RN/177
13.06
Abgeordnete Leonore Gewessler, BA (Grüne): Herr Präsident, herzlichen Dank! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher – heute auch wieder sehr zahlreich hier im Saal! Bei der Präsentation des Regierungsprogramms habe ich gesagt, da sind im Umwelt- und Klimabereich ein paar gute Dinge drin, aber vor 25 Jahren hätte es vielleicht noch gereicht – wäre wahrscheinlich auch schon zu wenig gewesen –, jetzt ist es definitiv nicht genug. Bei der PK zum Budget habe ich gesagt, da fährt der Abrissbagger durchs Klimabudget. Gestern habe ich hier argumentiert, der Klimaschutz wird zum Nebenschauplatz in diesem Budget.
Ich könnte das heute alles wiederholen, weil wir jetzt die Untergliederung im Budget diskutieren, bei der genau das am deutlichsten sichtbar wird. Und das ist schmerzhaft. Ja, schmerzhaft, aber nicht für mich, sondern schmerzhaft für die vielen, vielen Menschen in diesem Land, die in den letzten Jahren mitgeholfen haben: die ihre Fotovoltaikanlage aufs Dach getan haben, die ihre Heizung getauscht haben, die mit dem Klimaticket vielleicht heute sogar hier im Parlament sind, die auf E-Mobilität umgestiegen sind. Diese Menschen haben mit uns gemeinsam in den letzten Jahren gezeigt: Ja, Klimaschutz geht, Klimaschutz wirkt (Abg. Schnedlitz [FPÖ] – in Richtung Galerie –: Das ist die, die euer Geld versch- - verludert hat! Da könnts Danke sagen!), die Emissionen sind gesunken. Gerade heute hat der Sachstandsbericht zum Klimawandel wieder gezeigt: Ja, das hat mit Klimapolitik zu tun. (Beifall bei den Grünen.)
Was macht diese Bundesregierung jetzt? – Statt dass sie den Schwung nützt und aufbaut, legt sie den Retourgang ein. Das heißt wieder konkret: Bagger statt Natur. Das heißt: Abgas statt saubere Luft. Wer das Klima schützt, ist jetzt leider wieder der Dumme. Um das noch einmal klarzustellen – ich habe es an dieser Stelle schon öfter gesagt –: Das ist kein Naturgesetz. Das ist die politische Prioritätensetzung in diesem Budget. (Abg. Kogler [Grüne]: Genau!)
Geld ist ja offensichtlich da, aber halt für die falschen Dinge: Milliarden in den Autobahnausbau, die Subventionierung der italienischen Frächter, Stichwort Dieselprivileg, Dienstwagenprivileg. Ich könnte die Liste lang fortsetzen (Abg. Kogler [Grüne]: Milliarden! – Abg. Spalt [FPÖ]: Nussbauern in Burkina Faso!), während bei der Sanierung, bei der Energieeffizienz, beim Heizungstausch gekürzt wird. (Beifall bei den Grünen.)
Ganz ehrlich gesagt ist das besonders bitter für – ich schaue zur SPÖ, weil ihr habt es in der letzten Legislaturperiode ganz oft zitiert – die Mieterin in Wien mit der Gasheizung. Weil: Die Mieterin in Wien mit der Gasheizung muss jetzt nämlich lange warten, wenn überhaupt jemals eine Sanierung in ihrem Haus passieren wird, wenn überhaupt jemals ein Heizungstausch passieren wird. (Abg. Kogler [Grüne]: Hauptsache, sie kriegt keinen Klimabonus!) Und was passiert? – Der Klimabonus wird auch noch gestrichen! Den sozialen Ausgleich für die CO2-Bepreisung kriegt sie jetzt auch nicht mehr. Er wird nicht sozial gestaffelt, nada; gestrichen. (Beifall bei den Grünen.)
Gleichzeitig – und ich sage es wieder – bleiben die milliardenschweren fossilen Subventionen, die klimaschädlichen Subventionen unangetastet. Das ist sozial verkehrt. Das ist wirklich herzlos und kopflos – gerade am Tag, an dem der bereits erwähnte Sachstandsbericht eindringlich warnt: Wir müssen jetzt handeln und nicht aufgeben!
Bleiben wir beim Heizkesseltausch: Wir haben es im Ausschuss zitiert, im Nationalen Energie- und Klimaplan: Wir brauchen 40 000 Heizkesseltäusche im Jahr. Zumindest in der Wirkungsfolgenabschätzung zum Budget steht: 15 000 kriegen wir zusammen. Der Herr Minister hat gesagt, wird schon werden, 30 000. – Da ist aber immer noch so (die Arme weit ausbreitend) eine Lücke. Das ist eine Zielverfehlung mit Anlauf. Das ist eine Zielverfehlung mit Anlauf, was die Klimaziele betrifft. (Abg. Kogler [Grüne]: Genau!)
Jetzt könnte man sagen, okay, wenn keine Förderungen, dann Ordnungsrecht. Kollege Marterbauer hat das argumentiert. Aber da mache ich mir ja noch weniger Hoffnungen. Norbert Totschnig selbst hat es gesagt: Klimagesetze ohne Zähne; ein Klimacheck ohne irgendeine Auswirkung auf bestehende Gesetze und Emissionen. Das bringt nichts, und das wissen Sie. Sie wissen es.
