RN/69
16.20
Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich habe mir jetzt vorgenommen, bei aller Emotionalität dieses Themas meine Rede möglichst sachlich, faktenbasiert und faktenorientiert zu gestalten, muss aber, bevor ich damit beginne, schon auf das eingehen, was Kollege Shetty als Vorvorredner gesagt hat.
Erster Punkt: Die Freiheitliche Partei hat Herrn Selenskyj nicht eingeladen. (Abg. Shetty [NEOS]: Das hat niemand behauptet!)
Zweiter Punkt: Die Freiheitliche Partei hat nicht dafür gesorgt, dass die Generaldebatte zum Budget auf den Vormittag verlegt wurde und damit viel, viel näher zur Trauerminute – weil Sie beklagt haben: So nahe bei der Trauerminute beschäftigen wir uns jetzt mit derartigen Dingen. – Das ist im Übrigen Parlamentarismus, Herr Kollege Shetty. (Beifall bei der FPÖ.) Wenn Sie Tendenzen hier auf den Weg geben, als Klubobmann einer 9-Prozent-Partei zu bestimmen, was wir als 30-Prozent-Oppositionspartei tun dürfen und was nicht, dann geht das erstens in die falsche Richtung und hat zweitens nichts mit dem zu tun, womit NEOS im Jahr 2013 angetreten sind, nämlich als liberale, offene Partei des Parlamentarismus (Beifall bei der FPÖ), sondern Sie haben da in einer sehr, sehr schnellen Geschwindigkeit eine Metamorphose zu einem Verteidiger des Systems gemacht, das eben diese Freiheitsgrade und den Parlamentarismus einschränkt. Da würde ich Sie bitten, einmal darüber nachzudenken. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Das war wohl ein Dollfuß-Seminar, was Sie gemacht haben, Kollege Shetty!) Das geht in die falsche Richtung.
Ich bin ein Politiker der Freiheitlichen Partei Österreichs. Die Freiheitliche Partei Österreichs hat eine oberste Maxime, nämlich die Zuwendung zum eigenen Volk und die Vertretung der Interessen der Österreicher. Ich ersuche Sie jetzt, das ganze Thema unter diesem Schirm zu sehen. Wir wollen die Interessen der Österreicher vertreten. Das ist unser Auftrag, und zwar sowohl ökonomisch als auch sicherheitsbezogen, die innere Sicherheit und die äußere Sicherheit betreffend. Hinsichtlich der äußeren Sicherheit hat das Modell der Neutralität seit 1955 als Schutzschirm der äußeren Sicherheit ausgezeichnete Arbeit geleistet, und wir sehen nicht den geringsten Anlass, so etwas Bewährtes zu gefährden oder gar abzuschaffen. Das ist unsere Grundlinie. (Beifall bei der FPÖ.)
Wenn man sich jetzt das gesamte große Bild anschaut, ohne jetzt historische Abrisse vom Zusammenbruch der Sowjetunion zu geben, sehen wir mehrere Felder. Wir haben einen Krieg, wir haben Profiteure, wir haben – ich sage es einmal – Zahler, und wir haben den Bereich der Neutralität. Das hängt ja alles miteinander zusammen. Wir haben einen furchtbaren Krieg in Europa, in dem Europäer sich gegenseitig umbringen. Wir haben bis vor Kurzem hier Parteien gehabt, deren einzige Idee es war: Kämpfen bis zum Sieg und Waffen liefern, bis der Sieg gelungen! (Abg. Herr [SPÖ]: Geh!)
Wir als Freiheitliche Partei haben relativ rasch, im 2022er-Jahr schon, gesagt: Das ist eine vollkommen falsche Lagebeurteilung. (Abg. Herr [SPÖ]: Das hat nichts mit der Realität zu tun!) Das ist ein Irrweg, das werden wir nicht gewinnen. Was wir in den nächsten Jahren haben werden, sind Milliarden an Kosten und Hunderttausende von Toten. Das wollen wir verhindern, vermeiden.
Jetzt höre ich von der Außenministerin, aber auch hier, erstmalig auch von der ÖVP, das Wort Frieden, für das wir als Freiheitliche Partei als Putin-Freunde beschimpft worden sind. (Abg. Wöginger [ÖVP]: Was heißt „erstmalig“? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Auf diese Absurditäten gehe ich gar nicht ein. Ein Neutraler ist äquidistant. Äquidistant heißt: gleicher Abstand zu - - (Zwischenrufe der Abgeordneten Höfinger [ÖVP], Oxonitsch [SPÖ] und Gewessler [Grüne].) Wir sind äquidistant. (Beifall bei der FPÖ.) Wenn Sie auch hundertmal sagen, wir haben eine Nähe zu dem und dem – das stimmt nicht!
Also: Dieser Krieg hätte schon längst beendet werden können. Vielleicht hat der Wechsel in Amerika, in den USA, etwas damit zu tun, von der Biden-Administration zur Trump-Administration. Das finden wir gut, das gehört weiter verfolgt.
