RN/46

11.53

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr über die lebhafte Debatte hier im Haus. Sie zeigt, dass sich das Parlament intensiv mit den Berichten der Volksanwaltschaft beschäftigt, und das ist für uns, vor allem aber für die Bürger:innen sehr wichtig. 

Wir können zwar einige Probleme im Dialog mit Behörden direkt lösen: Wenn es um eine falsche Rechtsanwendung geht, wenn es darum geht, dass eine Behörde ihren Ermessensspielraum nicht im Sinne der Bürger:innen ausnutzt, wenn es darum geht, dass Behörden nicht freundlich agiert haben, dann treten wir mit diesen Behörden in Kontakt, und in der Regel lässt sich im Dialog mit der Behörde selbst das Problem beheben und eine für die Bürgerinnen und Bürger befriedigende Lösung finden. 

Es gibt aber andere Probleme, Missstände, Beschwerden, die an uns herangetragen werden, bei denen das so nicht funktioniert, bei denen es ein Handeln der Politik braucht, weil entweder die Behörden von sich aus nicht bereit sind, auf die Anregungen der Volksanwaltschaft einzugehen, oder bei denen die Rechtslage so ist, dass die Behörden einfach durch die Rechtslage gebunden sind und keine im Sinne der Menschen befriedigende Lösung finden können. Da brauchen wir die Unterstützung des Parlaments, da sind Sie gefragt. 

Dass das funktioniert, zeigt ein Beispiel, das zufälligerweise in diesem Haus heute noch beschlossen werden wird – so hoffe ich. Wir haben aufgezeigt, dass sich Leute darüber beschwert haben, dass ihnen der Rezeptgebührendeckel ungerecht erscheint. Sie müssen, wenn sie keine Rezeptgebühr bezahlen, sondern das Medikament direkt in der Apotheke kaufen, hinnehmen, dass diese Medikamente, die sie direkt kaufen, nicht auf die Rezeptgebührenobergrenze angerechnet werden. Wenn man viele Medikamente braucht, die sich im Preis rund um die Rezeptgebühr bewegen, dann hat das schon gravierende Auswirkungen: Man kommt nicht in den Genuss der Rezeptgebührenbefreiung, obwohl man ständig Medikamente braucht, ständig dafür zahlen muss. Das wird behoben: Heute wird ein Antrag vorliegen, in dem auch jene Medikamente, die man dann selbst bezahlt, auf den Rezeptgebührendeckel angerechnet werden, und im Entwurf ist sogar vorgesehen, den Rezeptgebührendeckel insgesamt zu senken und damit Menschen zu entlasten. – Herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit jetzt auf drei weitere Themenbereiche lenken, die noch nicht gelöst werden konnten, bei denen wir wahrscheinlich auch die Unterstützung der Politik brauchen, um im Interesse der Betroffenen weiterzukommen. 

Das eine Thema ist das Kinderbetreuungsgeld – wir haben im Bereich des Kinderbetreuungsgeldes in den letzten Jahren überdimensional viele Beschwerden: Diese richten sich auf der einen Seite dagegen, dass die Menschen das Gefühl haben, im komplizierten Paragrafendschungel alleingelassen zu werden. Es gibt beim Kinderbetreuungsgeld viele Varianten, und sehr oft ist das an sehr strenge Vorschriften gebunden. Man hat von Anfang an nicht genau den Überblick, welche Variante man in Anspruch nehmen kann, und wenn man das aber nicht rechtzeitig tut, wenn man da nicht gut beraten wird, dann fällt man auf eine allgemeine Variante zurück, die sehr oft einen finanziellen Nachteil für die Familie darstellt. – Das ist der eine Problembereich. 

Der andere Problembereich ist, wenn ein Auslandsbezug besteht und unter Umständen ein anderer Staat für das Erstatten von Familienleistungen zuständig ist – dann ist in diesem Dialog auch immer eine große Verzögerung gegeben. Damit da kein Missverständnis entsteht: Es geht nicht darum, dass österreichisches Kinderbetreuungsgeld an Familien im Ausland bezahlt wird, sondern ganz im Gegenteil, das Kind und meistens die Mutter halten sich im Inland auf, der Vater arbeitet im Ausland, und in diesem Dialog treten oft Verzögerungen und – wie es die Betroffenen empfinden – Schikanen auf, die dazu führen, dass die Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes extrem verzögert wird. 

Wir haben einen Fall, bei dem das Kinderbetreuungsgeld dann nach Interventionen der Volksanwaltschaft, nach Gerichtsverfahren nachbezahlt worden ist, als das Kind schon in die Schule gekommen ist. Das ist natürlich ein Extremfall, aber wir haben viele, viele andere Fälle, bei denen es Jahre dauert, bis die Leute zu dem Geld kommen, das sie in einer Situation beantragen, in der sie dieses Geld dringend brauchen, nämlich in der Situation, in der ein Elternteil nach der Geburt des Kindes mit der Erwerbstätigkeit pausiert. 

