RN/73

13.41

Bundesminister für Finanzen Dr. Markus Marterbauer: Danke, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie Sie wissen, ist das Budgetsanierungsmaßnahmengesetz II ein Teil der umfassenden Budgetsanierung, die die Bundesregierung dem Hohen Haus vorgelegt hat. Ich möchte noch einmal darauf hinwiesen, wie hoch der Sanierungsbedarf ist: Ohne Budgetsanierungsmaßnahmen würde das Budgetdefizit heuer bei nahezu 28 Milliarden Euro liegen und 5,8 Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen, und auch in den Folgejahren würde das Budgetdefizit nicht zurückgehen. Das wäre nicht nachhaltig. Die Staatsschulden würden auf etwa 97 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen und wir hätten erhebliche Probleme mit der Glaubwürdigkeit gegenüber den Finanzmärkten, aber auch stark steigende Zinssätze. Deshalb hat die Bundesregierung ein umfassendes Paket vorgelegt.

Der heutige Teil, das Budgetsanierungsmaßnahmengesetz II, umfasst im Wesentlichen die Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge für die Pensionistinnen und Pensionisten, ergänzt um Maßnahmen bei den Arzneimittelkosten, die einen gewissen Deckel einziehen, sowie die Besteuerung von Privatstiftungen und die Erhöhung von Bundesgebühren. 

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf drei Punkte eingehen, die mir wichtig erscheinen. Diese drei Maßnahmen, die jetzt hier vorgelegt werden, Teile eines umfassenden Pakets, dienen im Wesentlichen der finanziellen Absicherung des Sozialstaates. Bei dieser Gelegenheit ist es, glaube ich, wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Schaffung des Sozialstaates und die Schaffung der liberalen Demokratie die beiden größten zivilisatorischen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts darstellen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Mit diesen beiden großen zivilisatorischen Errungenschaften ist die Freiheit der Menschen in zweifacher Hinsicht massiv ausgeweitet worden. Die Schaffung der liberalen Demokratie bedeutet, dass die Menschen über ihr eigenes Schicksal selber bestimmen können, weil sie ihre Stimme in den öffentlichen Körperschaften in einer Demokratie eben entsprechend abgeben können. Die Schaffung des Sozialstaates bedeutet, dass die Menschen jene Sicherheit haben, die es ihnen ermöglicht, sich an der Gesellschaft zu beteiligen. Also Sozialstaat und liberale Demokratie sind die größten Maßnahmen im 20. Jahrhundert, die die Freiheit für die Menschen eröffnet haben. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Worum geht es also, wenn wir den Sozialstaat sichern wollen? – Wir sichern damit die Finanzierbarkeit des Sozialstaates. Die Finanzierbarkeit ist in zweifacher Hinsicht zu diskutieren, einmal auf der Einnahmenseite und einmal auf der Ausgabenseite und auf der Effizienzseite. 

Ich möchte kurz auf die Einnahmenseite eingehen, die wir ja heute hier behandeln. Der Sozialstaat ist traditionell seit seiner Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg im Wesentlichen aus Abgaben auf selbstständige und unselbstständige Arbeit finanziert worden. Das war nach dem Zweiten Weltkrieg auch gar nicht anders möglich. Wie hätte man 1946 die Kranken, die Alten, die Pflegebedürftigen, die Kinder finanzieren sollen, wenn nicht aus dem laufenden Einkommen, das jene erzielen, die selbstständig oder unselbstständig erwerbstätig sind? – Das ist das Grundprinzip der Finanzierung des Sozialstaates. Das gilt auch für heute und die Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrages spiegelt gewissermaßen dieses Grundprinzip wider. Es basiert auf den Einkommen und ist deshalb - - (Abg. Kaniak [FPÖ]: Weil die Pensionisten ja erwerbstätig sind!) – Die Pensionisten waren natürlich alle erwerbstätig, Herr Abgeordneter, sonst hätten sie gar keine Pension. (Abg. Kaniak [FPÖ]: Waren sie, aber jetzt sind sie es nicht mehr! – Abg. Wöginger [ÖVP]: ... eingezahlt haben ...!) Also es hängt an den Arbeitseinkommen, und das ist ein vernünftiges Prinzip, den Sozialstaat zu finanzieren. 

