9.42

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Herr Präsident! Herr Bundespräsident! Meine Damen und Herren vor den Fernseh­schirmen und via die diversen Livestreamdienste! Geschätzte Abgeordnete! Ich darf mich zunächst dem Dank anschließen: Danke an die Regierung Bierlein und ihre Mit­glieder!

Danke auch an die Verhandlerinnen und Verhandler beider Parteien! Es waren ja nicht nur Tage, es waren auch Nächte im Winterpalais. Man hat dadurch ein Gefühl bekom­men, warum das so heißt: Winterpalais.

Ich danke auch der österreichischen Bevölkerung für die Geduld, zu warten, bis eine neue Regierung zustande gekommen ist. Es waren – wenn ich es richtig gelesen ha­be – genau 100 Tage.

Damit bin ich schon bei den Zahlen: Ich habe gelesen – ich habe nicht nachgerech­net –, das Durchschnittsalter dieser Bundesregierung beträgt circa 45 Jahre. Das ist mithin die jüngste Bundesregierung, die es bis jetzt gegeben hat. (Ruf bei der FPÖ: Ganz toll!) Ich habe gerade geschätzt, Herr Bundeskanzler, dass Sie und ich den glei­chen Beitrag zu diesem Durchschnittsalter geleistet haben, weil wir nämlich jeweils zwölf, 13 Jahre davon entfernt sind. (Heiterkeit und Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Krisper. – Zwischenruf bei der FPÖ.) Die Vorzeichenfrage ist leicht beant­wortet.

Ich darf mein Redekonzept deshalb, weil Sie zuletzt die Regierungsmitglieder der ÖVP vorgestellt haben, umstellen. Ich möchte es auch aus aktuellem Anlass gerne umstel­len und darf als Erstes erwähnen, dass es mich sehr freut, dass Leonore Gewessler das von vielen herbeigesehnte Megaressort übernimmt. (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Ich muss wirklich nachlesen, danke für den Zwischenruf, weil es nämlich wirklich so mega ist, das Klimaschutzressort, das einen sehr, sehr langen Namen hat und ei­gentlich ein Doppelministerium ist. Ich habe die „fünf Ministerien“, die uns in den Me­dien angedichtet wurden, so interpretiert, dass damit gemeint ist, dass es sich da fast um ein Doppelministerium (Abg. Kickl: Dafür ist das Sozialministerium nur ein halbes!) handelt, das gleichsam sparsam mit einer Ministerin arbeitet: das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. – Das hätte ich wirklich nicht so ohne Weiteres zusammengebracht, Sie haben recht, liebe freiheitliche Fraktion.

Ich möchte erwähnen, dass Leonore Gewessler sehr, sehr viel für diese Funktion mit­bringt. Viele wissen ja, dass sie zuletzt Geschäftsführerin von Global 2000 war. Ich denke, es ist in Europa einmalig, dass man von einer Nichtregierungsorganisation die­ses Zuschnitts auf die Regierungsbank wechselt. Das macht uns schon ein bisschen stolz. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Krisper.) Was Sie aber vielleicht nicht wissen, ist, dass sie auch bei mehreren Institutionen auf europäischer Ebene ak­tiv war, unter anderem bei der Green European Foundation.

Rudi Anschober, der noch mehr als ich zur Anhebung des Durchschnittsalters beige­tragen hat (Heiterkeit bei den Grünen), ist auch das längst dienende Regierungsmit­glied hier; er ist seit 16 Jahren Landesregierungsmitglied – davon zwölf Jahre in auf­rechter Koalition mit der ÖVP –, kann also auch die regionale Perspektive einbringen und Elli Köstinger unterstützen. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Oberöster­reich in den einschlägigen Rankings, in denen es darum ging, festzustellen, wo Wirt­schaft, soziale Absicherung und vor allem Umwelt – mit allen Chancen für Arbeitsplät­ze und Wirtschaft – an erster Stelle stehen, lange, lange Zeit ganz oben stand, unge­fähr gleichauf mit Regionen wie Baden-Württemberg – das dient nur dazu, sich zu orientieren. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Jetzt ist er mit seinem breiten Wissen und Engagement – das haben Sie ja alle erfahren – zuständig für Soziales, Gesundheit, Pflege – die wurde schon erwähnt – und Konsumentenschutz.

