17.29

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­deskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir vielleicht zwei Vorbemerkungen, bevor wir in die Debatte einsteigen! Herr Bundeskanzler, ich finde, es steht Ihnen nicht gut an, wenn Sie heute nach dem Referat des Herrn Wimmer süffisant lächeln und ihm in Ihren Bemerkungen auch irgendwo unterstellen, dass er hier gespielt hätte. Herr Wimmer besitzt eines, was wir bei Ihrer Politik so oft vermissen: Empathie – Empathie für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ.) Genau deshalb hat er sich so aufgeregt.

Erlauben Sie mir auch eine zweite Anmerkung, die mir persönlich unglaublich wichtig ist: Bitte, nehmen Sie bei Ihrer Argumentation nicht den Namen Rudolf Hundstorfer in den Mund (Beifall bei der SPÖ – Abg. Niss: Aber es ist so!), denn ich weiß, dass er bei dieser Debatte ganz sicher nicht auf Ihrer Seite gestanden wäre! Ich glaube, ich finde, das ist pietätlos. Bitte, lassen Sie die Toten ruhen! (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt zur Debatte, dazu, was wir heute hier beschließen, sehr verehrte Damen und Herren! Wir beschließen hier heute eine Schlechterstellung der Nettozahler in unser Pensionssystem. Nach dem, was Sie heute hier beschließen, werden in Zukunft die Mitglieder der Bundesregierung, wenn sie 65 Jahre alt sind, mit 35, 40 Beitragsjahren abschlagsfrei in Pension gehen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aber, die 47 Jahre lang gehackelt haben, werden mit 62 Jahren mit Abschlägen in Pension gehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das beschließen wir heute hier. Wir gehen heute gegen all jene vor, die schon so viel gegeben haben. Wir gehen heute gegen diejenigen vor, die Nettozahler sind. Wir gehen heute gegen Menschen wie meinen Vater vor, der mit 15 Jahren schon gearbeitet hat, zuerst als Hilfsarbeiter, dann als Mischwagenfahrer, dann als Busfahrer, der 47 Jahre lang eingezahlt hat, der von den 2 400 Euro, von denen Sie sprechen, weit weg ist. Ist er ein Luxuspensionär? Ihm wollen Sie heute die Pension kürzen? Solchen Leuten haben Sie zu viel gegeben, glauben Sie? Sie machen es jetzt gerechter, indem Sie solchen Menschen etwas wegnehmen? – Das ist nicht gerecht, das ist eine Chuzpe, sehr verehrte Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Sie, Herr Bundeskanzler, reden zu Recht von neuer Gerechtigkeit, davon, dass der Arbeitnehmer nicht der Dumme sein darf. Was aber bedeutet diese neue Gerechtig­keit? – Sie bedeutet, dass wir Milliarden für die AUA und Ihre Spenderinnen und Spender, aber keine Millionen für die Arbeiterinnen und Arbeiter in diesem Land haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschlechtergleichstellung bedeutet laut Ihrer Definition anscheinend, dass wir die Männer schlechterstellen. Das ist die neue Gerechtigkeit, von der Sie sprechen. (Zwi­schenruf der Abg. Maurer.) Sie argumentieren in Ihrer neuen Gerechtigkeit, dass niemand etwas zahlen muss für diese Krise – außer die ASVGlerinnen und ASVGler. Das heißt, die ASVGlerinnen und ASVGler, die Fleißigen, all jene Menschen, die dieses System tragen, sind die Melkkühe Ihrer verantwortungslosen Politik geworden. Diese Leute bezahlen für das, was Sie ausgeben. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Sehr geehrter Herr Wöginger! Der ÖAAB hat sich aufgegeben, er hat de facto seit heute keine Existenzberechtigung mehr. Viele Ihrer Jünger tun das ja schon im Untergrund und rufen dazu auf, diese Politik nicht mehr mitzutragen. Und trotz all Ihrer schönen Rhetorik sage ich Ihnen eines: Das wird man sich merken! Die ÖVP war bei einer guten Regelung dabei – und ist jetzt aus politischem Kalkül gegen die wirklichen Leistungs­trägerinnen und Leistungsträger.

Sie, Herr Wöginger, haben am Schluss Ihrer Ausführungen gesagt: Die Anerkennung bekommen sie jetzt mit den 60 Euro. – Da geht es nicht um Anerkennung, da geht es darum, dass die Leute bekommen, was ihnen zusteht, und nicht um irgendeine An­erkennung, von der Sie sprechen! Es geht darum, dass wir ein System schaffen, das wirkliche Leistungsgerechtigkeit herstellt, und das geht sicher nicht, indem wir Men­schen, die 47 Jahre lang Beiträge gezahlt haben, jetzt etwas wegnehmen. Das ist nicht die Gerechtigkeit, von der wir sprechen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Zu den Grünen zum Schluss vielleicht noch eine kurze Anmerkung: Die Waldorfschule reicht nicht als bildungspolitische Expertise für eine Pensionsreform. Das geht sich nicht aus. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Abg. Wurm: Bravo! – Zwischenruf der Abg. Maurer.) Ihnen, angesichts Ihrer gesamten Argumentation heute, Ihnen, Frau Maurer, würde ich nahelegen, dass Sie sich einmal mit jemandem treffen, der wirklich gearbeitet hat, denn die Industriellenexpertin – das sind Sie nicht! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.)

Ich sage Ihnen eines: Das, was heute hier passiert, ist keine Frage des politischen Kön­nens, es ist eine Frage des politischen Wollens, und diesen Willen haben Sie nicht! – Vielen Dank. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei der FPÖ.)

17.34

Präsidentin Doris Bures: Ein zweites Mal zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.