9.58

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Einleitend, bevor ich über das Thema Pflege spreche, sage ich, ich muss schon leicht schmunzeln. Man sieht einmal mehr, wie unglaublich es die ÖVP innerlich zerreißt angesichts dessen, dass es endlich ein Bundesland gibt, das nicht ÖVP-dominiert und -regiert ist. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.) Es tut wirklich gut, dass in Wien das erste Mal eine sozialliberale Koalition antritt. Dieser Allmachtgedanke sollte irgendwann einmal von der ÖVP hintangestellt werden.

Aber: Ich stehe wiederum nach einem Jahr hier und denke, in der Pflege ist ein Jahr vergangen, ein Jahr lang ist nichts passiert. Auf der einen Seite verstehe ich die Systembremser von der ÖVP, dass sie hier nicht wirklich weitertun wollen, damit sie ihre Pfründe abdecken, ob Hilfswerk oder Sonstiges, aber auf der anderen Seite verstehe ich die Grünen überhaupt nicht, denn es ist das Gebot der Stunde, die Pflege anzugehen. Wir können über Landwirtschaft sprechen, wir können über Bildung sprechen, wir können über viele Bereiche sprechen – das ist Makulatur im Vergleich zu diesen zwei großen Themenkomplexen, nämlich Pflege und Gesundheit.

Wenn man das nicht erkennt, wird man vonseiten der österreichischen Bundesregierung und des österreichischen Parlaments auch niemals eine Strukturierung im Haushalt zusammenbringen.

Damit die Menschen draußen das verstehen: Worum geht es denn im Wesentlichen? Auf der einen Seite haben wir die inhaltliche Struktur – wie wird heute gepflegt –: Neben vielen Menschen, die heute zuschauen, liegt ihre Großmutter oder ihre Mutter, nach der sie stündlich, minütlich schauen, da sie sie, wie 90 Prozent der Menschen, zu Hause versorgen. Wir haben viele, viele Möglichkeiten geschaffen, damit diese Versorgung zu Hause stattfinden kann, weil der Mensch es letztendlich auch verdient, in seiner wohlbekannten Umgebung alt zu werden, versorgt zu werden und in seinem Wohn­bereich abgeschieden zu leben, dort mit seiner Familie sein Auskommen zu haben. Diese Möglichkeiten müssen wir aufbauen. Wir müssen schauen, dass wir stär­ker zu Hause versorgen. Wir müssen schauen, dass wir diese Versorgung gewährleisten.

Das bringt mich zum zweiten Punkt, nämlich dem personellen Ansatz: Wir reden seit drei Jahren über die Versorgung in personeller Hinsicht in diesem Bereich, und der Wöginger sitzt da und wenn es ihm nicht passt, dann schreit er halt hinein und macht alle nieder, aber das bringt er letztendlich nicht zusammen. Wir haben es zigmal vorgeschlagen: Beginnen wir doch mit einer systematisierten Pflegelehre nach dem Schweizer Vorbild und bauen wir diese langsam weiter aus – Abschlüsse als PflegerInnen, Abschlüsse als diplomiertes Personal. Was haben Sie gemacht? – Nichts, weil Sie bremsen wollen!

Sie interessieren sich auch nicht dafür, dass wir die Pflege in irgendeiner Form kon­kretisiert umsetzen, andernfalls hätten Sie vielleicht auch darüber nachgedacht, dass es für das diplomierte Personal eine Entlastung geben könnte, wenn jemand anderer die Verblisterung durchführt, wie es die Schweden seit zehn Jahren und die Deutschen seit 15 Jahren machen. Sie haben dadurch Einsparungseffekte von Millionen über Millionen Euro erzielt, weil die Diplomierten nicht mehr jeden Abend die Schachtel mit den Medikamenten für die alten Menschen in die Hand nehmen müssen. Das alles sind Systemansätze, die Sie einfach außen vor lassen.

