11.27

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Ministerin­nen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist noch nie, zumindest soweit ich mich erin­nern kann, so viel von Risikogruppen und Risikogebieten gesprochen worden wie in diesem Jahr. Bei geschlechtsspezifischer Gewalt gehören mehr als 50 Prozent der Bevölkerung zur Risikogruppe, nämlich die Frauen, und die eigenen vier Wände sind das größte Risikogebiet. Wir alle kennen die Zahlen: Unabhängig von Alter, sozialer Stellung und, Herr Kollege Haider, unabhängig von Herkunft und Religion (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen) ist jede dritte Frau in Europa zumindest einmal in ihrem Leben Opfer von physischer oder sexueller Gewalt.

Dennoch haben Länder wie die Türkei oder Polen angekündigt, aus der Istanbul­kon­vention zur Beseitigung von Gewalt an Frauen und Kindern auszusteigen, und das, obwohl es in Polen zum Beispiel nur 591 Frauenhausplätze für gezählte 65 000 Opfer im Jahr gibt, wobei die Dunkelziffer in diesem Fall sicher um einiges höher ist. In Ungarn beispielweise will man den Vertrag bewusst nicht ratifizieren, und in Polen erleben wir, dass Frauen für das Recht auf Abtreibung auf die Straße gehen müssen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Entwicklung in Europa ist sehr besorgnis­erregend, aber für viele dieser Länder auch nicht weiter überraschend. Die österreichische Bundes­regierung muss da ganz klar Position beziehen und für Frauenrechte und Gewaltschutz intervenieren. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. El-Nagashi.)

Es reicht aber auch beim Gewaltschutz nicht, immer nur mit dem Finger auf Vorgänge in anderen Ländern zu verweisen. Österreich hat die Istanbulkonvention unterzeichnet und ratifiziert, und wir waren eines der ersten Länder, die auch überprüft worden sind. Im Grevio-Bericht, das haben wir heute auch schon gehört, sind viele, viele Maßnahmen festgehalten, die notwendig sind, um Gewaltschutz weiter auszubauen. Würden wir alle diese Maßnahmen, die darin angeführt sind, umsetzen, wäre ein Vielfaches des gesamten Frauenbudgets notwendig, nämlich ungefähr 210 Millionen Euro.

Ein Punkt, der im Grevio-Bericht auch erwähnt wird, ist opferschutzorientierte Täter­arbeit. Wir werden morgen – wahrscheinlich kurz vor Mitternacht, denke ich, wenn ich mir die Tagesordnung ansehe – hier die dafür notwendige Gesetzesvorlage auch be­schließen. Darin sind sechs bezahlte Beratungsstunden für die Gewalttäter vorge­sehen – das ist richtig und wichtig. Gleichzeitig merken Opferschutzorganisationen aber schon seit Jahren an, dass sie pro Opfer, sprich pro von Gewalt betroffener Frau, maximal 5 Stunden im Jahr für Beratung zur Verfügung haben. Da darf es zu keinem Ungleichgewicht kommen, und die Gewaltschutzeinrichtungen brauchen auch ent­sprechende finanzielle Mittel, um diese Beratung fortsetzen zu können (Beifall bei der SPÖ), gerade weil, wie wir wissen, diese Gesundheitskrise, diese Coronapandemie, nicht nur europaweit, sondern auch in Österreich zu einer tatsächlichen Gewaltkrise für Frauen geworden ist. Lockdowns und Ausgangsbeschränkungen führen zu häuslicher Gewalt, wir haben das am Anstieg von Betretungsverboten gesehen. Wir haben volle Frauenhäuser, und Gewaltschutzeinrichtungen vermerken, dass es mittlerweile auch zu einem Anstieg bei der telefonischen Beratung gekommen ist.

Ein Ausbruch aus der Gewaltsituation ist vielen Frauen gerade in Zeiten des Lockdowns auch dadurch erschwert oder gar nicht mehr möglich, weil der Gewalttäter in der ge­meinsamen Wohnung ist. Angesichts dieser Situation, sehr geehrte Damen und Herren, ist die Erhöhung des Frauenbudgets ein wichtiger Erfolg – aber das reicht nicht aus.

Wir fordern deshalb ein zusätzliches Gewaltschutzmaßnahmenpaket in Höhe von 5 Millionen Euro. Das ist nur ein kleiner Bruchteil, wenn wir uns anschauen, wie viel Geld in dieser Krise insgesamt bereits aufgewendet worden ist. Wir erinnern uns: „Koste es, was es wolle“ – und dieses Koste-es-was-es-Wolle muss auch für gewaltbetroffene Frauen und gewaltbetroffene Kinder gelten. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Maurer und Rössler.)

Wenn Sie Gewaltschutz ernst nehmen, dann diskutieren Sie in den Ausschüssen auch die Anträge der Opposition, die zu diesem Thema vorgebracht werden! Diskutieren Sie ernsthaft und gehen Sie auf unsere Vorschläge ein, anstatt sie immer nur ins Nirwana zu vertagen! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.32

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte.