RN/78

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Bundesministerin für Justiz Dr. Anna Sporrer: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Wir alle wissen: Unsere Republik steht aktuell vor großen budgetären Herausforderungen. Die finanziellen Spielräume sind äußerst eng. Das hat sich in den letzten Wochen in den Verhandlungen und Debatten um das Budget deutlich gezeigt. Wir wissen aber auch: Wenn wir nicht jetzt handeln, werden unsere Handlungsspielräume später noch mehr eingeengt sein. Das gilt es zu vermeiden. 

Zum Justizbudget: Was waren die besonderen Herausforderungen in den Verhandlungen? Sie alle kennen die Berechnungen zu einem Abschlag von 15 Prozent auf die Sachausgaben jedes Ressorts. Genau diese Forderung ist aber beim Justizbudget kaum umzusetzen, da zu den Sachausgaben zu einem hohen Anteil indirekt auch Personalausgaben gehören – dies aufgrund gesetzlicher Vorgaben –, nämlich für die Familiengerichtshilfe, die Entlassenenhilfe, die Erwachsenenvertretung, für den Gewaltschutz und hier vor allem für die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung für Opfer von Gewalt – ein absolut aktuelles Thema. 

All dies gehört zu einem funktionierenden Justizapparat, der für das Vertrauen der Bevölkerung in die Behörden und Gerichte unverzichtbar ist. Wir haben es heute schon gehört: Eine krisenfeste Justiz ist einer der Grundpfeiler unseres demokratischen Rechtsstaates. Die Justiz muss nicht nur für die Menschen in unserem Land gut funktionieren, sondern auch für die Wirtschaft – auch das wurde schon angesprochen –, für die Unternehmen, die ja auch maßgeblich zur Konjunkturbelebung beitragen sollen. 

Die Behörden und Gerichte sollen also gut arbeiten können und gleichzeitig muss auch das Justizressort seinen Beitrag zur Sanierung des Staatshaushaltes leisten. Diesen Balanceakt zwischen einem signifikanten Beitrag zur Budgetkonsolidierung ohne massive Einschnitte in zentrale Bereiche der Institutionen galt es zu bewältigen. Ich bin dankbar, hier heute sagen zu dürfen: Die Justiz leistet ihren Beitrag und gleichzeitig steht sie weiterhin auf einem soliden Fundament. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Im Einzelnen: Das Budget meines Ressorts für 2025 steigt auf 2,4 Milliarden Euro. Das bedeutet ein Plus von über 87 Millionen Euro. Der laufende Betrieb der Justiz ist mit diesem Budget sichergestellt. Es werden auch keine Einschnitte beim Personal erfolgen. Der Stellenplan bleibt im Wesentlichen gleich. Es findet auch kein Aufnahmestopp statt, freiwerdende Stellen können also nachbesetzt werden. 

Auch gesellschaftlich besonders bedeutende Bereiche wie die schon erwähnte Entlassenenhilfe, die Familiengerichtshilfe, die Erwachsenenvertretung und der Gewaltschutz sind ausreichend budgetiert. Wir sparen, wo es vertretbar ist, aber nicht dort, wo es die Substanz trifft. Einsparungen werden wir bei einzelnen Sanierungsprojekten wie bei den Justizakademien treffen – diese Sanierungsprojekte werden verschoben –, nicht jedoch bei den laufenden Bauprojekten der Vollzugsanstalten. Es ist ganz wichtig, das hier zu betonen. 