Der dritte Punkt ist die Finanzierung: Sie reden über Finanzierung und wissen ganz genau, dass wir Hunderte verschiedene Zahlungsströme haben. Es wäre vielleicht ein kleiner Beitrag, darüber nachzudenken, wie diese Zahlungsströme von Bund, Land und Gemeinden koordiniert werden können. Die Menschen, die – auch aufgrund der Hacklerpension – quasi ihr wohlverdientes Geld verdient haben, brauchen dieses letzt­endlich auch am Ende des Tages und auch in der Pflege. Daher bringen wir folgenden Antrag nochmalig ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bei­behaltung und Adaptierung der abschlagsfreien Pensionen mit 540 Beitragsmonaten für alle Berufsgruppen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, die ‚Hacklerreglung‘ beizube­halten und zu ihrer Verbesserung dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der

die mit 1.1.2020 geltende Regelung grundsätzlich als Basis beibehalten wird [...],

der abschlagsfreie Ruhebezug bei 540 Beitragsmonaten [...] geregelt wird, sowie

die Neuberechnung aller Pensions- und Ruhegenussleistungen mit 1.1.2020, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen [...] ausbezahlt werden.“

*****

Ich hoffe, dass die Verlesung ordnungsgemäß war und der Antrag somit eingebracht ist. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Kollege Ragger, ich ersuche, diesen auch wirklich vorzulesen. Es hilft nichts.

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (fortsetzend): Dann lese ich die long version vor:

„- die mit 1.1.2020 geltende Regelung grundsätzlich als Basis beibehalten wird und in § 236 Abs. 4b ASVG und den analogen Bestimmungen im GSVG und BSVG Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes als Beitragsmonate der Erwerbstätigkeit anerkannt werden,

- der abschlagsfreie Ruhebezug bei 540 Beitragsmonaten analog den Bestimmungen des § 236 Abs. 4b ASVG für Beamtinnen und Beamte sowie für definitiv gestellte Bedienstete der Post und Bahn geregelt wird, sowie

- die Neuberechnung aller Pensions- und Ruhegenussleistungen mit 1.1.2020, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen oder die mit einem Stichtag ab 1.1.2014 und vor 1.1.2020 gewährt wurden und somit Abschläge bis zu 12,6 Prozent trotz 540 Beitrags­monaten aufweisen. Diese Leistungen sollen rückwirkend mit dem 1.1.2020 ohne Ab­schläge ausbezahlt werden.“

10.04

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm, Mag. Christian Ragger, Erwin Angerer, Rosa Ecker 

und weiterer Abgeordneter

betreffend Beibehaltung und Adaptierung der abschlagsfreien Pensionen mit 540 Bei­tragsmonaten für alle Berufsgruppen

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 11: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (449 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­an­schlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021-BFG 2021) samt Anlagen (380 d.B.)-UG 22: Pensionsversicherung in der 62. Sitzung des Nationalrats (XXVII. GP) am 18.November 2020

Mit Beschlussfassung vom 19. September 2019 wurden Pensionsleistungen mit 540 Beitragsmonaten aus Erwerbstätigkeit abschlagsfrei gestellt. Diese Bestimmungen wurden im ASVG, BSVG und GSVG festgeschrieben. Nicht erfasst sind davon Beamte sowie definitiv gestellte Bedienstete der Post und Bahn. Dies ist allein der Tatsache geschuldet, dass die Geschäftsordnung des Nationalrates eine Beschlussfassung für diese Gruppen nicht ermöglichte. Hier ist es daher erforderlich, eine analoge Regelung zu schaffen.

Außerdem sollen jene Jahrgänge, die nach Abschaffung der Langzeitver­sicherten­rege­lung Pensionen mit bis zu 12,6 Prozent Abschlägen trotz 540 Beitragsmonaten zuer­kannt bekamen, mit 1.1.2020 eine Neuberechnung ihrer Pensionsleistung ohne Ab­schläge erhalten.

Die aktuelle Bundesregierung aus ÖVP und Grünen wollen die sogenannte „Hackler­regelung“, d.h. die abschlagsfreie Pension für Langzeitversicherte, einfach abschaffen. Ersetzt werden soll sie durch einen undurchsichtigen „Frühstarterbonus“.

