14.10
Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, die Fabelwelt, die Kollege Matznetter beschrieben hat, ist von der Realität nicht so weit entfernt, Herr Kollege Haubner. Was erleben wir seit dem Frühjahr, seit Beginn der Krise? Was erleben die Unternehmen seit dem Frühjahr, seit Beginn der Krise?
„Koste es, was es wolle“, hat es geheißen, und: „Wer schnell hilft, hilft doppelt.“ Was aber war die Realität? – Wir erinnern uns zurück: Für Zahlungen aus dem Härtefallfonds haben sich die Unternehmen durch einen Bürokratiewust und -dschungel kämpfen müssen, damit sie dann am Ende 500 Euro bekommen, die auf der anderen Seite wiederum der Steuerberater für die Antragstellung gebraucht hat. Also das war die erste schnelle Hilfe, die die Unternehmer in diesem Land gespürt haben.
Wir haben die Situation, dass Branchen völlig unterschiedlich betroffen sind. Gewissen Branchen geht es gut, die haben bessere Aufträge und sogar ein besseres Jahr als die Jahre zuvor. Andere Branchen aber trifft es schwer, die lässt man leider im Regen stehen, die können nichts dafür, sie sind durch diese Regierung geschlossen worden. Man hat ihnen das Epidemiegesetz als Grundlage für eine entsprechende Entschädigung, die sie gehabt hätten, entzogen, und dann hat man sie als Almosenempfänger abgestempelt. Das ist die Realität, die die Unternehmen in diesem Land leider erleben müssen.
Die Unternehmen haben den Lockdown des Frühjahres überstanden, dann ist es mit der Wirtschaft endlich wieder aufwärtsgegangen, aber es ist leider so, dass diese Regierung über den Sommer alles verschlafen hat – sämtliche Vorbereitungsmaßnahmen, die notwendig gewesen wären, die für die Wirtschaft notwendig gewesen wären, wurden nicht getroffen.
Kollege Matznetter hat das Modell Deutschland angesprochen und völlig richtig gesagt: Man stellt den Betrieben 80 Prozent Kostenersatz zur Verfügung und hat bei dieser Lösung leider wieder sehr viele Unternehmen einfach vergessen. Die ganze Zulieferbranche und viele Dienstleistungsbereiche fallen durch den Rost und bekommen wieder nichts. Das ist jetzt diese 80-Prozent-Unterstützung, wobei 80 Prozent von nichts leider nichts sind, also das hilft ihnen leider überhaupt nicht. Herr Blümel ist seit Monaten nicht in der Lage, mit der EU eine Vereinbarung zu schließen, damit der Fixkostenzuschuss Phase zwei endlich in die Gänge kommt. Also es ist einfach ein Faktum und zeigt, was passiert. Alles andere entspricht nicht der Realität, deshalb wollen wir ihnen mit einem entsprechenden Antrag helfen. Ich bringe daher folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Umsetzung des Fixkostenzuschuss II sowie Ermöglichung eines Umsatzersatzes für alle auch indirekt vom zweiten Lockdown betroffenen Unternehmen“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einerseits umgehend sicherzustellen, dass auch die indirekt betroffenen Zulieferfirmen der aufgrund des zweiten Lockdowns geschlossenen Betriebe einen Umsatzersatz erhalten, und andererseits den Fixkostenzuschuss II unmittelbar umzusetzen.“
*****
Ich ersuche um Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)
14.13
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
des Abgeordneten Erwin Angerer
und weiterer Abgeordneter
betreffend dringende Umsetzung des Fixkostenzuschuss II sowie Ermöglichung eines Umsatzersatzes für alle auch indirekt vom zweiten Lockdown betroffenen Unternehmen
eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 11, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.), Untergliederung UG 40 – Wirtschaft, in der 62. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 18. November 2020
In den letzten Monaten mussten sich viele Betriebe und Unternehmen in Folge von COVID-19 und des verordneten Lockdowns massiv verschulden und befinden sich nach wie vor, wenn auch mit branchenabhängigen Unterschieden, in einer wirtschaftlich äußerst schwierigen Lage. Die WKO-Bundessparte Gewerbe und Handwerk geht in der „Presse“ vom 8. September 2020 davon aus, dass die rund 230.000 Unternehmen in Gewerbe und Handwerk bis Jahresende einen Umsatzverlust von mindestens 11 Mrd. Euro hinnehmen werden müssen. Besonders hart trifft es Betriebe im Kreativ- und Designbereich wie die Eventbranche bzw. Unternehmen im Gesundheits- und Wellnesssektor.
Stark in Mitleidenschaft gezogen wurde auch die Reisebürobranche, die für das Jahr 2020 mit einem Umsatzrückgang rund um die 80 Prozent rechnen müsse, so Gregor Kadanka, Obmann des Fachverbandes Reisebüros in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) im Ö1-Journal am 25. August 2020.
