RN/23

12.21

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Wolfgang Hattmannsdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete! Liebe neue Arbeitskolleginnen und -kollegen auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher hier im Hohen Haus! „Jetzt das Richtige tun.“ – Jetzt das Richtige zu tun, ist nicht nur die Klammer dieser neuen Bundesregierung, ist nicht nur die Geschäftsgrundlage für die kommende Legislaturperiode, jetzt das Richtige zu tun ist, auch die Leitlinie von 211 Seiten in einem starken, in einem zukunftsgerichteten Regierungsprogramm für Österreich. 

Eines der zentralen Kapitel dieses Regierungsprogrammes ist das Standort- und Wirtschaftskapitel, weil es jetzt darum geht, das Richtige für den Wirtschaftsstandort, für die Arbeitsplätze, für den Wohlstand in Österreich zu tun. Unsere oberste Aufgabe als Bundesregierung ist ein Comeback von Leistung und Wettbewerb, um Jobs zu sichern, um den Bestand der Betriebe zu sichern, um Wachstum zu schaffen und den Wohlstand zu garantieren. 

Die Schicksalsfrage unserer Zeit, die größte Herausforderung, der wir derzeit zu begegnen haben, wenn wir den Wohlstand halten wollen, ist einerseits der demografische Wandel und andererseits die Wettbewerbsfähigkeit unserer Republik. Wenn zehn Personen in Pension gehen und am Arbeitsmarkt nur sechs Personen nachkommen, dann geht sich das auf Dauer nicht aus. Wenn die Produkte, die unsere fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tagtäglich produzieren, nicht mehr am Weltmarkt verkauft werden können, dann geht sich das auf Dauer nicht mehr aus. Wenn die Exportquote von 62 Prozent auf 57 Prozent heruntergeht, dann geht sich das auf Dauer nicht mehr aus, genauso wenig wie wenn die Lohnnebenkosten die fünfthöchsten in der Europäischen Union sind und wenn wir als Republik Österreich das zweitschwächste BIP-Wachstum haben. Das alles geht sich auf Dauer nicht mehr aus (Abg. Stefan [FPÖ]: Wer war denn in der Regierung? – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Das ist vom Himmel gefallen!), wenn wir den Wohlstand halten wollen (Abg. Stefan [FPÖ]: Wie konnte das passieren? War das die ÖVP?), wenn wir die Jobs sichern wollen, wenn wir die Betriebe in unserer Republik halten wollen und damit auch sicherstellen wollen, dass es einen funktionierenden Sozialstaat gibt, wenn wir damit auch sicherstellen wollen, dass dieses Land, diese Republik, dieses Österreich so schön und attraktiv bleibt, wie es derzeit ist. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Sehr geehrte Damen und Herren, unsere oberste Aufgabe in der Wirtschaftspolitik ist die Wiederherstellung von Wettbewerbsfähigkeit und Leistungsbereitschaft (Abg. Stefan [FPÖ]: Wieso Wiederherstellung? Wer war denn da in der Regierung? – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Erst zerstört! – Abg. Stefan [FPÖ]: Wieso muss man da was ...?), und dafür braucht es aus meiner Sicht zwei Dinge: Erstens einmal braucht es das richtige Mindset. (Abg. Stefan [FPÖ]: Was war bisher? Was ist bisher geschehen?) Es braucht das Mindset, dass Wohlstand nicht selbstverständlich ist, dass Wohlstand nicht von alleine kommt, dass wir nicht in einer All-inclusive-Gesellschaft leben. (Abg. Stefan [FPÖ]: Seit wann? Seit heute?) Wir brauchen ein Mindset, in dem Fleiß und Leistung honoriert werden, wir brauchen eine Gesellschaft, die Leistung auch will. 