Ulrike Lunacek ist Staatssekretärin im Ministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport. Sie ist kompetent, erfahren und anerkannt, und zwar weit über Österreichs Grenzen hinaus. Es ist Ihnen vielleicht schon aufgefallen, dass mir die Betonung der europäischen Zusammenhänge immer wichtig ist. Da wird sicher viel gelingen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Last, but not least: Alma Zadić. Es waren lange Verhandlungen, aber einer der be­rührendsten Momente der letzten Tage und Wochen für mich war jener, als ich die El­tern, Vater und Mutter Zadić, bei der Angelobung durch den Bundespräsidenten ken­nenlernen durfte und mir noch einmal ganz kurz die Geschichte der Alma Zadić erzählt wurde. Sie wissen ja, sie ist als Zehnjährige gekommen, geflüchtet aus dem Bosnien­krieg, und in Favoriten aufgewachsen. Ich erspare Ihnen die weitere Biografie. Ich möchte an den Bundespräsidenten anschließen, der angesichts ihrer Ausbildung und ihrer bisherigen Berufserfahrung gefragt hat: Wer, wenn nicht Alma Zadić, soll denn für die Leitung des Justizministeriums qualifiziert sein? Deshalb gibt es meinerseits für Al­ma Zadić eine besondere Begrüßung auf der Regierungsbank. (Anhaltender Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS sowie der Abg. Strache.)

Ich weiß nicht, ob ich hier für alle sprechen kann – das wird mir wahrscheinlich gar nicht immer gelingen; darauf werde ich noch zurückkommen –, mir ist aber schon wich­tig, festzustellen, was Heimat auch sein kann: Möglicherweise ist Heimat auch der Ort, wo die Herzen groß genug sind und die Hirne weit genug denken können, um zu er­kennen, dass das, was da gelungen ist, möglich und sinnvoll ist. Demgemäß bedeutet Heimatliebe auch, dies in einem friedvollen und respektvollen Miteinander zu ermögli­chen (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ), und demgemäß ist es der Versuch der Spaltung unserer Heimat, wenn dies mit Hasskampagnen verunmöglicht werden soll. Ich danke an dieser Stelle allen hier auf der Regierungsbank, auch Ihnen als Abgeord­neten und allen, die außerhalb des Hauses mitgewirkt haben, dem entgegenzutreten, denn: Österreich ist nicht so. Wer seine Heimat liebt, der spaltet sie nicht. (Beifall bei Grünen, ÖVP und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich darf zur europäischen Frage kommen und darauf verweisen, dass der nunmehrige Kollege – und mein besonderer Kollege als Regierungskoordinator – Gernot Blümel hier an diesem Rednerpult vor wenigen Wochen erst anlässlich einer Aktuellen Euro­pastunde auf Francis Fukuyama hingewiesen hat, der 1992 „Das Ende der Geschichte“ kommen gesehen hat – jedenfalls hat er ein Buch geschrieben, dem er diesen Titel ge­geben hat. Wir haben uns schon öfter über die Bedeutung Österreichs in Europa unter­halten und darüber, welches Europabild wir hier – über weite Strecken mit Sicherheit gemeinsam – entwickeln können und dass das im Ergebnis mit Sicherheit eine pro­europäische Regierung ist, aber ich möchte darauf zurückkommen, warum das in der Gegenwart so wichtig ist.

Es war nämlich nicht so, dass das Ende der Geschichte gekommen ist. Fukuyama hatte ja festgehalten, dass das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit dann über allem stehen würde und den Rechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger zunächst vor dem Staat, aber auch entsprechende Schutzrechte für die Bürger erzeugen soll. Das alles sei selbstverständlich und habe sozusagen (in seine Unterlagen schauend) – da steht eh etwas anderes – in einer logischen Zeitachse zu verlaufen; ein bissl Quasi-Hegel’sche Philosophie.