ÖAAB-Arbeiterkammerpräsident Hämmerle aus Vorarlberg, ein enger Parteifreund und ÖAAB-Mitstreiter von ÖVP-Klubobmann August Wöginger, findet klare Worte dazu, wie das Online-Medium vol.at berichtet:

Für AK-Präsident Hämmerle ist der Frühstarterbonus "ein Schlag ins Gesicht jener, die am längsten in die Pensionsversicherung einbezahlt haben". […] "Das ist teurer und belohnt in Wahrheit all jene, die in Frühpension gehen. Wo liegt da der Sinn?", fragt AK-Präsident Hubert Hämmerle. Die Hacklerregelung sei der Regierung Kurz von Beginn an ein Dorn im Auge gewesen. Sie sieht vor, dass Arbeitskräfte nach 45 "echten" Beitragsjahren mit 62 Jahren in Pension gehen können, ohne Abschläge zu erleiden. Das kostet jährlich 30 Millionen Euro. Geld, das ohnedies von den Versicherten selbst eingezahlt wurde, so die AK. Weil Präsenzdienst und Zivildienst nicht angerechnet werden, erreichen nur wenige die Abschlagsfreiheit. "Und die haben sich das – weiß Gott – verdient", betont Hämmerle. […]

"War nicht ein großes Argument gegen die Hacklerregelung ihre angebliche Unfinan­zierbarkeit?", fragt Hämmerle. Jetzt entscheide sich die Bundesregierung für ein deutlich teureres Gießkannenprinzip, das alle belohne, egal, wie viel sie gearbeitet haben. Denn Voraussetzung für den "Frühstarterbonus" sind lediglich 25 Versicherungsjahre, die Auszahlung des Betrags soll unabhängig vom Zeitpunkt des Pensionsantritts ge­sche­hen.

Dass die Regierung mit dem Frühstarterbonus zudem Hackler und Frauen gegen­einander ausspiele, sei besonders perfide, so der Präsident der Arbeiterkammer: "Auch die AK ist der Ansicht, dass Frauen für ihre geleistete Arbeit eine höhere Pension gebührt. Aber Wege gäbe es da viele. Man könnte ja Kinderbetreuungszeiten stärker bewerten", schlägt Hämmerle vor. Denn die niedrigen Frauenpensionen hängen mit den Berufsunterbrechungen durch Familienarbeit und den langen Durchrechnungszeiten zusammen. Die AK zeige das schon lange auf.

Die neue Regelung zeige in den Augen von Hämmerle überdeutlich, wie viel der Regie­rung tatsächlich geleistete Arbeit wert ist: "Sie ist ein glatter Wortbruch und ein Schlag ins Gesicht der wirklichen Hackler."

Quelle: https://www.vol.at/ak-statt-hacklerpension-teure-giesskanne/6809911

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, die „Hacklerreglung“ beizu­be­halten und zu ihrer Verbesserung dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der

•           die mit 1.1.2020 geltende Regelung grundsätzlich als Basis beibehalten wird und in 236 Abs. 4b ASVG und den analogen Bestimmungen im GSVG und BSVG Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes als Beitragsmonate der Erwerbstätigkeit anerkannt werden,

•           der abschlagsfreie Ruhebezug bei 540 Beitragsmonaten analog den Bestim­mungen des § 236 Abs. 4b ASVG für Beamtinnen und Beamte sowie für definitiv gestellte Bedienstete der Post und Bahn geregelt wird, sowie

•           die Neuberechnung aller Pensions- und Ruhegenussleistungen mit 1.1.2020, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen oder die mit einem Stichtag ab 1.1.2014 und vor 1.1.2020 gewährt wurden und somit Abschläge bis zu 12,6 Prozent trotz 540 Beitragsmonaten aufweisen. Diese Leistungen sollen rückwirkend mit dem 1.1.2020 ohne Abschläge ausbezahlt werden.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön. Der Entschließungsantrag ist nun ordnungsgemäß eingebracht worden.

Wenn wir in der Geschäftsordnung eine neue Möglichkeit finden, bin ich sofort bereit, diese Leseübungen zu verkürzen. Ich hoffe, dass das mit dem elektronischen Parlament dann auch möglich sein wird. Der Antrag ist ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Grebien. – Bitte.