Das zweite Thema, auf das ich die Aufmerksamkeit lenken möchte – es ist heute schon angesprochen worden –, ist die medizinische Begutachtung. Bei uns gibt es in letzter Zeit sehr, sehr viele Fälle mit Long Covid, Post-Covid, ME/CFS. Es geht aber nicht nur um diese Erkrankungen, es gibt auch viele andere Erkrankungen, bei denen man darauf angewiesen ist, Sozialleistungen zu beantragen. Im Verfahren ist damit sehr oft eine medizinische Begutachtung verbunden, und betreffend diese medizinische Begutachtung hagelt es Beschwerden: Sehr oft werden Menschen unfreundlich behandelt, sehr oft dauert es sehr lange, bis man zu einer Begutachtung kommt, sehr oft sind die Rahmenbedingungen der Begutachtung entwürdigend, man findet eine nicht barrierefreie Praxis vor oder man muss lange Anreisen zu einer Begutachtung in Kauf nehmen, wobei aber klar ist, dass das Krankheitsbild eines ist, das so lange Anreisen nicht zulässt. Die Behörden sind da relativ unflexibel. Sehr oft wird zwar auf unsere Intervention hin dann eine Alternative gesucht – von sich aus, nachhaltig, wird das aber nicht gemacht. 

Stellen Sie sich nun eine Situation vor, in der ein Mensch einen schweren Arbeitsunfall hat und mehrere Sozialleistungen benötigt: Sie wollen von der Pensionsversicherung Rehageld; Sie wollen von der AUVA, von der Unfallversicherung, eine Unfallrente; Sie wollen vom Sozialministeriumservice den Status als begünstigt Behinderter zuerkannt bekommen. Was passiert? – Jede dieser Behörden schickt sie mindestens zu einem Arzt zur Begutachtung, zu einer Ärztin zur Begutachtung; manche Behörden schicken Sie auch zu zwei oder drei Stellen.

Wenn da nur einer oder zwei unfreundlich sind, ist das in einer schwierigen Situation schon belastend genug, wenn alle unfreundlich sind, ist das eine Katastrophe. Wenn die dann noch dazu zum Ergebnis kommen, dass Sie die Leistung nicht erhalten: Was bleibt Ihnen über? – Sie müssen in zwei Fällen beim Arbeits- und Sozialgericht dagegen vorgehen, in einem Fall gehen Sie zum Bundesverwaltungsgericht. Wissen Sie, was die Gerichte machen? – Die beauftragen Gutachter; und Sie laufen wieder zu drei, vier, fünf verschiedenen Stellen zu einer Begutachtung und sind dem relativ ausgeliefert.

Ich glaube, wir müssten uns Gedanken darüber machen, wie wir diesen Spießrutenlauf für Menschen, die gesundheitlich schwer beeinträchtigt sind, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, erleichtern können.

Der dritte Fall, auf den ich Sie aufmerksam machen möchte, betrifft die freiwilligen Helferinnen und Helfer. Vor allem hier in diesem Haus wird nach Hochwasserkatastrophen immer der Dank an die freiwilligen Helfer:innen ausgesprochen, und es wird festgehalten, dass die freiwilligen Helfer:innen im Rahmen ihrer Tätigkeit abgesichert sind, dass sie sich, wenn ihnen etwas im Zuge des freiwilligen Hilfseinsatzes passiert, keine Sorgen machen müssen.

Das ist leider nicht immer so. Wir haben einen Fall, bei dem eine junge Frau, die sich bei der Freiwilligen Feuerwehr betätigt hat, zu einem Einsatz gerufen wurde und unmittelbar, nachdem die Sirene ertönt ist, einen Herzstillstand erlitten hat. Sie hat von der AUVA keine Unfallrente bekommen, obwohl sie aus diesem Vorfall leider einen dauerhaften Schaden davongetragen hat. Die AUVA argumentiert dabei: Na ja, das war ein Herzstillstand, das hätte ihr sonst auch passieren können. – Es handelt sich um eine 19-Jährige ohne Vorerkrankungen, die unmittelbar nach dem Ertönen der Sirene diesen Herzstillstand hatte.

Legt man solch einen Maßstab an, dann ist das eine Gefahr für alle, die sich bei der Freiwilligen Feuerwehr oder bei sonst irgendeinem Hilfseinsatz melden, denn der durchschnittliche freiwillige Helfer, die durchschnittliche freiwillige Helferin ist weniger 19, vielmehr irgendwo zwischen 40 und 60 Jahren. Zeigen Sie mir da jemanden ohne Vorerkrankungen, wo man ruhigen Gewissens sagen kann, das ist hundertprozentig sicher auf den Einsatz zurückzuführen, da muss man sich keine Sorgen machen. 

Ja, man muss sich keine Sorgen machen, wenn einem bei Hochwasser ein Baum auf den Kopf fällt, man muss sich aber sehr wohl Sorgen machen, wenn man im Zuge des Einsatzes einen Herzinfarkt, einen Herzstillstand, einen Schlaganfall oder Ähnliches erleidet. Ich finde, das haben die freiwilligen Helferinnen und Helfer nicht verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

Die AUVA könnte das mit einer vernünftigen Anwendung des Gesetzes bereinigen, es wäre wahrscheinlich gar keine Gesetzesänderung notwendig. Tut die AUVA das aber nicht in allen Fällen, so sollte man sich doch Gedanken über eine Gesetzesänderung machen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Fiedler [NEOS].)

12.04

Präsident Peter Haubner: Danke vielmals. 

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Agnes Totter. – Ich stelle die Redezeit auf 4 Minuten ein, Frau Abgeordnete.