Es war aber anders gekommen, und wir als Grüne haben das sehr stark betont – gar nicht, als wir im Nationalrat waren, sondern in der Wahlbewegung zum Europäischen Parlament hier in Österreich –: dass Dinge, die uns vor Kurzem noch selbstverständ­lich erschienen sind, wesentliche Fundamente Europas und viele Werte, die ja auch Österreich groß gemacht haben, wie Freiheit, Demokratie, ja, auch Menschenwürde und Menschenrechte und vor allem das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, gar nicht mehr so gesichert waren. Selbstverständlich waren nicht mehr viele von ihnen – nicht unmit­telbar in Österreich, aber immer wieder sind Bewegungen aufgetaucht, die zuletzt ge­rade einmal nicht so erfolgreich waren, die sich aus alten Nationalismen genährt ha­ben. Neuer Rechtsextremismus ist entstanden, und ja, ich will auch nicht verhehlen, dass eine terroristische Bedrohung dazugekommen ist, oft auch aus religiös motivier­tem politischen Extremismus.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns auf diese Werte besinnen und an dieser Stelle, wenn Sie so wollen, eine wehrhafte Demokratie im Auge haben, stärken und immer wieder neu begründen. Gerade in Österreich sollte das vor dem Hintergrund unserer Geschichte wichtig sein (Beifall bei Grünen und ÖVP), hier sollten wir immer wieder über unseren Bezug zu falschen Führern und Verführern nachdenken.

Was Österreich und Europa betrifft: So klein können wir gar nicht sein, um hier nicht einen Beitrag zu liefern – gerade mit der Tradition aus der Geschichte nach dem Zwei­ten Weltkrieg. Gerade Österreich kann in Europa und in der Welt einen Beitrag zu mehr Frieden, Vertrauen und Stabilität leisten. Das ist auch unsere Aufgabe, und die­sen Beitrag wollen wir leisten; darauf können Sie sich verlassen.

Europa heißt aber auch, dass wir die Union weiterentwickeln wollen und sollen. Das ist momentan natürlich unter verschiedenen Voraussetzungen betrachtet nicht ganz so einfach. Es gibt da verschiedene Wege und Vorschläge. Wir würden übereinstimmen, dass zumindest in den wesentlichen Bereichen die Union gestärkt werden soll, dass das Subsidiaritätsprinzip, das auch immer wieder, wie ich denke, zu Recht strapaziert wird, eine stärkere Rolle spielen wird. Wir haben aber schon genug damit zu tun, da­rauf zu schauen, dass sich Europa, um selber noch ein Player auf der Welt sein zu können, in den wesentlichen Fragen, in den wichtigen Punkten stärkt. Das hat etwas mit Umweltschutz zu tun, das hat etwas mit Klimaschutz zu tun, das hat etwas mit wirt­schaftlicher Stärke zu tun, aber das hat auch damit zu tun, das Demokratie- und Wohl­standsmodell Europas, das mit Sicherheit immer noch eines der besten der Welt ist, weiterzubringen; und da kann man den Beitrag Österreichs nur entsprechend hoch ein­schätzen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da mag es im Einzelnen im Bereich von 0,1 Prozent der Wirtschaftsleistung vielleicht Differenzen geben, wenn wir darüber nachdenken, was gerade die österreichische Po­sition der Regierung in den Budgetverhandlungen ist. Ich greife dieses Beispiel nur he­raus, weil mich das immer beschäftigt hat, wie das mit den zwei Welten denn ist; die wurden ja heute auch erwähnt. Nun, die österreichische Bundesregierung, die Vorgän­gerregierung, hat ja darauf bestanden und die Verhandlungsposition eingebracht, dass Österreich mit 1 Prozent der Wirtschaftsleistung als Beitrag für die Union verhandelt. Das haben wir dann – ich persönlich jedenfalls – nicht großartig infrage gestellt, um die Position sozusagen nicht auf halber Strecke zu verändern oder aufzuweichen.

Umgekehrt bin ich sehr, sehr optimistisch, dass, wie meistens in der Union – nicht immer, aber in diesem Fall –, am Schluss, nach mühsamen Verhandlungen – ja, wir wissen, welche Kräfte da wirken, 27, 28 Staaten, überall gibt es unterschiedliche Mehr­heiten, unterschiedliche politische Strömungen – doch ein Kompromiss herauskommt, und ich denke, dass in diesem Fall sogar der österreichische Budgetkommissar einen solchen Kompromiss verhandeln wird und dass dieser irgendwo zwischen 1 und 1,14 Prozent liegen wird. Im Übrigen ist das ja nur legitimierbar, wenn auf europäischer Ebene mehr Aufgaben wahrgenommen werden, dann müssten wir in Österreich natür­lich danach trachten, dass wir die Ausgaben in ähnlichem Ausmaß reduzieren – wenn es denn so sein sollte.

