurde nicht ermordet, so wie Sie es gestern in Ihrer Pressekonferenz gesagt haben. Nein, meine Damen und Herren, der Polizist, der ihn Gott sei Dank aus dem Verkehr gezogen hat und damit weiteres Blutvergießen verhindert hat, ist kein Mörder, sondern ein Held. (Beifall bei der FPÖ.) Er ist ein Held, so wie alle anderen Sicherheits- und Einsatzkräfte, die unter Einsatz ihres Lebens und unter der Gefährdung ihrer Gesundheit in dieser Nacht zum Schutz der Bevölkerung draußen gewesen sind.

Ich finde Ihre Wortwahl, Herr Innenminister, in diesem Zusammenhang beschämend. Ich finde, sie ist genauso beschämend, wie Ihre Verteidigungsstrategie, seit zwei Tagen in alle möglichen Richtungen zu zeigen, nur sich selbst zu vergessen, feige ist. Ich muss das in dieser Deutlichkeit sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

In einer solchen Situation ist es notwendig, zwei Dinge zu tun. Das eine ist die scho­nungslose und ehrliche Analyse der tragischen Ereignisse, die Aufarbeitung der Ur­sachen dieses Anschlags, um daraus die notwendigen Schlüsse zu ziehen, damit man das Risiko für weitere Anschläge zumindest minimieren kann. Dafür aber braucht es – und es wurde angesprochen – Ehrlichkeit und dafür braucht es Offenheit. Ehrlichkeit und Offenheit, das ist der Anspruch, den die Bevölkerung an Sie stellt, und das ist auch das, was wir den Opfern und den Hinterbliebenen dieser Opfer schuldig sind.

Im vorliegenden Fall ist es in der Tat möglich, schon nach wenigen Tagen zu einer ganz konkreten und zentralen Erkenntnis zu kommen, und diese eine Erkenntnis lautet: Dieser islamistische Anschlag hätte verhindert werden können. Das steht fest, so einfach und so traurig, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Wirklichkeit. (Abg. Meinl-Reisinger: ... mit den bestehenden Gesetzen!)

Herr Bundeskanzler und Herr Innenminister, vier unschuldige Menschen könnten jetzt noch am Leben sein. Ihre Familien und ihre Freunde, ihre Hinterbliebenen müssten jetzt nicht unsagbares Leid und unsagbaren Schmerz erdulden, Hunderte Polizisten hätten nicht ihr Leben aufs Spiel setzen und als Kugelfang durch die Stadt marschieren müs­sen, wenn, ja wenn, nicht furchtbar versagt worden wäre, und zwar in Ihrem Verantwor­tungsbereich, Herr Innenminister, in Ihrer Amtszeit. Nicht irgendwo und irgendwann anders sind nämlich die Warnungen der slowakischen Sicherheitsbehörden betreffend den versuchten Ankauf von Sturmgewehrmunition durch den späteren Attentäter und eine zweite Person, der man sich vielleicht auch noch vermehrt wird zuwenden müssen, eingegangen. Nur dadurch, durch diese Information, wäre es möglich gewesen, diesen späteren Attentäter wieder einzusperren, hinter Schloss und Riegel zu bringen, aber genau das ist nicht geschehen, und so konnte er am 2. November zuschlagen.

Das, was Sie, Herr Innenminister, als einen Kommunikationsfehler verharmlosen – es ist auch heute wieder passiert –, das, was Sie einen Kommunikationsfehler nennen, ist in Wahrheit das Todesurteil für vier unschuldige Menschen gewesen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist völlig klar, es ist für mich völlig klar, dass Sie als Ressortminister dafür auch die politische Verantwortung tragen. Ich bin den Medien sehr, sehr dankbar dafür, dass sie diese Warnungen der slowakischen Behörden an den Verfassungsschutz – was im Übri­gen zeigt, dass der Informationsfluss selbstverständlich funktioniert – auch öffentlich gemacht haben. Ich bin ihnen sehr dankbar, denn jetzt können Sie dieses Faktum nicht mehr bestreiten.

Es ist ja meiner Meinung nach auch interessant, dass in all den Erklärungen, die Sie in den letzten Tagen abgegeben haben, von diesem Faktum keine Rede gewesen ist. Sie haben es der Öffentlichkeit gegenüber erst zu dem Zeitpunkt zugegeben, Sie haben erst dann gestanden, als Sie schon aufgeflogen sind, was dieses große Versäumnis betrifft. (Widerspruch bei der ÖVP.) Ich prophezeie Ihnen schon heute, dass es auch nicht mehr allzu lange dauern wird, bis Sie werden zugeben müssen, was Sie jetzt auch abstreiten, nämlich dass der spätere Attentäter natürlich unter Beobachtung des Verfassungs­schut­zes gestanden ist und dass er trotz dieser Überwachung sein blutiges Werk verrichten konnte.