Wir sparen bei der IT, nämlich indem wir Open-Source-Produkte anstelle von Produkten mit teuren Lizenzgebühren verwenden, was etwa 10 Millionen Euro an Einsparungen jährlich bringt. Wir sparen aber nicht bei unserem Erfolgsmodell der Ausrollung des digitalen Aktes der Justiz 3.0. Hier ist die Ausrollung gesichert. Wir hoffen, bis Ende 2026 vollständig alle Behörden und Gerichte in meinem Bereich versorgt zu haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich darf Ihnen eines versichern: Als ich das Amt angetreten habe, habe ich mir natürlich auch gewünscht, mit mehr budgetärem Spielraum die anstehenden justizpolitischen Vorhaben gestalten zu können. Um mich geht es hier aber nicht. Es geht primär um die Menschen, die in der Justiz arbeiten. Ich weiß, dass vor allem bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften der Personalbedarf höher als die Planstellen, die wir derzeit zur Verfügung haben, ist. Ich sehe die hohen Belastungen bei den Eingangsgerichten, bei denen viele Menschen, die sich in Krisen befinden, gerichtliche Leistungen einfordern, und bei den Staatsanwaltschaften, die mitunter zahlreiche Großverfahren zu bewältigen haben. Ich sehe das und bedauere, dass wir derzeit nicht mehr Planstellen zur Verfügung haben. Wir haben uns aber mit den Vertreter:innen dieser Berufsgruppen zusammengesetzt und werden im Sinne einer konstruktiven Aufgabenkritik daran arbeiten, wie wir als Zentralstelle sie bei der Bewältigung ihrer wachsenden Anforderungen unterstützen können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir werden uns der Aufgabe widmen, wie wir mit den gegebenen Rahmenbedingungen bestmöglich arbeiten können, und werden die vorhandenen Mittel dorthin lenken, wo sie am meisten gebraucht werden. Verschlankung und Entbürokratisierung werden hier eingebracht und gelebt werden.

Im Budgetbegleitgesetz setzen wir insbesondere folgende drei Reformschwerpunkte, die auch zur Entlastung des Haushalts beitragen:

Erstens zum Strafvollzug: Wir modernisieren mit der größten Reform seit über zehn Jahren den Strafvollzug – es wurde schon angesprochen. Die neue Regelung zur Fußfessel schafft eine Ausweitung dieser Vollzugsform im elektronisch überwachten Hausarrest von einem auf zwei Jahre Strafrest. Wir rechnen mit etwa 150 zusätzlichen Haftentlassungen pro Jahr. Das wird etwa 1 Million Euro an Ersparnis jährlich bringen. Es geht hier aber nicht vordergründig um die Budgetsanierung, es geht um eine bessere Resozialisierung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Gleichermaßen erleichtert diese Maßnahme den Inhaftierten eben die Rückkehr in die Gesellschaft. Sie senkt auch die Rückfallquote und trägt damit zur Sicherheit in unserer Gesellschaft bei. 

Es wurde auch schon angesprochen: Bei der bedingten Entlassung setzen wir auch wesentliche Schritte. Künftig soll eine bedingte vorzeitige Entlassung nicht mehr allein aus generalpräventiven Gründen verweigert werden können, sondern eben nur mehr dann, wenn der Häftling weiterhin individuell eine Gefahr für die Gemeinschaft darstellen könnte. Auch das dient der schnelleren Resozialisierung von Insassen.

Zum Strafvollzug – es wurde schon angesprochen –: Wir unterstützen die Justizwachebeamt:innen, die oft unter herausfordernden Bedingungen hervorragende Arbeit leisten. An dieser Stelle möchte ich mich sehr bei den vielen hochkompetenten und engagierten Mitarbeiter:innen bedanken, sei es im Exekutivdienst, sei es in den zivilen Berufsgruppen wie bei den Psycholog:innen, den Therapeut:innen oder den Lehrer:innen. Wir unterstützen die Bediensteten im Strafvollzug mit neuen innovativen Maßnahmen. Wir investieren in Schutzgilets und wir schaffen auch eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz von Bodycams. Auch wird ein strengeres generelles Handyverbot in besonders gesicherten Bereichen eingeführt. Zudem arbeiten wir an Möglichkeiten zum Einsatz von Störsendern und erweitern den Perimeterschutz.