Mir geht es überhaupt nicht um diese Zahlen, mir geht es um etwas anderes. Ich habe das Beispiel aus einem anderen Grund gewählt: weil es erstens natürlich gerade ak­tuell ist und weil mich zweitens das mit diesen beiden Welten sehr beschäftigt. Ich kann mich im Wesentlichen den Ausführungen von Kanzler Kurz anschließen, aber ei­ne Sache beschäftigt mich oder uns noch. Unter Weglassung aller Erkenntnis und so­zusagen philosophisch-theoretischen Begriffsklärungen: In Wahrheit gibt es ja nur eine Welt, in der leben alle Menschen, denen sind wir auch verpflichtet, natürlich jenen in Österreich besonders. Was es aber natürlich gibt – und das ist wohl gemeint –, sind mehrere Sichtweisen auf diese Welt, in unserem Fall zwei, die öfter sehr unterschied­lich sind, das wurde ja ausgeführt – Weltanschauungen, im eigentlichen Sinn des Wor­tes.

Ja, es wurde erwähnt, die Österreichische Volkspartei und die Grünen, beide dürfen wir uns zu den Wahlsiegern zählen, und wir haben dann versucht, gemeinsam etwas zustande zu bringen. Das, was hier vorliegt, das Arbeitsübereinkommen, der Regie­rungspakt, wenn Sie so wollen, ist natürlich der Pakt für eine Regierung und einer Re­gierung, aber mit zwei sehr unterschiedlichen Zugängen und Parteien. Insgesamt muss die Abwägung passen, und das hatten wir so befunden, sonst hätten wir nicht un­terzeichnet. Deshalb, glaube ich, ist es auch im Sinn des Gesamtkompromisses ein guter Pakt, und im Einzelnen – ja, es ist so – haben sich die verschiedenen Parteien an unterschiedlichen Stellen jeweils stärker oder weniger stark, wie man so sagt, durch­gesetzt. Es geht aber gar nicht ums Durchsetzen oder darum, wer jetzt gewonnen hat oder nicht, sondern es geht darum, etwas Gemeinsames zustande zu bringen, und wir hoffen zumindest, wenn jemand gewonnen hat, dass das am Schluss die österreichi­sche Bevölkerung sein wird. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir machen das ja auch unter Abwägung der Alternativen. Nehmen Sie es mir bitte hier im Haus nicht übel, dass ich das sage, aber es findet sich in der Präambel sogar ein Hinweis darauf, dass wir versuchen, diese Verantwortung gemeinsam – es heißt ja auch: „Aus Verantwortung für Österreich“ – zu schultern; gemeinsam, weil entweder Parteien gewonnen haben, deren Stärke immer noch nicht für eine Mehrheitsbildung ausreicht, oder hier Parteien für Mehrheiten zur Verfügung stehen würden, bei denen aber zunächst einmal die Fähigkeit für ein Annehmen dieser gemeinsamen Herausfor­derung deshalb infrage gestellt wurde, weil parteiintern immer noch einiges zu klären war. Deshalb versuchen wir, anzupacken und unser Bestes zu geben.

Wenn wir bei Europa bleiben – damit wir hier inhaltlich die wichtigsten Dinge auch von grüner Seite ansprechen –, dann ist es so, dass wir als österreichische Bundesregie­rung im Bereich der Wirtschaft und des Umweltschutzes besonders innerhalb Europas voranschreiten wollen. Das betrifft zum Beispiel auch die Ebene der Steuern. Da gibt es große Gemeinsamkeiten, und dazu finden Sie im Regierungsübereinkommen An­sätze, die in diesem Bereich die Tradition Österreichs fortsetzen wollen, etwa bei dem weiteren Kampf für die Finanztransaktionssteuer. Dieser hat ja in Österreich fast über alle Parteigrenzen hinweg immer eine besondere Bedeutung gehabt. Die Bekämpfung des Steuerbetrugs ist hier nicht nur prominent genannt, sondern Sie dürfen sich darauf verlassen, dass wir ehrlich dafür kämpfen wollen, weil da nämlich auf europäischer Ebene natürlich wesentlich mehr weitergeht.