Wenn wir wollen, dass Österreich wieder ins Führungsfeld zurückkommt, wenn wir wollen, dass Österreich wieder an die Spitze Europas und dieser Welt zurückkommt, dann brauchen wir einen Aufschwung, dann brauchen wir eine neue Dynamik und dann brauchen wir vor allem Zuversicht. Daran müssen wir hier herinnen gemeinsam arbeiten. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Sehr geehrte Damen und Herren, neben diesem Mindset der Zuversicht, der neuen Dynamik und des Aufschwungs braucht es vor allem auch ein Regierungsprogramm, das diesen Willen auch unmissverständlich und klar abbildet. Das Wirtschafts- und Standortkapitel ist ein klares Bekenntnis zu Leistung, zu Wettbewerb, zu einem schlanken Staat (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Schlanker Staat! Müssen S' da nicht lachen?), zu Entbürokratisierung, ein Bekenntnis zu Internationalisierung, ein Bekenntnis zu Innovation.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte da nichts schönreden: Wir müssen jetzt prioritär, als erste und oberste Maßnahme, unsere Finanzen reparieren, und das schränkt uns natürlich im Handlungsspielraum, den wir als Bundesregierung haben, im Handlungsspielraum, den wir als Republik haben, ein. (Abg. Stefan [FPÖ]: So ein Pech, dass wir so eine Vorgängerregierung gehabt haben, die das hinterlassen hat!) Wir werden diese Schubumkehr nicht von heute auf morgen schaffen, wir müssen aber jetzt die Weichen stellen, damit wir Schritt für Schritt für den Aufschwung sorgen. Das ist kein Sprint, das ist ein Marathon, und dieser bildet sich auf 211 Seiten in diesem Regierungsprogramm ab. (Beifall bei ÖVP und NEOS.)

Sehr geehrte Damen und Herren, für mich gibt es in diesem Regierungsprogramm drei zentrale Schwerpunkte. Erstens: Wir fördern Leistung und belohnen Fleiß. Zweitens: Wir stärken den Wettbewerb und beleben die Konjunktur. Drittens: Wir bekämpfen die Bürokratie und verschlanken den Staat. – Leistung und Fleiß. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Wir verschlanken den Staat! Wo? – Zwischenruf des Abg. Lausch [FPÖ].) – Genau, weil es hier eine Bundesregierung gibt, die bereit ist, anzupacken, weil es eine Bundesregierung, eine Arbeitsregierung gibt, die bereit ist, auch Maßnahmen zu setzen. (Abg. Stefan [FPÖ]: Da brauchen wir mehr Hände, wenn man das anpacken will!) Liebe Freunde von der FPÖ, ihr hättet die Chance gehabt, mit dabei zu sein – mit dabei zu sein! (Abg. Stefan [FPÖ]: Ist ja kein Platz mehr! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Das ist eh schon so ...!) Ihr habt diese Chance nicht genutzt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber zurück zum Regierungsprogramm, auch für die Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei, damit ihr auch einen guten Überblick bekommt, was in diesem Regierungsprogramm festgeschrieben ist: Österreich – und dazu bekenne ich mich – ist ein Land der Fleißigen und der Anpacker, und wir werden diesen Fleiß wieder wertschätzen, wir werden ihn fördern und nicht durch neue Steuern behindern. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ach so, außer Sondersteuern! – Ruf bei der FPÖ: Energieabgabe!)

Was passiert in dieser Legislaturperiode? – Wir werden heuer, im Jahr 2025, eine steuerfreie Mitarbeiterprämie einführen. Wir werden nächstes Jahr, im Jahr 2026, ein neues Steuersystem für Arbeiten im Alter einführen, eine Leistungsflattax, endbesteuert, 25 Prozent inklusive Sozialversicherungsbeträgen, und dann, folgend, klare Anreize für Überstunden beziehungsweise Zuschläge. 

Und wir werden heute – auch das halte ich für ein ganz wesentliches Zeichen – die Bildungskarenz abschaffen. Warum? – Weil die Bildungskarenz zum Teil ein Auszeitmodell und kein Aufschulungsmodell ist. Das werden wir abschaffen, das werden wir neu machen, weil die Bildungskarenz in ihrer jetzigen Form leistungsfeindlich ist, weil viel wertvolles Potenzial am Arbeitsmarkt liegen bleibt. Das heißt, wir beginnen heute, hier und jetzt, indem wir das Leistungskapitel aufschlagen, indem wir nicht nur von Leistung und Fleiß reden, sondern die entsprechenden Maßnahmen auch setzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweites Kapitel: die Wettbewerbsfähigkeit und die Belebung der Konjunktur. Unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit ist die Grundlage für Wachstum und Wohlstand. Wir verdienen 6 von 10 Euro im Export, direkt und indirekt ist auch jeder zweite Job vom Export abhängig. Diese Bundesregierung wird die Wachstumsbremse lösen und wird die Konjunktur beleben. 