Nun noch ein paar Worte zum Jugendstrafvollzug, der auch angesprochen wurde: Ich möchte hier unser Vorzeigemodell, die neue Jugendvollzugsanstalt Münnichplatz, erwähnen, die ich auch schon besucht habe. Dieses Projekt geht aus einer langjährigen Arbeitsgruppe, die im Justizministerium zum Jugendvollzug neu gearbeitet hat, hervor. Wir werden bis zum Ende dieses Jahres dort drei Abteilungen mit je etwa 20 Jugendlichen in Haft haben können, wobei es hier um das bewährte und wiedereingeführte System geht, dass es genau bei den jugendlichen Häftlingen um die Resozialisierung vom ersten Tag an geht. Wir wollen den jungen Häftlingen vom ersten Tag die Chancen bieten, zu lernen und auch zu erkennen, dass sie am besten ihre Zukunft gestalten können, wenn sie auf einen besseren Weg geraten. Es gibt dort nicht nur Lehrer:innen, sondern es können auch Lehren absolviert werden. Es gibt eine Therapeutin. Es gibt Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung. So wollen wir die jungen Häftlinge auf einen neuen Weg bringen, sodass sie keine Rückfalltäter werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nun zur Erwachsenenvertretung, die auch schon angesprochen wurde: Seit der Reform 2018 hat sich sehr viel zum Besseren gewandelt – mehr Selbstbestimmung für die Betroffenen, mehr Klarheit in den Verfahren. Die Realität hat aber gezeigt: Der Bedarf ist höher als ursprünglich angenommen. Die Erwachsenenschutzvereine sind an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt. Ziel der geplanten Maßnahmen ist es, das System der gerichtlichen Erwachsenenvertretung zu stabilisieren und die lückenlose Versorgung von Menschen sicherzustellen, die ohne diese Unterstützung nicht auskommen. 

Wir treffen zunächst Änderungen bei der Erneuerung der Clearingverfahren, um die Erwachsenenschutzvereine zu entlasten. Zudem bitten wir im Hinblick auf eine möglichst breite Lastenverteilung in der Gesellschaft auch die Berufsgruppen der Rechtsanwält:innen und Notar:innen um einen moderaten Beitrag im Erwachsenenschutz, wie dies bereits vor 2018 der Fall war. Wir werden auch eine Handreiche an die Gerichte herausgeben, damit eben die juristischen Berufsgruppen hauptsächlich mit den Erwachsenenvertretungen befasst werden, wenn Rechtsfragen zu klären sind, und die psychosozialen Angelegenheiten verstärkt in die Hände der Erwachsenenschutzvereine gelegt werden. 

Ich möchte an dieser Stelle nicht verschweigen, dass es Bedenken aus den Reihen der Behindertenverbände und der Volksanwaltschaft gegen die geplanten Änderungen im Clearingverfahren gab. Wir nehmen diese Bedenken sehr ernst und werden mit den Verbänden im Rahmen der laufenden partizipativen Arbeitsgruppe Erwachsenenschutz weiter verhandeln. Wir wollen gemeinsam eine Lösung finden, um Betroffenen im Rahmen des Erneuerungsverfahrens ein Antragsrecht auf ein Clearing einzuräumen und so die Selbstbestimmung der Betroffenen stärken.

Drittens zur Gerichtspraxis, die auch schon angesprochen wurde: Wir kürzen die Gerichtspraxis nicht inhaltlich, sondern – sehr maßvoll – im zeitlichen Umfang. Man muss dazu sagen: Die Justiz bildet hier junge Juristen und Juristinnen für alle juristischen Berufsgruppen aus, nicht nur für jene, die in der Justiz arbeiten, sondern auch für die Rechtsanwält:innen und die Notar:innen.

Die Gerichtspraxis wird von sieben auf fünf Monate gekürzt werden, was bereits in früheren Jahren auch so war. Damals wurde keine Qualitätseinbuße festgestellt. Wir sparen hiermit 4 Millionen Euro im Jahr, ohne das Ausbildungsziel zu verfehlen. Die Erprobung und Vertiefung der Rechtskenntnisse wird damit nicht infrage gestellt. Es ist natürlich ein pragmatischer, aber in der derzeitigen finanziellen Lage ein notwendiger Schritt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zur vielfach angesprochenen Erhöhung der Gerichtsgebühren: Sie alle, vor allem die Herren da auf meiner rechten Seite ((in Richtung FPÖ)), wissen genau, dass das nichts mit der Budgetsanierung zu tun hat. (Abg. Lausch [FPÖ]: Mit was denn?) Die Erhöhung der Gerichtsgebühren mit 1.4.2025 erfolgte aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung, die Sie alle kennen. (Abg. Lausch [FPÖ]: Die Gesetze machen aber schon wir!) Die Erhöhung der Gerichtsgebühren wurde zweimal aufgrund von Corona aufgeschoben (Abg. Lausch [FPÖ]: Die Gesetzgebung sind schon wir! Ist nicht in Stein gemeißelt!), und es wäre an diesem Haus gelegen, das noch einmal zu verhindern, falls Sie das gewünscht hätten. Ich weiß es von meiner Amtsvorgängerin, die hat noch in den letzten Monaten ihrer Amtstätigkeit an das Hohe Haus geschrieben und eben darauf aufmerksam gemacht, dass diese gesetzliche Konsequenz eintreten wird. – Daher bitte ich, die Dinge wirklich auseinanderzuhalten, das war keine Maßnahme zur Budgetsanierung.

