9.28

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Wir reden noch immer vom Gewaltschutz. Wir reden immer noch davon, dass man Frauen nicht mehr so leicht „eine auflegen“ kann, auch wenn das der eine oder andere Nationalratspräsident a. D. gerne machen würde.

Wir reden noch immer von der Zeitverwendungsstudie, damit endlich transparenter und vergleichbarer wird, wovon wir überhaupt reden, wenn wir von Arbeitsteilung im Haus­halt, von Geschlechtergerechtigkeit im Alltag reden, und wir reden von Beratungs- und Betreuungseinrichtungen.

Wir reden und reden und reden, dabei sollte das ja eigentlich alles selbstverständlich sein. Wir sollten nicht als Folge von zu wenig Tatkraft eine Budgeterhöhung bejubeln müssen. Ganz im Gegenteil, das sind Maßnahmen, die eigentlich nicht mehr der Rede wert sein sollten. So ist es aber leider nicht. In Wahrheit brauchen wir diese 20-prozen­tige Budgeterhöhung, um überhaupt ein Minimum abdecken zu können, und das ist ja eigentlich traurig. Es geht da um Erste Hilfe – darum, die gröbsten Probleme zu lösen.

Es geht nicht um zukunftsorientierte Politik, und vor allem geht es nicht um Frauenpolitik, denn Hand aufs Herz: Was von diesen Posten hat überhaupt etwas in einem Frauen­budget verloren? Warum geht es zulasten eines Frauenbudgets, wenn Männer ein Problem mit Gewalt haben? Warum muss es das Frauenbudget belasten, wenn in der Zeitverwendungsstudie erhoben wird, womit Männer und Frauen ihre Zeit verbringen? (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.) Frauenpolitik, die Frauen fördert, die mit Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen von Frauen aufräumt, sieht anders aus.

In Ihrem Budget finde ich auch nichts zum Genderpaygap. Bis letztes Jahr gab es dafür zumindest Zielwerte, genauso wie für den Anteil von Frauen in Teilzeitbeschäftigung – die sind verschwunden. Ich sehe auch keine Maßnahmen, um die Altersarmut von Frauen zu bekämpfen oder ihre finanzielle Unabhängigkeit sicherzustellen.

Ich traue mich ja schon gar nicht mehr, in diesem Budget nach etwas Coronarelevantem zu suchen, dafür gibt es nämlich auch keinerlei Strategie. Wir alle wissen: Die großen Verliererinnen dieser Krise sind die Frauen, weil sie es sind, die sich zwischen Home­office und Homeschooling abstrudeln, die zwischen Job und Kinder- und Alten­betreuung aufgerieben werden, die tagtäglich unbezahlte Arbeit leisten, die zehn Jahre nach der Geburt ihres ersten Kindes im Schnitt 45 Prozent weniger als im Jahr vor der Geburt verdienen. Diesen Dauerbacklash, in dem Frauen seit Beginn der Krise gefangen sind, zeigt auch eine aktuelle Befragung des Jobportals Stepstone. Demnach sagt jede zweite Frau, dass die Coronakrise die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern verschärft und Frauen während des Lockdowns wieder vermehrt in traditionelle Rollen gerutscht sind.

Und so drehen sich diese altbekannten Probleme immer weiter im Kreis. Es gibt über­haupt keinen Ansatz, diese zu lösen, die Spirale dreht sich, und man kann nicht aus­brechen. Die Krise verschärft diese Ungleichheiten weiter. Die unbezahlte Arbeit im Haushalt, bei Homeschooling und anderen Betreuungspflichten bleibt größtenteils an Frauen hängen.

Die WU hat das übrigens auch festgestellt. Dort hat man den ersten Lockdown mit einer Studie begleitet und eine – aufgepasst! – Zeitverwendungsstudie für diese sieben Wochen erstellt. Eines der vielen und wenig erfreulichen Ergebnisse: In einem Paarhaushalt mit Kindern arbeiten die Mütter etwas über 14 Stunden täglich, 9,5 davon unbezahlt, Väter arbeiten knapp 13,75 Stunden, davon nicht ganz 7 Stunden täglich unbezahlt. Männer arbeiten also insgesamt weniger und vor allem deutlich weniger lang unbezahlt – wer rechnen kann, ist klar im Vorteil! Ich kann schon nachvollziehen, dass es für die Hälfte der Menschheit eine bequeme Angelegenheit ist, wenn man weniger arbeitet und dabei mehr verdient, aber wir sollten uns damit nicht zufriedengeben.

Wir NEOS wollen, dass Frauen und Männer selbstbestimmt leben können, dass sie die faire Chance bekommen, ihre Talente zu verfolgen und sich gemäß den eigenen Ideen zu entfalten, dass sie die Chance haben, von eigener Arbeit zu leben und nach eigener Fasson glücklich zu werden.

Was wir nicht wollen, ist eine rückwärtsgewandte Frauenpolitik, die lässig mit den Achseln zuckt und Richtung Herd deutet, weil sie glaubt, das ist ein angemessener Platz für Frauen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Kucher.)

9.32

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Raab. – Bitte.