Was machen wir mit diesem Regierungsprogramm ganz konkret? – Wir bekennen uns zur Senkung der Lohnnebenkosten, wir starten zur Mitte der Periode mit dem ersten Schritt, mit dem ganz klaren Ziel, die Lohnnebenkosten dann um 3,7 Prozentpunkte zu senken, damit wir wieder auf ein wettbewerbsfähiges, auf das deutsche Niveau kommen. (Abg. Kassegger [FPÖ]: Linke Tasche, rechte Tasche! Und wer finanziert dann den Flaf? Der Weihnachtsmann?)

Wir werden zweitens einen Paradigmenwechsel in der Zuwanderungspolitik vollziehen: keine Zuwanderung mehr in das Sozialsystem (Abg. Stefan [FPÖ]: Was habt ihr bisher gemacht? Wieso war das bis jetzt möglich?), sondern nur mehr eine Zuwanderung von qualifizierten Leuten, die bereit sind, sich zu integrieren, die arbeiten gehen, die ihr eigenes Geld verdienen. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Also weiter wie bisher!) 

Wie machen wir das? – Mit der Attraktivierung der Rot-Weiß-Rot-Card (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Was wollen Sie da attraktivieren …?) und mit einer deutlichen Ausweitung der Saisonkontingente. 

Wir werden die Forschungsprämie absichern und mit einem neuen Forschungsfinanzierungsgesetz die Finanzierungsmöglichkeiten für die Forschung attraktiveren. Wir werden auch eine aktive Energiepolitik machen, die sicherstellt, dass es Versorgungssicherheit und leistbare Preise gibt. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Mit der Sondersteuer!) Sehr geehrte Damen und Herren, so geht Wettbewerbspolitik! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Drittes Kapitel: Überregulierung und schlanker Staat. Wer überreguliert, verliert (Abg. Kassegger [FPÖ]: Weiß das Ihre Freundin Frau von der Leyen auch?) – und das weiß diese Bundesregierung und setzt deswegen ganz konkrete Maßnahmen. Wir werden eine eigene Stelle, eine Sonderkommission für den Bürokratieabbau schaffen, die die Aufgabe hat, unnötige Regularien, Verordnungen, Gesetze zu beseitigen. Wir werden schneller und intelligenter bei Genehmigungsverfahren wie UVP-Verfahren, AVG-Verfahren oder auch nach dem EABG. 

Wir werden das Anlagenrecht modernisieren und ganz viele Maßnahmen setzen, sodass auch Unternehmertum wieder attraktiver wird, wie zum Beispiel die Anhebung der Pauschalierungsgrenzen. Schon heuer erhöhen wir diese auf 320 000 Euro, nächstes Jahr auf 420 000 Euro und werden damit innerhalb von zwei Jahren die Pauschalierung fast verdoppeln und ein starkes Signal dahin gehend geben, dass Unternehmertum nicht mühsam sein soll, sondern dass man im Unternehmertum unterstützt wird, dass wir Unternehmerinnen und Unternehmer brauchen und diese durch die Maßnahmen im Regierungsprogramm auch wertschätzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bundesregierung hat aber nicht nur die Aufgabe, ein Regierungsprogramm konsequent umzusetzen, das Richtige für Österreich zu tun, sondern die Bundesregierung hat auch den Auftrag, tagtäglich draußen zu sein, ein Sensorium für die Bedürfnisse, für die Anliegen, für die Sichtweisen der Bevölkerung zu haben. Das gilt für jede und jeden, die und der hier heraußen sitzt, und für mich als Wirtschaftsminister genauso. Deswegen galt mein erster Besuch nach meiner Angelobung der Voestalpine in Linz – nicht nur, weil ich selbst ein Stahlstadtkind bin, nicht nur, weil ich mir als Student das Geld beim Schichteln in der Voest verdient habe, sondern weil die Voestalpine stellvertretend dafür steht, warum es diesen Wohlstand in Österreich gibt: Wir haben eine starke Industrie, die das Rückgrat unserer Wirtschaft, das Rückgrat der Arbeitsplätze, das Rückgrat des Wohlstands ist. 