Ich möchte außerdem auch noch zu dieser Europaratsberechnung Folgendes ausführen: Es wird immer wieder gesagt, dass die Gerichtsgebühren die Kosten der Justiz übersteigen. Wenn Sie das Budget von 2,4 Milliarden Euro, das mein Ressort braucht und diesmal auch bekommt, und die Einnahmen der Gerichtsgebühren anschauen, dann darf ich Ihnen berichten, der Eigendeckungsgrad beträgt 55 Prozent, weil die Europaratsberechnung nicht all das einrechnet, was sehr wohl auch im österreichischen Justizbudget enthalten ist, nämlich: wichtige Einrichtungen für den Zugang der Menschen zum Gericht. 

Es ist dies die genannte Erwachsenenvertretung, es ist die Familiengerichtshilfe, die die Familiengerichte dabei unterstützt, schwierige Obsorgefälle oder andere Streitfälle in den Familien besser zu klären. Es ist auch die Entlassenenhilfe, die dazu beiträgt, dass im Zuge des Strafvollzuges Maßnahmen getroffen werden können, um auch mehr Sicherheit in der Gesellschaft zu finden, und es ist natürlich auch die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung, die Opfer von Gewalt in Verfahren stützt. All das gehört zum Justizbudget, und daher möchte ich sagen, dass die Europaratsberechnung, die ihre Berechtigung auf einer anderen Ebene hat, im österreichischen Justizbudget nicht so darübergelegt werden kann.

Nun zum Schluss: Sehr geehrte Damen und Herren, dieses Budget war insgesamt ein politischer Kraftakt. Ich darf sagen, dass es uns gelungen ist, die Justiz vor übermäßigen Kürzungen zu bewahren und zugleich konstruktive Beiträge zur Budgetsanierung beizusteuern.

An dieser Stelle möchte ich heute allen danken, die dazu beigetragen haben, diesen Kraftakt zu stemmen: dem Herrn Finanzminister, der uns mit höchstem Sachverstand und mit ruhiger Hand durch den gesamten Prozess geleitet hat; der Frau Staatssekretärin und dem Team des BMF möchte ich für die konstruktiven und vertrauensvollen Verhandlungsgespräche danken; und ich danke natürlich auch allen Mitarbeiter:innen meines Hauses für ihren unermüdlichen Einsatz, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) 

Mein besonderer Dank gilt aber all jenen, die tagtäglich den Rechtsstaat am Laufen halten – nicht hier vor dem Vorhang sind, nicht auf der großen Bühne, sondern oft ungesehen in den Gerichts- und Schreibabteilungen, in den Verhandlungssälen, in den Hafträumen, in den diversen Beratungsstellen und sonst überall in den Einrichtungen unserer großen Justizfamilie.

Sehr geehrte Damen und Herren, dieses Budget schützt, was uns zusammenhält: ein funktionierendes Staatswesen mit starken Institutionen, die ihre Leistungen für die Menschen in unserem Land bereitstellen. Dieses Budget ist ein klares Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit und gleichzeitig zur Verantwortung, die wir alle gemeinsam tragen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.) 

0.34

Präsident Peter Haubner: Danke, Frau Bundesminister. 

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Christian Lausch. – Bitte, Herr Abgeordneter.