14.44

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt viel Positives in diesem Regierungsprogramm, zum Beispiel das 1‑2‑3‑Klimaticket oder die Senkung der Umsatzsteuer auf Damenhygieneprodukte – beides aus dem SPÖ-Wahlprogramm –, aber auch viele andere Punkte. Ich werde als Budget- und Finanzsprecher natürlich vor allem über die Steuer-, Budget- und Finanz­politik sprechen. Das ist ein angenehmer Teil, denn er ist wahnsinnig faktenbasiert und am Ende geht es um Zahlen.

Mich hat es immer wieder irritiert, als Kanzler Kurz hier gemeint hat: Wir wollen weiter­hin die Steuern senken! Dazu habe ich etwas mitgebracht (eine Tafel, auf der mittels eines Kurvendiagramms die Entwicklung der Steuer- und Abgabenquote der Jah­re 2015 bis 2019 dargestellt wird, auf das Rednerpult stellend): die Entwicklung der Steuer- und Abgabenquote der letzten Jahre. Man sieht, dass unter den SPÖ-Kanzlern die Steuern und Abgaben in Österreich tatsächlich gesunken sind. Kaum ist Kurz Kanz­ler geworden, sind sie gestiegen, und zwar bereits das zweite Jahr hindurch.

Jetzt kann man sagen: Das letzte Jahr war er nur ein halbes Jahr im Amt, das andere halbe Jahr war die Beamtenregierung am Ruder und die sind schuld. Sie aber haben – das muss man ehrlicherweise sagen – weniger ausgegeben und die Steuern gar nicht verändert, im Gegensatz zu dem, was die ÖVP gemacht hat. (Ruf bei der ÖVP: Das waren die Steuereinnahmen!) Die ÖVP hat die Steuern in den letzten zwei Jahren er­höht. Die Steuern sind höher geworden, das muss man einfach sagen. Während sie vorher, als die ÖVP unter Faymann/Mitterlehner und unter Kern/Mitterlehner in der Re­gierung war, tatsächlich gesunken sind, sind sie unter Kurz gestiegen.

Der zweite ganz, ganz wesentliche Punkt, wenn es um Steuern geht, ist, dass wir ein Steuerstrukturproblem haben. (Der Redner stellt eine weitere Tafel, auf der zwei Tor­tendiagramme zu sehen sind, auf das Rednerpult.) Wir sehen hier, wie das Einkom­men in Österreich verteilt wird. Wir sehen, dass circa 60 Prozent des Einkommens die­jenigen bekommen, die für ihr Geld arbeiten, und circa 40 Prozent sogenannte Kapital- und Vermögenseinkommen sind, das heißt, Einkommen von Menschen, die nicht sel­ber arbeiten, sondern für die ihr Geld arbeitet oder die andere für sich arbeiten lassen.

Wenn wir uns anschauen, wer welchen Steuerbeitrag zahlt, wer zu welchem Anteil un­seren gemeinsamen Haushalt, unser gemeinsames Geld finanziert, wer welchen Anteil der Steuern zahlt, sieht man, dass die, die arbeiten gehen, über 80 Prozent der Steu­ern und Abgaben in diesem Land zahlen und dass Kapital- und Vermögen nur einen Beitrag von unter 20 Prozent leistet.

Das war früher schlimmer, ich habe eine alte Tafel mitgebracht (eine Tafel, auf der ebenfalls zwei Tortendiagramme zu sehen sind, in die Höhe haltend), die zeigt, wie es war, bevor wir in die Regierung gekommen sind. Da war das Verhältnis noch schlim­mer. Uns ist es gelungen, dass Kapital und Vermögen um 6 Prozent mehr als in der Zeit, bevor wir in die Regierung gekommen sind, beitragen. Indem Sie eine Reihe von Steuern und Abgaben auf Vermögen und Kapital reduzieren, wird deren Beitrag, deren Tortenstück wieder kleiner werden.

Ich weiß, das wollte die ÖVP immer, das wollte sie auch, als sie mit uns in der Re­gierung war. Bei uns ist das nicht gegangen, es ist aber das, was die Grünen jetzt mit­tragen, nämlich dass Österreich ein Stück weit schlechter gemacht wird, was die Steu­erstruktur betrifft. Diese circa 2 Milliarden Euro, um die Sie den Beitrag von Kapital und Vermögen reduzieren, bekommen nur die Großen.

Kollege Kopf hat vollkommen zu Recht gesagt, es gibt Zehntausende Kapitalgesell­schaften. Die 1,6 Milliarden Euro, die Unternehmen durch die Senkung der Unterneh­mensgewinnsteuer weniger bezahlen, kommen zur Hälfte 300 Unternehmen – das ist nicht einmal 1 Prozent – zugute. 10 Prozent der Firmen, also den größten, kommt 90 Prozent der KÖSt-Senkung zugute. Die restlichen 90 Prozent der Firmen, diese vie­len Klein- und Mittelbetriebe, die Kollege Kopf zu Recht erwähnt hat, bekommen die Brösel, ihnen kommt gerade einmal 10 Prozent dieser Senkung zugute.