Allerdings wissen wir, dass im Unterschied zum Jahr 1946 die Vermögensbestände der privaten Haushalte, die damals null waren, heute ungefähr achtmal so hoch sind wie die verfügbaren Einkommen des laufenden Jahres, und natürlich muss man die Frage stellen, wie man damit umgeht. Die Bundesregierung agiert in diesem Zusammenhang mit einem vielleicht kleinen, aber doch über Symbolbedeutung hinausgehenden Beitrag der Vermögenden, nämlich zum Beispiel über diese 33 Millionen Euro, die sie durch eine höhere Besteuerung von Privatstiftungen beitragen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die zweite Seite der Sozialstaatsfinanzierung, der wir uns genauso widmen, wenn auch nicht im vorliegenden Gesetz, ist die Frage der Erhöhung der Effizienz des Sozialstaates. Auch da ist ganz viel zu tun. Wenn ich im Gesundheitsbereich bleibe: Die Bundesregierung hat im Regierungsübereinkommen und jetzt dann auch in den Budgetbegleitgesetzen, die wir weiter diskutieren, eine Reihe von Maßnahmen vorgesehen, die genau diese Effizienz erhöhen sollen. Denken Sie an die Frage der besseren ambulanten Versorgung, die uns Kosten bei der stationären einsparen soll, denken Sie an die umfassende Frage der Vorsorge, denken Sie an die Frage der Verbesserung der psychosozialen Versorgung von Kindern und Jugendlichen: Das sind alles Maßnahmen, die die Effizienz, in dem Fall des Gesundheitswesens, erhöhen sollen.

Wir haben aber eine Reihe von zusätzlichen Maßnahmen angedacht, zum Beispiel in der Lenkung der Patientinnen und Patienten auf die effizienteste Versorgung, in der Frage der besseren Abstimmung der Gesundheitsleistungen vor allem im Spitälerbereich zwischen den Regionen und zwischen den Trägern im Gesundheitsbereich. Da liegt also noch ganz viel Arbeit vor uns, aber die Bundesregierung widmet sich mit großer Energie all diesen Maßnahmen der Sicherung der Finanzierung des Sozialstaates. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Der erste Punkt heißt also, wir sichern die Finanzierbarkeit des Sozialstaates, der für unsere Gesellschaft so zentral ist. 

Zweiter Bereich: Ich möchte kurz auf die Frage der Nachfragewirkungen der Budgetsanierungsmaßnahmen eingehen, weil die hier in der Debatte auch angesprochen wurden. Nun, es ist tatsächlich so, dass jede Budgetkonsolidierung negative Nachfrageeffekte mit sich bringt. Wenn Ausgaben gekürzt werden oder Steuern erhöht werden, beschränkt es das verfügbare Einkommen und hat damit negative Nachfrageeffekte. Allerdings hat sich die Bundesregierung das sehr genau und auf Basis vieler wissenschaftlicher Studien angeschaut, um diese Nachfrageeffekte möglichst gering zu halten. Ich könnte viele Beispiele anführen, das werde ich hier nicht tun (Abg. Darmann [FPÖ]: Ja, wenigstens drei!), ich werde im letzten Bereich noch kurz darauf eingehen, aber wir haben eine ganze Reihe von Maßnahmen, die kaum nachfragedämpfend sind. – Herr Abgeordneter, es betrifft zum Beispiel die Frage der Bankenabgabe, des Energiekrisenbeitrages, die Erhöhung des Spitzensteuersatzes und, und, und, und, und – kaum nachfragedämpfende Effekte.

Was mir aber in diesem Zusammenhang wichtig erscheint: Ich glaube, dass nicht nur die wenig nachfragedämpfenden Effekte der Budgetsanierungsmaßnahmen der Bundesregierung, sondern rein die Tatsache, dass die Bundesregierung jetzt auf Basis von Fakten und Daten mit einem großen Kompromiss einen Plan für die Budgetsanierung vorlegt, die Konjunktur wesentlich stabilisieren wird. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Ich habe zu lange am Wifo Konjunkturprognosen verantwortet, als dass ich glauben würde, dass man in der mittleren Frist sehr genau prognostizieren kann, aber wenn Sie mich nach einer Erwartung fragen, was die Richtung der nächsten Prognoserevision des Wifo sein wird – die Prognose Ende Juni –: Die Prognose wird aus meiner Sicht nach oben revidiert werden, nicht nach unten, und zwar zum ersten Mal seit ganz vielen Prognoseterminen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dritter Bereich, auf den ich kurz eingehen möchte, auch weil es hier in der ersten Runde angesprochen wurde und zu Recht angesprochen wurde: die Frage der Verteilungswirkungen der Budgetsanierung. Der Budgetdienst hat, wie üblich in sehr guter, seriöser und faktenbasierter Ausarbeitung, eine erste Abschätzung vorgelegt, und ich stimme in weiten Teilen mit der Analyse des Budgetdienstes überein. Allerdings muss man darauf hinweisen, dass der Budgetdienst – und das ist ja in der Darstellung auch ganz explizit gemacht, so wie es einer seriösen Untersuchung gebührt und wie es dem Budgetdienst auch gebührt – nur eine eingeschränkte Anzahl von Maßnahmen der Budgetsanierung beurteilen konnte, nämlich im Wesentlichen jene, die direkt den Haushalten oder den Personen zuordenbar sind. Das heißt, da geht es um Sozialtransfers, Klimabonus oder auch die Nichterhöhung der Familienleistungen – das kann man direkt einzelnen Personen zuordnen; oder da geht es um die Frage der Erhöhung des Spitzensteuersatzes oder die kalte Progression – das kann ich direkt zuordnen. 