Wir stimmen auch völlig darin überein, dass Mercosur in der bestehenden Form – und das würde wohl auch bei zarten Modifikationen immer noch genauso gelten – schlicht abzulehnen ist. Ich sage für die Feinspitze unter Ihnen auch, dass keine Nebenabspra­che bezüglich irgendwelcher Veränderungen beim Nichtraucherinnenschutz und Nicht­raucherschutz besteht. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.) Also nein zu Mercosur, aber das aus einer höheren Einsicht heraus: Wenn Sie die Passagen zu den Handels­verträgen lesen, werden Sie erkennen, dass es darin immer wieder um soziale und vor allem eben um ökologische Standards geht.

Die ÖVP hat im Wahlkampf schon ganz stark die Frage der Klimaschutzzölle einge­bracht. Ich halte das Konzept, wenn uns in Europa nichts anderes übrig bleibt, für rich­tig und wichtig und geradezu bahnbrechend. Wenn wir es nämlich auf diesem Kon­tinent schaffen – durch viele Umsteuerungsmaßnahmen auch im wirtschaftlichen, fi­nanziellen und steuerlichen Bereich –, betreffend Klimaschutz sehr viel zustande zu bringen, dann darf das nicht auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit und damit des Wohl­stands in Europa gehen, muss also welthandelsorganisationskonform sein, und das zu­stande zu bringen erscheint uns möglich, und wir werden dafür werben – wir haben uns das vorgenommen, für diese Klimaschutzzölle einzutreten –, damit Europa seine führende Rolle im Bereich des Klimaschutzes weiter wahrnehmen kann, und dies noch stärker als bisher. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Nichtsdestotrotz haben wir auch die nationalen Spielräume vermessen, denn wir sind natürlich in erster Linie für Österreich zuständig und der Bevölkerung hier – ja, natürlich auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, der Wirtschaft – verantwortlich. Des­halb muss man ganz genau schauen, was die nationalen Spielräume im Klimaschutz sind, denn selber schaden sollen wir uns zum Schluss ja nicht. Da gibt es aber einige Möglichkeiten, und es wurde schon erwähnt – ich sage es deshalb, weil es diesbezüg­lich schon sehr viele Missverständnisse in der Öffentlichkeit gab –, dass wir den Ein­stieg in den Umstieg schaffen wollen, gerade auch über den Umbau des Steuer- und Abgabensystems.

Schon bei der ersten Etappe – wohl mit 1.1.2021, wo es auch um Entlastungen gerade der Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer, Angestellten im unteren Einkommensbereich geht – soll es auch gelingen, dass wir bei der Pkw-Flotte etwas weiterbringen. Was soll das heißen? – Abgasfreie Autos, abgasarme Autos sollen relativ billiger und, wenn Sie so wollen, die großen Stinker, die viel Diesel verbrauchen und entsprechend CO2 aus­stoßen, relativ teurer werden. Das Gleiche gilt bei den Flügen, auch dort soll es zu­sätzlich gelingen, zu erreichen, dass etwa die Dumpingpreiskalkulationen, die es auf diesem Sektor gibt, in dieser Form nicht mehr zulässig sind, weil das ja auch ökono­misch, unter anderem für die AUA, schädlich ist.

Bei dieser Gelegenheit gibt es aber natürlich große ökologische Lenkungswirkungen. Wir werden ja zukünftig danach trachten, den öffentlichen Verkehr wesentlich billiger zu machen und auch das Angebot auszubauen. Sie sehen also, das bleibt alles in Balance. So wird etwa die Pendlerpauschale auch schon mit 1.1.2021, so hoffen wir, durch die Reform ökologisch und sozialer. Und so könnte man das fortsetzen. Der Transitverkehr soll mittels verschiedener Maßnahmen zurückgedrängt werden; auch das wird in diesem ersten Paket enthalten sein.