Das ist es, was wir als SPÖ anprangern: Es gibt die Steuergeschenke nur für die Großen, nur für die Reichen, nur für die, denen es an und für sich eh gut im Leben geht. Für die breite Masse gibt es maximal noch Brösel. (Beifall bei der SPÖ.)

Da ich auf die Zeit achten muss: Ich hoffe doch, dass Sie betreffend die Frage der Ein­kommensmillionäre noch etwas in Ihrem Regierungsprogramm ändern werden. Es gibt Menschen, die verdienen pro Jahr mehrere Millionen Euro, für sie gibt es eine beson­dere Steuer, eine Art Millionärssteuer auf Millioneneinkommen. Sie wollen diese nun auslaufen lassen. Da geht es um ein paar Hundert Menschen, denen man jedes Jahr 30 Millionen Euro schenken will. Dazu sage ich eines: Vor wenigen Tagen war der sogenannte Fat-Cat-Day. Am vierten Arbeitstag des Jahres – nach vier Arbeitstagen! – haben die Vorstände der großen Unternehmen bereits genau so viel verdient, wie ihre Mitarbeiter im ganzen Jahr verdienen werden, und denen wollen Sie jetzt auch noch 30 Millionen Euro nachwerfen. Bitte überlegen Sie sich das ernsthaft!

Ich bringe deswegen einen Antrag ein – ordentlich, sonst kriege ich wieder eine Rüge ‑:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Steu­ergeschenke für Millioneneinkommen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, im Zuge der angekündigten Steuerreform ab 2021 jedenfalls vorzusehen, dass der Spitzensteuersatz von 55% im Einkommenssteuergesetz auch nach 2020 unbe­fristet bestehen bleibt.“

*****

Wir brauchen keine Politik für Millionäre, wir brauchen eine Politik für Millionen. Dan­ke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.50

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kai Jan Krainer,

Genossinnen und Genossen

betreffend keine Steuergeschenke für Millioneneinkommen

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 1 über Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates an­lässlich des Amtsantrittes der neuen Bundesregierung

Begründung

Österreich hat ein Steuerstrukturproblem. Mehr als 80% der Steuern und Abgaben er­wirtschaften und zahlen ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen (Steuern auf Arbeit und Konsum). Weniger als 20% kommen von Kapital und Vermögen. Die SPÖ hat während ihrer Regierungszeit (2007-2017) laufend Steuern und Abgaben auf Arbeit ge­senkt und im Gegenzug Steuern und Abgaben auf Kapital und Vermögen erhöht. Da­durch wurde das Steuerstrukturproblem verkleinert.

Die neue Bundesregierung von ÖVP und Grüne geht, wie die alte schwarzblaue, einen gegenteiligen Weg. Im Programm werden zwar Steuern und Abgaben auf Arbeit ge­senkt, aber gleichzeitig viel stärker noch die Steuern auf Kapital und Vermögen. Das Steuerstrukturproblem wird also wieder vergrößert. Konzerne und Millioneneinkommen erhalten Steuersenkungen in Milliardenhöhe, sie müssen dafür nichts tun, keine Be­schäftigung schaffen und keine Klimainvestitionen tätigen.

Im Regierungsprogramm wird eine Senkung der Körperschaftsteuer von 25% auf 21% vorgesehen, gleichzeitig bleibt die Befristung des Spitzensteuersatzes für Millionenein­kommen von 55% Spitzensteuersatz unerwähnt. Passiert also nichts, werden Spitzen­verdiener im Jahr 2020 letztmalig 55% Steuer auf Einkommen über 1 Million Euro zah­len. Jemand mit 2 Millionen Euro Jahreseinkommen spart sich durch die Senkung des Spitzensteuersatzes für Einkommensteile über einer Million Euro um 5 % Punkte gan­ze 50.000 Euro im Jahr, BezieherInnen von Durchschnittseinkommen würden im Ver­gleich durch die geplante Tarifreform pro Jahr 500-1.000 Euro weniger Lohnsteuer zahlen. Sogar Schwarzblau wollte diesen Spitzensteuersatz beibehalten.

Statt über einen erhöhten Spitzensteuersatz einen gerechten Anteil der Bestverdiener in Österreich für gesellschafts- und sozialpolitisch wichtige Vorhaben, wie Schulen, Kindergärten oder Pflege einzuheben, werden die Steuern für Millioneneinkommen ge­senkt. Für derartige Steuergeschenke auf Kosten von sozial- und umweltpolitischen Maßnahmen ist kein budgetärer Spielraum vorhanden, insbesondere dann nicht, wenn niedrige und mittlere Einkommen, derartige Steuergeschenke durch eine geringere Senkung ihrer eigenen Lohn- und Einkommensteuer bezahlen müssen.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, im Zuge der angekündigten Steuerreform ab 2021 jedenfalls vorzusehen, dass der Spitzensteuersatz von 55% im Einkommensteuergesetz auch nach 2020 unbefris­tet bestehen bleibt.“

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Tanja Graf. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.