Deswegen wird eine der obersten Maßnahmen der Wirtschaftspolitik auch sein, die Stopptaste zu drücken, und nicht mehr bei der schleichenden Deindustrialisierung zuzuschauen, nämlich wie Industriebetriebe Österreich und Europa verlassen. (Abg. Stefan [FPÖ]: Ihr habts bis jetzt zugeschaut! Jetzt nicht mehr?) Wir müssen für die Industrie wieder attraktiv sein, wir müssen schauen, dass in diesem Bereich Arbeitsplätze entstehen (Abg. Darmann [FPÖ]: Wer war denn in den letzten Jahren verantwortlich?), denn davon profitiert die gesamte Republik. Das ist die Aufgabe der Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Es geht mir als Wirtschaftsminister aber nicht nur um die großen Leitbetriebe dieser Republik, es geht mir auch um die kleinen, um die mittleren Unternehmen. Deswegen habe ich gestern ein Kleidergeschäft, einen Uhrmacher, ein Kaffeehaus, einen Schuster besucht, um auch dort zu zeigen: Wir brauchen diese Leistungsträger, wir brauchen genau jene, die tagtäglich schauen, dass es Wertschöpfung gibt, die tagtäglich schauen, dass es auch den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gibt! – Und auch da werden wir als Bundesregierung entsprechend Maßnahmen setzen.

Ich werde nach dieser Parlamentssitzung zur OMV fahren, weil das Thema Industriepolitik und Internationalisierung der Schlüsselpunkt für uns ist. Es ist zu Beginn dieser Woche bekannt geworden, dass eine der größten Transaktionen in der Wirtschaftsgeschichte unserer Republik stattfindet. Die OMV wird gemeinsam mit Adnoc einen der größten Chemiekonzerne dieser Welt bauen – mit dem Headquarter in Österreich, mit der Forschungskompetenz in Österreich. (Abg. Götze [Grüne]: Nur die Entscheidungen fallen nicht in Österreich!) Genau darum geht es! Wir können als kleines Land nur überleben, wenn wir uns klar international ausrichten, wenn wir internationale Beziehungen pflegen (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP) – nur so ist Wohlstand möglich. (Zwischenruf der Abg. Götze [Grüne].)

Genau dieses Beispiel soll uns den Mut geben, soll uns die Zuversicht geben, soll uns den Glauben an die Standortpolitik, den Glauben an unsere Betriebe, den Glauben an unsere fleißigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geben (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Götze [Grüne]), nämlich dass wir es trotz riesengroßer Herausforderungen schaffen können.

Es ist unser Job, Zuversicht quasi auszustrahlen. Es ist unser Job, die richtigen Maßnahmen zu setzen, und vor allem das politische Miteinander ist unser Job in diesem Haus, bei aller Wertschätzung gegenüber den Rollen von Regierungsfraktionen und Opposition, bei aller Wertschätzung für den Diskurs, bei aller Wertschätzung für unterschiedliche Argumente. Die Leute wollen nicht, dass wir streiten, dass wir hier in einer Tour nur ein Hickhack haben, sondern die Leute wollen, dass wir zusammenarbeiten – und da sind alle gefordert: die Regierung, die Parlamentsparteien, egal ob Regierungspartei oder Opposition. Dafür werden wir als Bundesregierung uns einsetzen – und darum ersuche ich auch alle Abgeordneten dieses Hauses. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS. – Ruf bei der FPÖ: Wirtschaft plus!)

12.35

Präsident Peter Haubner: Als Nächster von der Regierung zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Markus Marterbauer.