Wesentlich ist mir aber der Hinweis auf den zweiten Schritt dieser ökologischen Steu­erreform oder der CO2-Bepreisung – und dieses „oder“ ist genau der Grund, warum wir eine Taskforce einsetzen: weil wir diesbezüglich das beste Modell finden wollen. Sie können aber gewiss sein – lesen Sie es nach!; bei der Leseempfehlung darf ich mir die Bemerkung erlauben, dass unbedingt Wert auf sinnerfassendes Lesen zu legen ist, denn im Regierungsprogramm ist es ausdrücklich festgehalten –: Der zweite Schritt er­folgt im Jahr 2022. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Betreffend Klimaschutz bleibt mir nur mehr anzumerken – Leonore Gewessler wird es noch ausführen –, dass wir von der Erkenntnis geleitet sind – so steht es auch drinnen, Sie kennen das, diese bahnbrechende Aussage findet sich nur noch in keinem Re­gierungsprogramm dieser Welt, denke ich –, dass wir hier und jetzt die erste Genera­tion sind, die die Auswirkungen dieser drohenden Klimakrise schon spürt, aber wohl die letzte, die noch maßgeblich etwas dagegen tun kann. Deshalb haben wir uns da­rauf verständigt, dass Österreich in der Europäischen Union tatsächlich Vorreiter wird und deshalb 2040 klimaneutral sein soll. Das ist sehr, sehr mutig, das ist wirklich am­bitioniert, mehr geht fast nicht. – Vielen Dank dafür. Ich weiß, dass das umgekehrt auch nicht immer allen gleich leichtfällt. Das ist ein großes Rad, das wir hier drehen wollen, danke dafür. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ja, und deshalb sind auch die Maßnahmen ambitioniert. Um die Finanzierung werden wir uns natürlich kümmern müssen. Es wurde schon angesprochen, dass wir ausge­glichene Haushalte über den Konjunkturzyklus anstreben, aber diese Investitionen soll­ten exakt nach diesem Regierungsübereinkommen ebenfalls gesichert sein, da sollte man sich nicht allzu viele Sorgen machen.

Ansonsten nur stichwortartig was mir, was der grünen Fraktion, was der Regierung ins­gesamt wohl auch sehr, sehr wichtig ist, etwa im Sicherheitsbereich: Die Polizei wird mit diesen Kapiteln wesentlich bürgernäher, sie wird aber auch gestärkt und verstärkt. Das ist im gemeinsamen Interesse.

Wir haben im sozialen Bereich den angesprochenen Pflegeschwerpunkt, aber es geht auch um die Bekämpfung der Not, muss man schon sagen, an Landärztinnen und Landärzten mit verschiedenen Maßnahmen. Es geht in weiterer Folge im gesamten Sozialbereich auch – es ist mir wichtig, das festzuhalten – um einen neuen oder wieder aufzunehmenden oder, sagen wir einmal so, verstärkten Dialog mit den Sozialpartnern. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es wurde auch erwähnt, dass ein Schwerpunkt ausdrücklich – das wurde schon in der Präambel mit vorgegeben – auf den sozialen Zusammenhalt, die Sicherung des Sozial­staates und auf die Armutsbekämpfung gelegt wird. Wo finden Sie das? – Etwa dort, wo es darum geht, dass kollektivvertragliche Möglichkeiten für jene, für die es noch gar nichts Entsprechendes gibt, geschaffen werden. Dabei geht es sehr stark um Mindest­löhne – speziell Frauen sind davon betroffen – in verschiedenen Branchen. Das hat es bis jetzt in dieser Form noch nicht gegeben. Oder denken Sie an den Lückenschluss im Unterhaltsrecht – das betrifft die Kinder, das betrifft die Frauen –: Wir hatten dazu im Wahlkampf 2017 viele gemeinsame Vorhaben, jetzt geht es daran, das mit dieser Bun­desregierung umzusetzen. – Danke für diesen Konsens. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Auch was das Budget im Bereich des Frauenministeriums betrifft, wird es wesentliche Verbesserungen geben. Damit kann etwa ein deutlicher Ausbau der Plätze in den Frauenhäusern finanziert werden.

