16.00
Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kommen hier jetzt in die Schlussphase der Beratungen über das Budget; es gibt ein paar Fragen, die unbeantwortet sind. Die erste Frage ist: Was kostet diese Krise überhaupt? Die Zahlen, die hier bei der Budgetrede vorgelegt wurden, waren ja schon alt, bevor sie verlesen wurden.
In der Zwischenzeit sind ja viele Dinge passiert, von September, wo das Budget von der Regierung verhandelt wurde, bis zur Beschlussfassung heute im November. Da kam es zuerst zu den Reisebeschränkungen, dann kam es zum Lockdown light und jetzt zum vollen Lockdown, den wir ja seit Dienstag haben. Von diesen drei Maßnahmen in der Zwischenzeit sind eigentlich nur die Reisebeschränkungen eingerechnet und budgetiert. Die Folgen des Lockdowns, vor allem des jetzigen Lockdowns, sind zwar vorab von den Wirtschaftsforschern bereits geschätzt worden, aber sie sind im Budget nicht enthalten. Das heißt, wir beschließen hier ein Budget, wovon vor allem die Grünen und die ÖVP wissen, wovon man heute weiß, dass es nicht der Wahrheit entspricht. Wir wissen nämlich bereits heute, dass die Zahlen, die hier beschlossen werden, niemals halten können. Da geht es nicht um kleine Abweichungen, sondern da geht es um viele, viele, viele Milliarden.
Ein Beispiel: Es steht drin, dass die Schuldenquote circa 85 Prozent erreichen wird. Die Wirtschaftsforscher sagen, aufgrund des Lockdowns wird sie wahrscheinlich um bis zu 10 Prozent höher sein. Wir reden also nicht von kleinen Abweichungen, sondern von ganz, ganz großen Abweichungen, die heute bereits bekannt sind. Die müssten eigentlich im Budget drinstehen, das tun sie aber nicht.
Die Frage, was die Krise kostet, ist nicht beantwortet, es sind jedenfalls absolut falsche Zahlen im Budget. Das ist einmal prinzipiell ein Problem. Das mache ich jetzt den Abgeordneten von der ÖVP und von den Grünen nicht zum Vorwurf, das trifft natürlich den Finanzminister, Sie beschließen das Budget aber und damit übernehmen Sie auch einen Teil dieser Verantwortung. Ich würde das an Ihrer Stelle nicht machen.
Wir haben ja bereits angeboten und haben auch einen entsprechenden Antrag eingebracht, dass der Finanzminister Zeit bekommt, damit wir nicht wieder so ein Kuddelmuddel mit fehlenden Nullen und dergleichen wie das letzte Mal haben, sondern dass er zwei, drei, vier Wochen Zeit hat, um die echten Zahlen einzusetzen und dass wir im Dezember rechtzeitig ein Budget beschließen, das auch der Wahrheit entspricht.
Das Zweite, was ich hier noch sagen wollte – weil ich heute öfters gefragt worden bin: Was würdet ihr denn anders machen?, und weil das auch viele Rednerinnen und Redner vor allem der ÖVP gefragt haben: Na was würdet ihr denn anders machen? –, ist: Wir würden nicht alles anders machen, aber vieles besser, und ich gebe Ihnen dafür vier Beispiele, was wir anders machen würden, wobei ich mich wundere, dass Sie das nicht auch machen.
Erstes Beispiel: die Frage des Arbeitsmarkts. Wir wissen, es gibt die höchste Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik, und wir schauen uns einfach an, wie viel Geld zur Verfügung steht, diese Arbeitslosen zu schulen, zu aktivieren und wieder in Beschäftigung zu bringen. Wir sehen aber, es ist weniger Geld pro Arbeitslosem als in der Hochkonjunktur 2016/2017. Das ist etwas, das wir anders machen würden. (Beifall bei der SPÖ.) Bei der höchsten Arbeitslosigkeit würden wir mehr Geld zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ausgeben und nicht weniger. (Abg. Hanger: ... Kurzarbeit!)