Ja, vielleicht auf EU-Ebene. Jetzt könnte man sagen, okay, keine Förderungen, kein nationales Ordnungsrecht, dann auf EU-Ebene. Aber was passiert auf EU-Ebene? – Österreich legt auch dort den Retourgang ein. Beim Klimaziel 2040 wird relativiert, ebenso bei den bestehenden Regeln, das ist überall ausgehöhlt – verlässlich auf der falschen Seite, verlässlich auf der Bremse!
Ich möchte einen aktuellen Anlass heute wirklich noch einmal hervorheben, das ist der Umgang mit russischem Gas. (Abg. Kogler [Grüne]: Richtig!) Ich habe als Energieministerin in den letzten Jahren wirklich intensiv daran gearbeitet, den Karren aus dem Dreck zu ziehen (Abg. Schmiedlechner [FPÖ]: Du hast ihn weiter einig’fahren! – Zwischenruf des Abg. Spalt [FPÖ]): unzählige GWG-Novellen, Erneuerbaren-Ausbau, Sparprogramme. (Abg. Kogler [Grüne] – in Richtung FPÖ –: Ihr seid gleich einmal still jetzt!) Und jetzt, da die EU-Kommission endlich einen Vorschlag vorlegt (Abg. Schmiedlechner [FPÖ]: Weiter einig’fahren in den Dreck, den Karren!), bis 2027 aus russischem Gas auszusteigen: Was passiert? – Am selben Tag – am selben Tag! –, an dem Präsident Selenskyi hier ist und sich alle auf die Brust geklopft haben dafür (Widerspruch bei der FPÖ – Rufe bei der FPÖ: Nicht alle!), dass sie ihn unterstützen (Abg. Kogler [Grüne]: Das stimmt!): Was passiert? (Abg. Stögmüller [Grüne]: Unfassbar! Man tut sich wieder abhängig machen! Gratuliere!) – Der Wirtschaftsminister fantasiert von neuen russischen Importen, wenn der Krieg vorbei ist, fantasiert von neuen russischen Importen.
Ganz ehrlich: ÖVP, SPÖ, habt ihr aus den Fehlern der letzten Jahrzehnte irgendetwas gelernt? (Abg. Lukas Hammer [Grüne]: Null habt ihr gelernt! Null! – Beifall bei den Grünen.) Liebe NEOS, wo seid ihr? Wo? Ist das jetzt die Energiepolitik dieser Regierung? (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von NEOS und Grünen.)
Ich habe im Ausschuss dem lieben Norbert Totschnig eine Frage erspart, nämlich wie er da eigentlich 2030er-Ziele oder 2040er-Ziele ohne das notwendige Geld – wir können im NEKP und sonst wo nachlesen, was es eigentlich braucht –, ohne die ordnungsrechtlichen Alternativmaßnahmen, die man ja machen könnte, ohne den Einsatz auf EU-Ebene erreichen will. Ich habe diese Frage nicht gestellt, denn der Minister hat ja selber die Antwort gegeben: Klimaneutralität 2040, ja, das bleibt eine Vision. – Eh. Mit diesem Budget, mit diesen Maßnahmen bleibt das auch eine Vision, denn für Realität braucht es mehr, für eine handfeste Klimapolitik braucht es mehr.
Sie kürzen in diesem Budget auf dem Rücken der Menschen und auf dem Rücken der Lebensgrundlage – für fossile Profite, für die Profite einiger weniger. Das ist ökologisch verkehrt, das ist sozial verkehrt und das ist auch standortpolitisch verkehrt. Deswegen dürfen wir das in diesem Haus nicht einfach so hinnehmen. (Beifall bei den Grünen.)
Ein letzter Punkt, weil ich schon am Ende meiner Redezeit bin: Auf EU-Ebene – ich habe es vorhin erwähnt – gibt es Rückschritte in allen möglichen Bereichen. Es droht auch ein wirklich gefährlicher Rückfall in alte Atomträume und -fantasien. Deutschland kippt mit der neuen Regierung auf die Proatomseite. Es geht um Milliarden – wir bleiben beim Geld – für noch mehr Förderungen, um noch mehr Anreiz für Investoren in Atomkraft, um die Taxonomie. Milliarden, die statt in erneuerbare Speicher und Effizienz in die Atomenergie fließen! Österreich muss da klar dagegenhalten.
Dazu bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Leonore Gewessler, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Eintreten gegen Atomkraft auf EU-Ebene“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Tourismus und der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft, wird aufgefordert:
- Die Nichtigkeitsklage Österreichs zur Taxonomie beim Gericht der Europäischen Union voranzutreiben;
- Sich dafür einzusetzen, dass keine öffentlichen Gelder für den Ausbau von Atomkraft – inklusive SMRs – vergeben werden;
- Gemeinsam mit Regierungen aus anderen EU-Ländern proaktiv gegen den Ausbau der Atomkraft einzutreten“
Ich hoffe, dass zumindest der österreichische Antiatomkonsens in diesem Haus, auch mit diesem Antrag, noch weiter besteht. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen.)
13.13
Der Gesamtwortlaut des Antrages ist unter folgendem Link abrufbar:
RN/177.1
Eintreten gegen Atomkraft auf EU-Ebene (75/UEA)
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher auch mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Totschnig. Ich erteile es ihm.