19.55

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Sie kamen jede Nacht in die Zellen und holten die Frauen heraus, die sie wollten. Sie trugen immer Masken, dann brachten sie die Frauen in den sogenannten schwarzen Raum. Dort haben sie sie mit Elektrostäben gefoltert und dann vergewaltigt. Auch mich haben die Männer in mehreren Nächten geholt. Es ist meine unvergessliche Narbe, die mir immer haften bleiben wird.

Einmal haben wir die Gefangenen ins Konzentrationslager gebracht, wo sie Textpassa­gen über Chinas Präsident auswendig lernen mussten. Sie saßen stundenlang dort, und jene, die bei dem Test durchgefallen sind, mussten verschiedenfarbiges Gewand tragen. Je nachdem, ob sie ein-, zwei- oder dreimal durchgefallen waren, bestimmten wir dann den Grad ihrer Bestrafung, wie zum Beispiel Essensentzug oder weitere Schläge. – Zi­tatende.

Das, werte Kollegen und Kolleginnen, sind nur zwei kurze Auszüge aus den erschüttern­den Augenzeugenberichten, die jüngst von der BBC veröffentlicht worden sind. Ja, es ist ein verstörendes Bild, das ehemalige InsassInnen und GefängniswärterInnen von den Zwangslagern in Xinjiang zeichnen, und ja, es macht auch fassungslos, zu hören und zu lesen, zu welcher Grausamkeit Menschen manchmal fähig sind. Die geschilderten Grau­samkeiten entspringen aber nicht dem Sadismus einzelner Personen, im gegenwärtigen Fall steckt ein System dahinter, das von der Staatsspitze Chinas auch genau so auf­gesetzt worden ist.

In Hunderten von Lagern, haben wir heute schon gehört, befinden sich mindestens eine Million Uiguren. Sie werden dort nicht nur der persönlichen Freiheit beraubt, sondern auch einer entwürdigenden Tortur, einer Mischung aus Gehirnwäsche, Folter, sexuellem Missbrauch und Zwangssterilisation unterzogen. Trotz der Zensurbemühungen der chi­nesischen Regierung liegen diese Berichte jetzt vor, und wir finden es ganz, ganz wich­tig, dass wir in Österreich nicht nur Position beziehen und nicht nur den UN-Menschen­rechtsrat auffordern, diese Berichte weiterhin zu prüfen, sondern dass auch wir hier im kleinen Österreich Druck auf die Europäische Union, aber auch auf China ausüben, von diesen drastischen Torturen abzukehren beziehungsweise diese zu unterlassen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn die chinesische Regierung, wie sie sagt, nichts zu verbergen hat, dann ist es aus unserer Sicht das Nächste – und das findet sich im Entschließungsantrag wieder –, ein­fach zuzulassen, dass dort beispielsweise die Menschenrechtskommissarin der Verein­ten Nationen Zutritt zu den Lagern bekommt und sich ein Bild über die Situation verschaf­fen kann.

Heute wurde schon gesagt, dass Menschenrechte universell sind. Ich glaube, das ist genau der Punkt: Jedes Mal, wenn wir darauf hinweisen, welche Menschenrechtsver­letzungen weltweit stattfinden, heißt es, wir sollten vor der eigenen Tür kehren. Nur: Menschenrechte sind universelle Rechte, das heißt, sie gelten für alle Menschen gleich, unabhängig davon, auf welchem Teil des Planeten sie in das Leben gespült worden sind. Menschenrechte sind auch egalitäre Rechte, das heißt, sie gelten für alle Menschen in der gleichen Weise, genauso wie Menschenrechte immer – immer! – über der religiösen Anschauung und einer staatlichen Ideologie stehen müssen.

Ich freue mich sehr, dass es so eine große Unterstützung für diesen Entschließungs­antrag gibt, dass Österreich da klar Position bezieht, und ich bin mir sicher, dass es nicht bei diesem Antrag bleibt, sondern dass wir nach diesem Bekenntnis hier im österreichi­schen Parlament weiterhin darauf schauen werden, dass Uiguren in China nicht aus unserem Blickfeld verschwinden, sondern dass wir genau hinschauen, diese Prüfung einfordern und auf diesen Zutritt weiterhin pochen.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch etwas Wichtiges sagen: China ist bei Wei­tem nicht der einzige Problemfall, wenn es um Menschenrechte geht. Wir leben in einer Zeit, in der die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, so wie sie von 147 Ländern dieser Welt feierlich anerkannt worden ist, einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt ist. Dieses Bekenntnis würden viele Machthaber weltweit am liebsten auf den Misthaufen der Geschichte werfen. Myanmar war zuletzt in den Schlagzeilen, nachdem Hunderte verhaftet worden sind, Russland erst heute, und auch Belarus, von wo ich heute erst AktivistInnen getroffen habe, die Angst haben, ihre Familien im Land zu besuchen. Ja, aber auch in Österreich haben wir – das hat uns der UN-Menschenrechtsrat anhand der Empfehlungen auch aufgezeigt – noch einiges zu tun, wenn es um die Wahrung der Menschenrechte geht, wenn es um das Ausbreiten der Autokraten und Rechtsextremen geht, dem wir einen Riegel vorschieben müssen, weil wir wissen, dass genau jene alles andere achten, aber nicht die Menschenrechte.

In diesem Sinne: Das ist ein wichtiger Antrag betreffend die Uiguren, aber, ja, auch ein Appell an uns alle, Menschenrechte nicht nur zu achten, sondern Menschenrechte welt­weit, europaweit, aber auch in Österreich so zu gewähren, dass sie allen Menschen zu­teilwerden. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.02

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Dr. Helmut Brandstätter. – Bitte, Herr Abgeordneter.