In Bereich Bildung nehmen wir uns vor, gerade was den vorschulischen Bereich, also die Kleinsten betrifft, dass die Kinderbetreuungsplätze massiv ausgebaut werden und dass wir in der Schule unterstützen. Die Schulsozialarbeit soll wieder gestärkt werden, insbesondere mit dem entsprechenden Unterstützungspersonal. Das Pilotprojekt 100 Schulen ist sowohl ein wesentlicher Beitrag zu mehr Chancengleichheit als auch ein Beitrag zur Integration.

Apropos Integration – auch da lese ich das Programm so –: Früher hätte man das wahrscheinlich so übersetzt: Okay, tatsächlich Integration oder mehr Integration vor Zuwanderung! – So wie das Programm angelegt ist, denke ich, trifft das Zweitere si­cher auch im Bereich Asyl und Migration zu, aber was die Integration betrifft, gibt es sehr, sehr ambitionierte gemeinsame Vorhaben. (Die Abgeordneten Belakowitsch und Hofer: Welche?) Was die Migration betrifft – das wurde angesprochen –: Fluchtursa­chen bekämpfen und insbesondere die Hilfe vor Ort ausbauen – Sie finden das explizit unter den Titeln bilaterale humanitäre Hilfe –, und der Auslandskatastrophenfonds soll entsprechend ausgebaut werden. (Ruf bei der FPÖ: Wie viel?)

Was die Arbeitsmigration betrifft, gibt es hier einmal ein deutlicheres Bekenntnis dazu. Ich hoffe doch, dass wir die Debatte an dieser Stelle ein bisschen entspannen können, weil das ja – zumindest so schlau sollte man sein – zum Vorteil für mehrere Seiten ist, dass man da nicht aus Bestemm und irgendwelchen ideologischen Verblendungen dann noch dagegen krakeelt. Das hilft Österreich, das hilft den Betroffenen, die Arbeit suchen, und das sollte uns das wert sein. Wir hoffen auch, dass sich auf diese Art und Weise der Diskurs entsprechend mitverändert.

Dazu ein Letztes: politische Kultur. Ja, wir wollen das größte Transparenzpaket der letzten Jahrzehnte auf die Reise bringen. Es gibt ja auch genug Anlässe dazu in die­sem Land, andernfalls hätten wir ja gar keine neue Regierung gebraucht. Der Rech­nungshof wird massiv mehr Kompetenzen bekommen – in jeder Hinsicht, nämlich nicht nur, was die Parteien betrifft, sondern auch, was die staatsnahen Betriebe betrifft. Dort darf er dann bei jenen mit über 25 Prozent Staatsanteil prüfen. Das wird tolle Auswir­kungen haben, was Transparenz in der Postenbestellung et cetera betrifft. Wir kennen die Anlassfälle. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Offensive für die Informationsfreiheit ist schon etwas, was man sich schon lange vornimmt – da weht noch eine gewisse Metternich’sche Tradition. Wir wollen das natür­lich völlig modernisieren. Ich hoffe, wir können das gemeinsam einlösen. Wir werden ja nicht alles allein beschließen können – hie und da werden wir eine Zweidrittelmehrheit suchen und, wie ich hoffe, auch finden.

Ich komme damit genau zu dem Punkt: Ich beziehungsweise wir hier von der Regie­rungsbank halten Ihnen, den Abgeordneten, die Hand ausgestreckt entgegen. Für die Grünen ist das ein bisschen neu. Ich habe da immer noch eine Aussage von Andreas Khol im Ohr – das haben ja viele immer so gesagt, aber von ihm speziell habe ich diese Aussage im Ohr –: Der Standort bestimmt den Standpunkt. – Wir werden uns aber trotzdem sehr bemühen, was die Zusammenarbeit und die Möglichkeiten hier im Parlament betrifft. Mit Sicherheit, ich habe es ja schon erwähnt, sind die einen oder anderen Gesetze dabei, bei denen wir sehr gerne – und ich hoffe, rasch, so wie beim Transparenzpaket – auf Sie zugehen werden. (Abg. Kickl: Sicherungshaft! Das brin­gen wir hin!)

Nehmen Sie das abschließend noch einmal als Angebot mit: Wir strecken unsere Hand aus, auf eine gute Zusammenarbeit auch hier im Hohen Haus! – Vielen Dank. (Anhal­tender Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.13

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für seine Aus­führungen.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Klubobfrau Rendi-Wagner. Ich darf ihr das Wort erteilen.