20.56

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Dziedzic hat es völlig richtig gesagt: Wir reden über einen sehr kleinen Teil des Budgets, aber in Wirklichkeit reden wir über unser aller Zukunft, und die Kollegin hat auch völlig richtig schon einige der ganz großen Herausforderungen angesprochen. Wir haben es mitbe­kommen: Die Asean-Staaten schließen sich zu einer Freihandelszone zusammen. Ein Drittel der Weltwirtschaft spielt sich dort ab. Wir wissen, was sich in China tut. Das heißt, China hat seine Position da noch einmal verstärkt.

Wir sind mit den großen Herausforderungen der Pandemie, ebenso mit den großen Herausforderungen der Wirtschaftskrise konfrontiert. Wir wissen nicht, was sich in den Vereinigten Staaten tun wird. Also jetzt, da Herr Trump seine Haare wieder auf grau zurückgefärbt hat, können wir doch davon ausgehen, dass er ein bisschen vernünftiger geworden ist. Man muss zu seinen grauen Haaren stehen, und man muss auch zur Demokratie stehen, also gehen wir davon aus, dass er sich rechtzeitig zurückzieht. Wir wissen es nicht. Die Europäer müssen sich aber – Präsident Macron hat es richtig gesagt – schon selber um die eigene Sicherheit kümmern, wir müssen das selber machen. Auch das ist eine wesentliche Herausforderung; ich glaube, die größte Heraus­forderung liegt bei uns in Europa.

Noch etwas wurde völlig richtig angesprochen: Bei dem, was sich Herr Orbán im Moment leistet – und, Herr Bundesminister, ich weiß, wir sind uns völlig einig, es geht um Rechtsstaatlichkeit, es geht darum, dass wir ihn zurückweisen, es geht darum, dass wir in Europa Rechtsstaatlichkeit bewahren –, das, was er sich hier leistet, liegt jenseits dessen, was wir, glaube ich, ertragen dürfen. Vergessen wir nicht: Das war ein Kom­munistenbub. Er war selber ein Kommunist, und jetzt sagt er, die EU entwickle sich in Richtung Sowjetunion. – Ja bitte, bremsen wir ihn angesichts dieser Absurditäten! Er beleidigt ja nicht nur die EU, er beleidigt alle Opfer des Kommunismus und der Sowjetunion, und das ist ungeheuerlich! Wo steht die Europäische Union auf, wo stehen die Verantwortungsträger auf und sagen: Herr Orbán, Sie brauchen ja unser Geld nicht mehr zu nehmen, Sie können sich verabschieden!?

Bei den Polen habe ich den Eindruck, sie zipfeln eher zurück, die Regierungsparteien sind auch durch jüngste Aktionen etwas geschwächt, aber Ungarn ist ungeheuerlich, und ich erwarte wirklich ein sehr klares Statement von Ihnen, Herr Bundesminister, denn letztlich geht es um die Werte, die Europa ausmachen.

Heute habe ich ein besonders wichtiges Buch mitgebracht, von Orlando Figes. (Der Redner hält das Buch „Die Europäer. Drei kosmopolitische Leben und die Entstehung europäischer Kultur“ in die Höhe.) Ich würde wirklich bitten, das zu lesen, im Zuge des Lockdowns ist ja auch viel Zeit. Das Buch ist so faszinierend, weil es zeigt, dass Europa sich immer ein Stück weiterentwickelt hat, und zwar am meisten dann, wenn die Menschen zusammengekommen sind. Es beginnt mit den 1840er-Jahren, als die Eisen­bahn zunächst in Westeuropa ausgebaut wurde, dann auch Richtung Russland, und es erzählt von drei interessanten Menschen, nämlich Pauline Viardot, Turgenew und auch dem Ehemann von Frau Viardot, von einem interessanten Dreiecksverhältnis, aber vor allem von der Erkenntnis: Immer dann, wenn Menschen zusammengekommen sind und sich kulturell ausgetauscht haben, hat sich die Menschheit am schnellsten weiter­ent­wickelt. Und das ist das, was Europa ausmacht.

Auf der anderen Seite müssen wir dort, wo es nicht funktioniert, sagen: Da müssen wir uns wehren. Und wir haben auch im Budgetausschuss zuletzt darüber gesprochen: Was sich in Belarus abspielt, das betrifft auch uns. Wir dürfen nicht zulassen, dass Herr Lukaschenka dort Menschen ermorden lässt. Deswegen bin ich schon der Meinung, dass wir natürlich über Sanktionen sprechen müssen – nicht gegen das Land, nicht gegen die Menschen, aber gegen diejenigen, die diesen Diktator bis jetzt unterstützen. Da gibt es Möglichkeiten – die Magnitski-Jagd, Sie kennen das –, und da bitte ich schon dringend, dass wir darüber noch einmal reden. Ich weiß, Sie waren eher vorsichtig, zurückhaltend, aber ich halte es für ganz wesentlich, dass man auch über Sanktionen spricht, dass man droht. Es gibt ja auch eine internationale Strafgerichtsbarkeit, und Herr Lukaschenka soll wissen, worauf er sich einlässt. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Zum Schluss noch – und ich sage das sehr gerne –: Schöne Grüße und vielen Dank an unsere Diplomatinnen und Diplomaten! Wo immer ich im Ausland reisen durfte, habe ich großartige Menschen kennengelernt. Wir sind ja manchmal kritisch, was gewisse Karrieren im Außenamt betrifft, aber eines habe ich schon festgestellt: Wenn man im Ausland auf diese Österreicherinnen und Österreicher trifft – übrigens auch von den Wirtschaftsdienststellen der Wirtschaftskammer –, spielt Parteipolitik auf einmal gar keine Rolle. Das ist vorbildlich, das könnten wir hier eigentlich auch nachmachen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

21.00

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Bundesminister für Äußeres Schallenberg. – Bitte sehr, Herr Bundesminister.