20.50

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Nach den hitzigen innenpolitischen Debatten ist es, finde ich, längst Zeit, über den Tellerrand zu schauen, denn tatsächlich befindet sich die Welt im Umbruch. Ich weiß nicht, ob es in den letzten Jahrzehnten überhaupt einmal einen der­artigen Umbruch gegeben hat, und wir haben tatsächlich auch keine Zeit für Demagogie, sondern brauchen konkrete Lösungen.

Die Klimakrise, Kriege, Flucht, alte und neue Konflikte und eine globale Pandemie erin­nern uns nämlich aktuell daran, wie verwoben, wie vernetzt diese Welt ist und dass wir auch voneinander abhängig sind, national, in Europa, aber auch international. Peru, Bergkarabach, Westsahara, Äthiopien oder Nigeria legen aktuell ein Zeugnis davon ab.

48,4 Prozent der Weltbevölkerung leben in einer Demokratie, 51,6 Prozent nicht. Die Welt ist also überwiegend undemokratisch, und sie ist auch mehrheitlich nicht von Wohl­stand und Frieden für alle geprägt. Dabei ist die Demokratie dort, wo sie herrscht, leider auch keine Selbstverständlichkeit. Seit 2016 sind zum Beispiel die USA als unvoll­ständige Demokratie bezeichnet worden, nicht zuletzt wegen der Unzufriedenheit in der Bevölkerung, des fehlenden Vertrauens in bestehende öffentliche Institutionen, aber auch wegen der Polarisierung, der Spaltung der Gesellschaft. Diese Polarisierung der Gesellschaft, aber auch in der Außenpolitik von Nochpräsident Donald Trump zeigte uns auf erschreckende Weise, wie fragil diese internationalen Beziehungen sind. Die Wahl hat uns kürzlich vor Augen geführt, wie wehrhaft ein Rechtsstaat um diese Demokratie kämpfen muss.

Wir wissen auch, dass die von Ihnen angesprochene Solidarität alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist. Polen und Ungarn blockieren gerade wichtige Hilfen, die auf­grund der Pandemie notwendig wurden, um die Union vor einem Zerfall zu schützen – all das nur deshalb, weil sie die Rechtsstaatlichkeit nicht als oberste Maxime eines demokratischen Staates anerkennen wollen. Ungarn geht sogar noch weiter. Ungarn will die Verfassung ändern, um LGBT-Personen in Zukunft besser diskriminieren zu können, Polen, um die Selbstbestimmungsrechte auszuhebeln.

Und doch: Global gesehen registriert der Demokratieindex eine wachsende politische Beteiligung der Bevölkerung. Protestbewegungen gibt es in den USA, in Hongkong, in Belarus, in Polen, aber auch im Sudan setzt sich die Demokratiebewegung durch.

Diese positiven Trends – eine starke Zivilgesellschaft und die gewachsene Beteiligung von Frauen in der Politik – können uns trotzdem nicht darüber hinwegtäuschen, dass insgesamt nur 20 Länder das Prädikat vollständige Demokratie erhalten.

Menschenrechte werden aktuell nicht nur im Iran und in Saudi-Arabien mit Füßen ge­treten, sondern auch in Europa, auch an unseren Außengrenzen und in den unmensch­lichen Lagern für geflüchtete Menschen dort.

Wir können die Welt nicht retten, aber wir müssen es versuchen, wie es heißt – uner­müdlich und ohne Zweifel, dass es das wert ist, und ja, auch als kleines Österreich, und das nicht nur, damit wir nicht aus dem globalen Gefüge fallen, sondern weil wir wissen, dass wir auch als kleineres Land die Kraft haben, Dinge zu bewegen.

Im Budget wurden so wesentliche Verbesserungen im Bereich der Entwicklungszusam­menarbeit, der humanitären Hilfe und beim Auslandskatastrophenfonds erzielt. Der frei­willige Basisbeitrag an den UNHCR wird langfristig vervierfacht. Wir stärken die Frie­denskompetenz Österreichs durch den zivilen Friedensdienst und die Mediationsfazilität durch Initiativen im Bereich der Abrüstung, beim Verbot autonomer Waffensysteme, durch KlimabotschafterInnen, über die Staatsbürgerschaft für Verfolgte des NS-Regimes und deren Nachkommen. Das sind allesamt wichtige und richtige Erfolge. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Trotzdem macht das Budget für den außenpolitischen Bereich, Herr Kollege Lopatka hat es schon angesprochen, nur 0,6 Prozent des gesamten Budgets aus. Für einen Amts­sitzstaat für internationale Organisationen ist das, sagen wir, bescheiden. Gerade da braucht es, finde ich, keine falsche Scham, wenn wir Österreich weiter und vermehrt als internationalen Player auf der internationalen Bühne stärken wollen, um Frieden für die nächsten Generationen zu sichern, aber auch, wenn wir aus Verantwortung und Ver­pflichtung den Menschen gegenüber das Versprechen abgeben, dass wir für Gleichheit und Gerechtigkeit für alle arbeiten. So illusionär das klingt, das muss das Ziel sein. Die globalen Herausforderungen dürfen dabei kein Hindernis sein, sondern die Suche nach komplexen Lösungen wird nur dann einer komplexen Welt gerecht, wenn wir das zu unserer obersten Maxime erklären.

Alles in allem: Es ist hoffnungslos, die Welt zu verändern, aber es ist verantwortungslos, es nicht zu versuchen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

20.56

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter. – Bitte, Herr Abgeordneter.