Äußerst prekär ist darüber hinaus auch die Situation im Gastronomie- und Tourismusbereich: „Wir werden in vielen Unternehmen als Konsequenz der Krise mehr Schulden bei geringeren Umsätzen und Erträgen haben - das ist sicher kein Erfolgsmodell“, bringt ÖHT-Generaldirektor Wolfgang Kleemann die Lage im Tourismus auf den Punkt.
„Im Herbst drohe eine Pleitewelle, weil die Klein- und Mittelunternehmen in Österreich im Schnitt eine zu geringe Eigenkapitalausstattung hätten und weil dann diverse Stundungen aus der Coronazeit, etwa für Finanz- und Sozialabgaben, auslaufen, sagte vor wenigen Tagen der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), Christoph Badelt.“ Oberösterreichische Nachrichten, 18. Juli 2020.
Laut Budgetbericht liegen dem Budget 2021 – noch ohne Miteinbeziehung des mittlerweile „verordneten“ Lockdowns - folgende Daten zugrunde:
„Im Jahr 2020 ist die wirtschaftliche Entwicklung in Österreich sehr stark von der weltweiten COVID-19 Pandemie gekennzeichnet. Nationale wie auch internationale Maßnahmen zur Eindämmung dieser Pandemie und die damit verbundene Konsumzurückhaltung haben eine tiefe globale Rezession ausgelöst.
Der starke Rückgang des Welthandels, Handelskonflikte, Unterbrechungen bei Lieferketten und Maßnahmen zur Reduktion der Mobilität prägen die externen Rahmenbedingungen für die österreichische Konjunktur. Die Unsicherheiten über die Dauer des wirtschaftlichen Einbruches sind hoch und insgesamt betrachtet dominieren die Abwärtsrisiken für die Wirtschaft.
Für das Jahr 2020 prognostiziert das WIFO einen BIP-Rückgang von -6,8%. Das erwartete reale BIP-Wachstum für 2021 beträgt 4,4%. Damit wird das reale BIP Ende 2021 voraussichtlich immer noch niedriger sein als Ende 2019.
Der starke wirtschaftliche Einbruch bei Österreichs Handelspartnern schlägt sich auch in der Entwicklung der heimischen Exportmärkte nieder. Das WIFO rechnet mit einem Rückgang heimischer Exporte in der Höhe von 12,4%.“
Wie drastisch die Auswirkungen eines zweiten Lockdowns für die Wirtschaft in Österreich wären, haben IHS und WIFO nämlich kürzlich dargelegt, die einen neuen Lockdown mit folgender Begründung als argen Schlag bezeichnen!
„Ein neuerlicher Lockdown in diesem Herbst könnte die BIP-Raten - laut Wifo heuer minus 6,8 Prozent, 2021 plus 4,4 Prozent - um 2,5 bis 4,0 Prozentpunkte senken, warnte das Wirtschaftsforschungsinstitut am Freitag. (…) Im zweiten Quartal war der Tiefpunkt der Rezession erreicht, danach zog die wirtschaftliche Aktivität wieder kräftig an. Ein neuerlicher Lockdown freilich könnte die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal auf das Niveau des zweiten Quartals herunterdrücken und im gesamten Prognosezeitraum einen Wertschöpfungsverlust von 4,5 Prozent bewirken, warnt das Wifo.“ APA0140 Fr, 09.Okt 2020
Wir haben die Bundesregierung bereits vor einigen Wochen mit einem Antrag dazu aufgefordert, vor dem Hintergrund dieser dramatischen Auswirkungen eines zweiten Lockdowns, umgehend öffentlich einen zweiten Lockdown in Österreich auszuschließen.
In eben diese Kerbe schlug auch die Wirtschaftskammer, wenn Präsident Mahrer und Generalsekretär Kopf in diesem Zusammenhang in einer Aussendung vom 9. Oktober 2020 „wirtschaftspolitische Vernunft“ und die Verhinderung eines neuerlichen Lockdowns einforderten:
„Viele österreichische Betriebe werden weiterhin mit der größten Wirtschaftskrise der vergangenen Jahrzehnte ringen. Ein zweiter Lockdown ist undenkbar und daher unter allen Umständen zu vermeiden. Umso notwendiger ist jetzt, dass alle Beteiligten gemäß der wirtschaftspolitische Vernunft agieren, tragfähige Lösungen mittragen und positive Signale im Sinne der Betriebe und ihrer Beschäftigten aussenden“, betonen Mahrer und Kopf. (OTS0141 Fr, 09.Okt 2020)
Mit Wirksamkeit vom 03.11.2020 ist nunmehr der zweite Lock-Down in Kraft getreten, dem auch die WKO ganz offensichtlich zugestimmt hat.
Die entsprechenden Auswirkungen dieses zweiten Lockdowns beurteilt bzw. beziffert das WIFO in einer Aussendung vom 5. November 2020 wie folgt:
„Der wegen der Corona-Pandemie seit Dienstag geltende zweite Lockdown in Österreich wird die heimische Wirtschaft heuer und nächstes Jahr stärker in Mitleidenschaft ziehen als bisher angenommen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) geht für 2020 nun von 7,7 Prozent BIP-Einbruch aus statt der noch im Oktober angenommenen 6,8 Prozent Minus. Und 2021 dürfte die Wirtschaft nur um 2,8 statt 4,4 Prozent wachsen.