Das Zweite ist: Wir wissen alle, dass wir die Inlandsnachfrage stärken müssen, und da vor allem die kleinen und die kleinsten Einkommen. Ein Beispiel dafür sind natürlich Arbeitslose. Die verlieren von heute auf morgen fast die Hälfte ihres Einkommens. Unseren Vorschlag, dass sie nicht 55, sondern 70 Prozent Nettoersatzrate bekommen, haben Sie einfach abgelehnt. Sie haben eine Einmalzahlung gewährt, aber keine dauerhafte Lösung gefunden. Wenn Sie die Inlandsnachfrage stärken wollen, erhöhen Sie die Arbeitslosengelder, dann geht das direkt in die Inlandsnachfrage. Das machen Sie nicht! Das würden wir besser machen. Ich verstehe nicht, wieso Sie es nicht tun.
Das Dritte sind die Investitionen. Da hebe ich wirklich noch einmal die Gemeinden hervor. Sie sind der größte öffentliche Investor, der vor allem in die lokale Wirtschaft, in die Klein- und Mittelbetriebe investiert. Die Gemeinden verlieren durch die Krise 2,5 Milliarden Euro, das heißt, sie haben 2,5 Milliarden Euro weniger zum Investieren. Es gibt das Kommunalinvestitionsgesetz, das sieht aber nur 1 Milliarde Euro vor, das heißt, die Gemeinden verlieren noch immer 1,5 Milliarden Euro. Das würden wir anders machen. Wir würden den Gemeinden das Geld ersetzen, das sie durch die Krise verlieren. Wir machen das bei vielen Betrieben. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir machen das bei vielen Betrieben, aber: Wieso machen wir das nicht bei den Gemeinden? Wieso ersetzen wir den Gemeinden nicht die Einnahmenverluste, die sie durch die Krise haben, damit sie investieren können? Das ist mir unverständlich. Das würden wir auch anders machen.
Das vierte Beispiel ist die Finanzierung der Spitäler. Ein Teil der Finanzierung der Spitäler läuft über das Bundesbudget. Da wird um fast 200 Millionen Euro gekürzt. Es konnte mir noch niemand erklären, wie man auf die Idee kommt, uns Abgeordneten ein Budget vorzulegen, durch das in der größten Pandemie seit über 100 Jahren die Spitäler 200 Millionen Euro weniger kriegen. Das verstehe ich nicht. (Beifall bei der SPÖ.) Ich habe noch keinen Abänderungsantrag gesehen, der das abändert.
Also das sind vier Dinge, die wir machen würden, anders machen würden. Es gibt viel mehr, aber diese vier lege ich jetzt hierher. Es würde mich freuen, wenn Sie zumindest zwei oder drei von ihnen aufnehmen. Wieso Sie nicht schon alle vier umgesetzt haben, verstehe nicht nur ich nicht, sondern verstehen wahrscheinlich auch die meisten Österreicherinnen und Österreicher nicht.
Die letzte Frage ist: Wer bezahlt denn eigentlich diese Krise? – Ich habe den Eindruck, dass Teile der Regierung jetzt so agieren, als ob das Geld abgeschafft worden wäre. Ich habe eine schlechte Nachricht: Es ist nicht abgeschafft. Die Schulden, die wir aufnehmen, halte ich für richtig, um gegenzusteuern, aber: Wer bezahlt am Ende diese Krise?
Alles, was ich bisher vom Finanzminister gehört habe, war, die breite Masse zahlt es, nicht die Konzerne, nicht die Vermögenden, nicht die Milliardäre. Es gibt keinerlei – keinerlei! – Anzeichen in diesem Budget, dass internationale Konzerne, dass Milliardäre und Superreiche einen Beitrag leisten. Wir wissen, dass der Beitrag dieser Gruppen zum Gemeinschaftshaushalt in Österreich ohnehin beschämend gering ist. Das ist etwas, das geändert werden muss, denn die Rechnung wird kommen, und sie wird lang sein. Es kann nicht sein, dass das wieder die breite Masse alleine zahlt, sondern da müssen auch die Vermögenden und internationalen Konzerne ihren Beitrag leisten. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
16.08
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kopf. – Bitte.