Und der Budgetdienst ist in dieser Abschätzung zu dem Ergebnis gekommen, dass zwar die oberen Einkommensgruppen in Absolutbeträgen einen höheren Beitrag zur Budgetsanierung leisten, wenn man das zusammennimmt, aber in Relation zum Einkommen – und das ist tatsächlich auch die relevante Größe – die unteren Einkommensgruppen stärker betroffen sind.

Was der Budgetdienst allerdings nicht machen konnte, und was die Bundesregierung aber sehr wohl berücksichtigt, ist, eine Reihe von Maßnahmen zu beurteilen, die eben nicht direkt Personen zuzuordnen sind. Da geht es um eine Vielzahl von Dingen, zum Beispiel die Kürzung von Unternehmensförderungen. Das betrifft die Unternehmen, ist aber eben nicht einzelnen Personengruppen direkt zuordenbar. (Zwischenruf der Abg. Maurer [Grüne].)

Es betrifft zum Beispiel auch die Frage der Offensivmaßnahmen: die Ausweitung der AMS-Mittel oder die Ausweitungen der Deutschförderung, der Chancenbonus, ganz viele Maßnahmen im Gesundheits- und Sozialbereich, die Ausweitung des Unterhaltsgarantiefonds und Ähnliches. Das kann nicht umfassend beurteilt werden, allerdings ist qualitativ völlig klar, dass die Effekte dieser Maßnahmen positiv in Bezug auf die Verteilung sind. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Shetty [NEOS].)

Das Gleiche gilt für viele steuerliche Maßnahmen: Also klarerweise, wie schon gesagt, die kalte Progression und der Spitzensteuersatz sind zuordenbar, eine Reihe von anderen Maßnahmen, wie die heute zur Verhandlung stehende Frage der Besteuerung von Privatstiftungen, sind nicht konkreten Personen zuordenbar. Das Gleiche gilt für die Einschränkung der Share Deals in der Grunderwerbsteuer, das Gleiche gilt für die Umwidmungsabgabe und viele andere Steuern mehr, nicht zuletzt für den Beitrag der Banken oder für den Energiekrisenbeitrag, den die Energiekonzerne zu leisten haben. Dies ist nicht Personen zuordenbar. Die Verteilungswirkungen sind ja offensichtlich stark positiv, und das müsste natürlich in einer Analyse berücksichtigt werden. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Gasser [NEOS].)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Auf Basis der großen Umverteilungsstudien des Wifo ist relativ klar, dass die Verteilungswirkungen des Staatshaushalts auf der Einnahmen- und auf der Ausgabenseite ganz vielfältig sind. Einzelne Maßnahmen haben ganz unterschiedliche Verteilungseffekte. Wenn man aber die gesamten Staatsausgaben zusammennimmt und alle Einnahmen des Staates, so ist die Wifo-Analyse auch völlig klar in den Schlussfolgerungen: Die Staatsausgaben, insbesondere die sozialen Dienste, verteilen primär nach unten und in die Mitte um. Die Staatseinnahmen sind generell proportional über alle Gruppen verteilt, belasten in einem Bereich natürlich primär die oberen Einkommensgruppen. Die Staatstätigkeit insgesamt hat deshalb positive Verteilungseffekte.

Die Bundesregierung hat das berücksichtigt, indem sie eine gute Mischung an ausgaben- und einnahmenseitigen Maßnahmen zusammengestellt hat, grosso modo ungefähr zwei Drittel auf der Ausgaben-, ein Drittel auf der Einnahmenseite.

Das heißt, der Bundesregierung sind die Verteilungswirkungen der Budgetsanierung klarerweise ein zentrales Anliegen – aus Gerechtigkeitsgründen, aber auch aufgrund ihrer Wirkungen in Bezug auf die Konjunktur. Mir persönlich ist die Verringerung der Ungleichheit der Lebensbedingungen der Menschen ein zentrales Anliegen. Das wird sich auch in der Budgetpolitik der nächsten Jahre niederschlagen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.53

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Maximilian Linder.