0,6 Prozentpunkte dieses zusätzlichen Einbruchs im heurigen Jahr seien auf den Bereich Beherbergung und Gastronomie zurückzuführen, der Rest vor allem auf (freiwilligen) Konsumverzicht in anderen Bereichen, erklärte das Wifo am Donnerstag in einem Update zu seiner Herbstprognose und seiner jüngsten Mittelfristprognose.
APA0170 / 05.Nov 2020
Als finanziellen Ausgleich für jene Unternehmen, die vom zweiten Lockdown betroffen sind, wurde ein 80 %iger Umsatzersatz des Umsatzes des Vorjahresmonats versprochen.
Völlig unverständlich ist in diesem Zusammenhang aber, dass man mit der gegenständlichen Regelung hier auf eine große Zahl an massiv betroffenen Unternehmen „vergessen“ hat, was auch bereits Herrn WKO-Präsidenten Mahrer am 6. November auf den Plan rief, der – wenig glaubwürdig – zumal die WKO mit Sicherheit in die diesbezüglichen Entscheidungen eingebunden war folgende Forderung erhob:
Die Umsatzentschädigung, die heute präsentiert wurde, ist eine Erste-Hilfe-Maßnahme für unmittelbar betroffene Betriebe in dieser Ausnahmesituation“, sagt Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
Wesentlich ist, dass auch von der Schließung teilbetroffene Mischbetriebe und in einer zweiten Welle dann auch die indirekt betroffenen Zulieferfirmen der geschlossenen Betriebe gleichwertig entschädigt werden. „Das ist eine Frage der Fairness, hat eine stabilisierende Wirkung auf die Gesamtwirtschaft und sichert tausende Arbeitsplätze“, so Karlheinz Kopf, Generalsekretär der WKÖ. (…)„Wir haben mehrfach betont, dass nicht nur die direkt vom Lockdown betroffenen Branchen eine Perspektive brauchen, sondern auch jene, die indirekt betroffen sind. Diese Perspektive müssen wir den Betrieben rasch geben“, betont Mahrer.
Die zweite seit Monaten offene Baustelle, auf der offensichtlich mehr planlos als zielgerichtet am Rücken der Unternehmer zwischen Finanzminister Blümel und der Europäischen Kommission gestritten wird, ist der Fixkostenzuschuss II, der aufgrund einer EU-rechtlich fehlerhaften Begründung für die Notifizierung noch immer nicht umgesetzt wurde.
Diese fehlerhafte Begründung hat den Vertreter der EU-Kommission Martin Selmayr zur Aussage bewogen, dass „es besser sei, wenn man es vorher so schreibt, dass es richtig ist“.
Auch in diesem Zusammenhang meldete sich Harald Mahrer gegenüber der Tiroler Tageszeitung am 1. Oktober 2020 zu Wort und mahnte eine schnellstmögliche Umsetzung der Verlängerung des Fixkostenzuschusses ein, „da sonst viele Betriebe zusperren müssten und er absolut kein Verständnis für Diskussionen auf dem Rücken der österreichischen Betriebe habe.“
Der verordnete Lockdown von Gastronomie, Hotellerie, Event- und Veranstaltungs-branche treffe aber auch indirekt viele Betriebe hart, beklagte die Obfrau der WKÖ-Sparte Gewerbe und Handwerk, Renate Scheichelbauer-Schuster. Viele Zulieferer und Dienstleister für die direkt betroffenen Branchen müssten zwar nicht selbst zusperren, ihr Geschäft komme im November aber de facto zum Erliegen und die Umsatzausfälle seien "dramatisch und bisweilen existenzgefährdend". "Ich denke hier zum Beispiel speziell an Textilreiniger, Gebäudereiniger, Bäckereien oder Fleischereibetriebe, aber auch an die Veranstaltungstechniker und die Musikinstrumentenhersteller", sagt Scheichelbauer-Schuster. Auch für sie müsse es gleichwertige Entschädigungen geben. Massiv betroffen seien auch Dienstleister wie Friseure, Fußpfleger, Kosmetiker oder Masseure und viele andere Branchen. "Hier braucht es adäquate Hilfe, noch im November", so die Spartenobfrau. "Der Fixkostenzuschuss II muss endlich fließen."
APA0345 / 06. Nov 2020
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einerseits umgehend sicherzustellen, dass auch die indirekt betroffenen Zulieferfirmen der aufgrund des zweiten Lockdowns geschlossenen Betriebe einen Umsatzersatz erhalten, und andererseits den Fixkostenzuschuss II unmittelbar umzusetzen.“
*****
Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.
Zu Wort gelangt nun Mag. Dr. Jakob Schwarz. – Bitte, Herr Abgeordneter.