RN/11
Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Schönen guten Tag, Herr Bundeskanzler! Aufgrund der geopolitischen Situation ist für viele Menschen mittlerweile sehr weit oben in ihrer individuellen Agenda oder Wertehaltung, dass das Schaffen von Frieden ein ganz, ganz wichtiger politischer Auftrag ist. Sie haben zwar einige Aspekte von dem, was ich fragen wollte, aufgrund von Zusatzfragen zuvor schon beantwortet, ich möchte es vielleicht trotzdem möglicherweise etwas konstruktiver framen, als das zuerst der Fragestellerin gelungen ist.
Frau Bundesministerin Plakolm hat im EU-Hauptausschuss am 19. März angekündigt, dass Österreich der EU Bereitschaft signalisiert hat, als Austragungsort und Vermittlerin für Friedensgespräche mit der Ukraine zur Verfügung zu stehen.
Meine Frage:
„Welche weiteren Schritte setzt die Bundesregierung, um das von BM Plakolm angekündigte Vorhaben zu realisieren, das neutrale Österreich als Austragungsort für Friedensgespräche mit der Ukraine zu positionieren?“
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Dr. Christian Stocker: Frau Abgeordnete, es ist richtig: Die Frau Bundesministerin hat das angeboten. Das ist auch das, was wir tun können: Wir bieten uns an. Und wir glauben, dass wir als Ort für solche Gespräche auch sehr gut geeignet sind. Österreich ist der Amtssitz vieler internationaler Organisationen. Wir haben uns in der Vergangenheit als verlässlicher Austragungsort für derartige Gespräche erwiesen, und wir werden auch alles aktiv fördern, was dazu führt, dass die Waffen schweigen und Frieden erreicht werden kann.
Aber – wie ich vorhin ausgeführt habe –: Wir sehen die Ukraine als Teil dieser Gespräche. Wir sehen die Friedensbemühungen unter dem Aspekt, dass der Frieden gerecht und dauerhaft sein muss, und wir wollen da als Europäische Union – das sage ich jetzt wieder im größeren Kontext – natürlich auch einen Beitrag leisten, weil ich glaube, die Europäische Union könnte das.
Wenn diese Gespräche in Österreich stattfinden, werden wir alles dafür tun, dass das auch umgesetzt werden kann.
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zusatzfrage gewünscht?
RN/11.1
Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Ja, herzlichen Dank. – Sie haben jetzt die wichtige Frage von Österreich als Sitzstaat von internationalen Organisationen angesprochen, und in der Tat – Sie haben das auch vollkommen richtig gesagt –, wir haben auch eine lange Tradition als Vermittlerin in internationalen Konflikten. Andere – auch nicht neutrale – Länder haben uns da aber mittlerweile zum Teil den Rang abgelaufen.
Was denken Sie, könnten Sie, könnte die österreichische Bundesregierung dazu beitragen, dass Österreich sowohl als Sitzstaat noch wichtiger wird als auch als neutraler Verhandler und Vermittler wirklich wieder die Rolle in der Welt hat, die es schon einmal hatte?
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Dr. Christian Stocker: Ich glaube, dass wir immer noch als Vermittler angesehen werden; vielleicht nicht mehr von allen, aber nicht deshalb, weil wir diese Vermittlerrolle oder diese Vermittlungsposition nicht erfüllen können, sondern, weil es für Friedensgespräche notwendig ist, dass jene, die sich im Konflikt befinden, auch eine Vermittlung wollen.
Jetzt sage ich, es wäre ja nicht schwer: In dem Moment, in dem der Aggressor seine Aggression einstellt und die Russische Föderation den Krieg beendet, haben wir Frieden, und wenn wir als Gesprächsort dafür einen Beitrag leisten können, dann würden wir das gerne tun, und daher haben wir dieses Angebot gemacht. Dazu stehen wir. Und wenn es angenommen wird, wird es uns freuen. Es braucht beides: das Angebot und die Annahme. Das Angebot liegt auf dem Tisch. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Dengler.
RN/11.2
Abgeordneter Veit Valentin Dengler (NEOS): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Österreich hat ja schon in der Vergangenheit die Ukraine als Kriegsopfer unterstützt – recht großzügig unterstützt. Frau Bundesminister Meinl-Reisinger war vor zwei Wochen wieder in Kiew und hat dort einen Beitrag zum Getreideabkommen geleistet. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Ist der bar übergeben worden oder überwiesen worden, wissen Sie das?) – Sagt Ihnen der Begriff Marshallplan etwas? Denn ein Land, das nach einem Krieg so viel Unterstützung von außen bekommen hat, sollte ein bisschen großzügiger sein, glaube ich, Herr Hafenecker. (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen.)
Im Falle, dass jetzt die Friedensverhandlungen erfolgreich sein werden (Abg. Kickl [FPÖ]: Im Übrigen war das die Unterstützung, die spätere, für einen früheren bösen Aggressor!): Welche Maßnahmen setzt die Bundesregierung, um gesamtstaatlich koordinierte Wiederaufbauhilfe zu leisten?
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Dr. Christian Stocker: Erstens: Wenn wir so weit sind, dass wir den Wiederaufbau in Angriff nehmen können, dann haben wir den ersten Schritt, nämlich Waffenstillstand, und den zweiten, Frieden, schon geschafft. Wenn wir so weit sind, dann freue ich mich einmal sehr.
Das Zweite ist: Die Überlegungen, wie dieser Wiederaufbau stattfinden kann, finden auch im Rahmen der Europäischen Union schon statt, und gerade Österreich ist eines der Länder, die in der Ukraine nicht nur schon viele Unternehmungen haben, die in der Vergangenheit investiert haben, sondern die auch jetzt bereitstehen, ihr Know-how und ihre Möglichkeiten für den Wiederaufbau einzubringen.
Diese Gespräche laufen schon, aber es ist schon die dritte Stufe in einem Prozess, bei dem wir die ersten beiden noch nehmen müssen: Waffenstillstand und/oder Frieden, aber wir bereiten uns natürlich auch auf diese Aufgabe vor, weil das einerseits eine Hilfeleistung für die Ukraine ist, andererseits aber auch für unsere Wirtschaft eine Möglichkeit, einen Beitrag zu leisten, wodurch eine Win-win-Situation entstehen kann.
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Wir kommen nunmehr zur 9. Anfrage, 6/M, jener von Abgeordneter Dagmar Belakowitsch. – Bitte, Frau Abgeordnete.