Ja, ich weiß, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Wahrheit tut weh, aber vier Menschen mussten für dieses Versagen mit ihrem Leben zahlen. Der Preis für Ihr Versagen war das Leben von vier Menschen. Da ist der Preis, den Sie zu zahlen haben, ein vergleichbar kleiner, Herr Innenminister. Es ist Ihr Rücktritt, nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.) Ich sage Ihnen eines: Ich an Ihrer Stelle wüsste, was ich heute und hier zu tun hätte. (Rufe bei der ÖVP: Genau! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Wöginger: ... eine Frechheit!)

Noch etwas Zweites ist wichtig: Es muss Schluss damit sein, dass auf die üblichen Betroffenheitsbekundungen und auf die sattsam bekannte Betroffenheitsrhetorik, die immer die gleiche ist, ob es Wien ist, ob es Paris ist, ob es London ist, dann immer dasselbe folgt, nämlich gar nichts. Das ist das große Problem. Wir kommen nicht zum Tun, wir kommen nicht zum Handeln, und der Grund dafür liegt darin, dass es viel, viel schwieriger ist, zu handeln, als nur zu reden, wie Sie es heute getan haben. Wer auf­merksam zugehört hat, hat festgestellt, dass alle Ihre Ankündigungen immer nur in der Zukunftsform artikuliert wurden. Sie haben keinen einzigen Nachweis aus der Ver­gangenheit bringen können, dazu, was Sie nicht alles erreicht haben. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch dieses Tun ist eine Bringschuld gegen­über der Bevölkerung, aber ich fürchte, dass Sie die Kraft und den Mut dazu nicht haben. Wir brauchen ein Verbotsgesetz gegen den politischen Islam. An uns ist das nicht gescheitert. Hätten wir ein solches, hätten wir diese Terroristen aus dem Verkehr ziehen können; es ermöglicht uns nämlich, zuzugreifen, bevor Blut fließt. Sie wollten es nicht haben. (Abg. Wöginger: Ja, du wolltest 14-Jährigen das Gewehr geben!) Wir haben uns immer gegen vorzeitige Entlassungen von solchen Individuen ausgesprochen. Wir sind für die Aberkennung von Staatsbürgerschaften, auch wenn am Ende die Staatenlosigkeit übrig bleibt. Das ist nicht unser Problem, das ist das Problem dieser terroristischen Individuen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir werden diese Pakete wieder einbringen, und ich bin gespannt, ob Sie diesmal mit dabei sind und uns unterstützen.

Wir werden uns aber auch ganz grundsätzliche Fragen stellen müssen, und die Antworten werden für manche nicht angenehm sein. Wir werden uns die Frage stellen müssen, ob ein Asylsystem, bei dem wir mehr und mehr draufkommen (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller), dass die Schutzbedürftigen in vielen, vielen Fällen die eigentliche Gefahr für die eigene Bevölkerung sind (Abg. Pfurtscheller: Der Täter war kein Asylwerber!), nicht völlig geändert werden muss. Wir haben hier eine andere Ansicht, und ich glaube, die Ereignisse haben uns auch diesmal bestätigt.

Wir werden uns fragen müssen, ob es richtig ist, wenn die Menschenrechte dazu benützt werden, Terroristen vor den Konsequenzen ihrer eigenen Bluttaten zu schützen, wäh­rend die Toten keine Menschenrechte mehr haben, weil sie schlicht und ergreifend ermordet worden sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir werden uns auch die Frage stellen müssen, ob es wirklich verantwortungsbewusst ist, fanatische Fundamentalisten einem Deradikalisierungsprogramm zu unterziehen und zu glauben, dass man damit etwas bewirkt und Menschen, die ein völlig anderes Wertesystem als das unsere inhaliert haben, mit ein paar Wertekursen zu glühenden Vertretern unserer Art zu leben machen kann. Das ist naiv und unverantwortlich, und darüber müssen wir diskutieren, denn all das ist der Nährboden für den Islamismus, den Sie angeblich bekämpfen wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind dazu bereit, diese Auseinander­set­zung zu führen und uns dafür auch anzulegen. Ich bin gespannt, ob Sie das auch sein werden. Das wäre nämlich der notwendige Schulterschluss, das wäre die notwendige Gemeinsamkeit als glaubwürde Antwort auf diese terroristische Bedrohung.

Ich glaube, wir stehen in der Schuld – in der Schuld der Opfer und in der Schuld der österreichischen Bevölkerung. Wir haben zu handeln – für die Sicherheit unserer Bürger, für den Schutz der Demokratie und für unsere Art zu leben. Geredet wurde lange genug. (Beifall bei der FPÖ.)

10.10

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Sigrid Maurer. – Bitte.