Schauen wir uns die Profiteure an: Das sind nicht die Österreicher, das ist nicht die österreichische Bevölkerung. Was da seit drei Jahren stattfindet, ist doch eine brutale Ausweitung der Rüstungsindustrie. Die ganz großen Profiteure sind die Rüstungskonzerne. Das ist eigentlich ganz komisch, Kollege Kogler, dass du jetzt da offensichtlich bewusst oder unbewusst der größte Proponent und Förderer der Übergewinne der Rüstungskonzerne wirst. Also das muss einmal einer verstehen! Wir sind das nicht, denn wir sind keine Aktionäre von Rheinmetall oder sonst jemandem. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Gödl [ÖVP] und Herr [SPÖ].)
Unsere Verantwortung besteht darin, die Interessen der Österreicher zu vertreten. Da sind wir jetzt beim Zahler. In diesem großen Feld sehe ich die Österreicher als große Zahler. Wo ist da der Nutzen? Wir haben jetzt die Budgetsitzungen, es geht uns eh das Geld hinten und vorne aus. Wir machen - - Oder nicht wir, sondern Sie als Regierung machen ja Budgetdefizite ohne Ende, aber das ist trotzdem egal. Wir zahlen 3,7 Milliarden Euro an die Ukraine.
Der Schmäh mit: Wir finanzieren keinen Krieg, die Friedensfazilität – im Übrigen ein sehr eigenartiger Ausdruck für Waffenfinanzierungen –, damit zahlen wir ja keine Waffen!, zieht nicht. Das ist so, wie wenn ich sage: Der österreichische Beitrag ist jetzt ein Glas hier (ein halb volles Wasserglas in die Höhe haltend), das sind 3 Milliarden Euro, das schütten wir in ein Schwimmbad rein, dann kommt die EU, nimmt einen Kübel Wasser heraus und kauft damit 1 000 Panzer. Wie wollen Sie denn das feststellen? Natürlich sind da österreichische Tropfen dabei. Das ist doch absurd, eine Kleinkinderlogik, zu sagen: Wir zahlen keine Waffen, mit unserem Geld werden nur Entminungen und Ähnliches bezahlt. – Das stimmt ja so nicht. Die Österreicher zahlen 3,7 Milliarden Euro – das ist viel, viel Geld.
Der vierte Bereich: die Neutralität. Noch einmal: Das ist ein Erfolgsmodell seit 1955. Das ist sehr wohl ein Schutzschild betreffend die äußere Sicherheit. Allerdings haben wir als Österreich schwer versagt – und da schaue ich jetzt Kollegen Volker Reifenberger an –, was die eigene Verteidigungsfähigkeit betrifft. Da haben wir 25 Jahre oder noch länger unsere eigene Verteidigungsfähigkeit strengstens oder schärfstens vernachlässigt. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: ÖVP-Verteidigungsminister!) Wir sehen es nicht als dienlich. (Abg. Michael Hammer [ÖVP]: Kunasek!)
Die Neutralität ist im Übrigen, das wissen Sie, völkerrechtlich keine Einbahnstraße. Das ist ja nicht so: Ich erkläre mich jetzt als neutral und mache dann permanent als Regierung Handlungen, die mit der Neutralität nicht vereinbar sind beziehungsweise von den Staaten als nicht mit der Neutralität vereinbar empfunden werden – dann war es das mit der Neutralität! Das beruht doch auf Reziprozität! (Abg. Reiter [ÖVP]: Welche Staaten empfinden das?) Die Gefahr, in die wir uns da begeben, ist ja auch klar: dass wir in einem Konflikt legitimes Ziel werden, Legitimate Target, wenn wir diese Neutralität international aufgeben.
Jetzt erzählen Sie mir nicht, dass die Tatsache, dass die Frau Außenministerin bei ihrem ersten Besuch nach Kiew fährt, 20 Millionen Euro zusätzlich mitnimmt, dass die Tatsache, dass Präsident Selenskyj nach Österreich eingeladen wird, in das neutrale Österreich, der internationalen Rezeption unserer Neutralität dienlich ist – ganz im Gegenteil –, und dann – da wird es ja noch absurder – reden Sie irgendetwas von: Wien sollte dann Ort der Verhandlungen sein. – Das wird so nicht stattfinden. Da muss man die Dinge zu Ende denken. Das kann sich nicht ausgehen. Das ist nicht logisch. Es wird Genf werden, es wird Istanbul werden et cetera. Das heißt, bei Ihnen klaffen Wunsch und Realität vollkommen auseinander. Das Einzige, was wir wollen, ist eine realitätsbezogene Politik im Interesse unserer eigenen Landsleute, nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei der FPÖ.)
16.28
Präsident Peter Haubner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gudrun Kugler. – Ich habe Ihre Redezeit auf 5 Minuten eingestellt, Frau Abgeordnete.