RN/90
16.17
Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Danke für das Wort, Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Dieser Dringliche Antrag zur Weltgesundheitsorganisation, den die FPÖ heute hier eingebracht hat, ist alles andere als ein konstruktiver Beitrag zur internationalen Gesundheitsvorsorge. Das ist ein gesundheitspolitischer Irrweg, das mag ich auch gleich zu Beginn hier ganz genau so benennen. Das ist wieder einmal ein Paradebeispiel dafür, wie Desinformation, Misstrauen und ideologische Abschottung über wissenschaftliche Fakten und über Vernunft gestellt werden. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Oxonitsch [SPÖ].) Wir haben es jetzt schon von den Vorrednerinnen und Vorrednern gehört: Was wir hier gehört haben, das ist keine fundierte Kritik an den Reformen der WHO, es ist ein wirklich vehementer Frontalangriff auf faktenbasierte Gesundheitspolitik und auch auf multilaterale Zusammenarbeit.
Dabei sollte es eigentlich jetzt um etwas ganz anderes gehen, nämlich um die WHO, die Weltgesundheitsorganisation. Die ist kein abstraktes, anonymes Gebilde, wie wir soeben von der FPÖ gehört haben – sie ist ein wichtiges Instrument der internationalen Solidarität (Ruf bei der FPÖ: ... Spenden ...!), und dieses Instrument hat eine Aufgabe: nämlich Krankheitsausbrüche früh zu erkennen, Informationen zu teilen und Leben zu retten. Das hat die WHO bei Ebola, bei Polio und auch bei Covid-19 getan – trotz der schwierigen politischen Rahmenbedingungen, die wir alle noch sehr, sehr plastisch in Erinnerung haben. Mit diesem Wissen aus der Covid-Pandemie, das ja noch sehr präsent, sehr frisch ist, sollten wir eigentlich – würde man meinen – darüber sprechen, wie wir Vorsorge besser organisieren, Leben besser schützen und dafür sorgen können, dass wir bei der nächsten Gesundheitskrise – die wahrscheinlich leider irgendwann kommen wird – schneller, transparenter und koordinierter handeln, Kollegin Giuliani-Sterrer, um Leben zu retten. Darum geht es. (Beifall bei den Grünen.)
Genau darauf zielt diese Reform ab, um die es hier heute geht: Wir wollen die Lehren aus der Covid-Pandemie ziehen. Wir wollen, dass Staaten künftig besser, vernetzter ihre Warnsysteme koordinieren, dass diesbezüglich die internationale Koordination verbessert wird, weil wir wissen: Viren machen nicht halt vor staatlichen Grenzen oder vor irgendwelchen Festungen, sie kennen keine Grenzen. Je besser wir abgestimmt sind, desto größer ist unsere Chance, dass wir auch dementsprechend international eine gemeinsame starke Antwort finden. (Beifall bei den Grünen.)
Darum geht es heute. Die FPÖ will Sie, liebe Zuseherinnen und Zuseher, glauben machen, dass es um eine Machtverschiebung ginge, dass irgendeine Macht in die Hände einer seltsamen apokryphen Masse WHO gelegt werden solle. Dabei geht es schlichtweg um eine bessere, schnellere Krisenversorgung. Genau darüber sprechen wir. (Abg. Wurm [FPÖ]: Deshalb gibt es den Vertrag auch! Deshalb brauchen wir einen Vertrag!) Ich verstehe nicht, wie man da dagegen sein kann, wie einen das so aufregen kann. (Abg. Wurm [FPÖ]: Deshalb brauchen wir den Vertrag, Meri!) – Kollege Wurm! Eine verbesserte Krisenvorsorge: Darum geht es bei diesem Tagesordnungspunkt.
Die WHO bleibt, was sie auch jetzt schon ist, nämlich eine beratende Organisation. (Abg. Wurm [FPÖ]: Ja!) Die WHO ist eine beratende Organisation. Sie bleibt eine beratende Organisation. Sie kann keine nationalen Maßnahmen anordnen, wie wir es von mehreren Rednerinnen und Rednern der FPÖ gehört haben. Das ist einfach faktenwidrig. Es stimmt schlichtweg nicht. Was sie aber künftig können soll, ist, schneller Alarm zu schlagen, wenn neue Gesundheitsbedrohungen auftauchen. Das fordert die Europäische Union. Ich glaube, das ist sehr in unserem Sinne – auch im Sinne aller Zuseherinnen und Zuseher, die uns heute zuhören –, weil es wie gesagt im Extremfall Leben retten kann.
Was macht die FPÖ angesichts dieser Situation, die ich gerade geschildert habe? – Sie versucht, diese Reformen zu skandalisieren. Sie zeichnet das Bild einer WHO – und ich zitiere das jetzt – mit zu viel Macht in den Händen eines Einzelnen. Sie spricht von einem unterwanderten Geheimbund und einer neuen Weltordnung. Lassen Sie mich das wirklich unmissverständlich festhalten: Das sind keine harmlosen Chiffren. Das sind antisemitische Chiffren. (Rufe bei der FPÖ: Was? Was?) Das ist Antisemitismus. Das sind ganz klare Anklänge an antisemitische Verschwörungstheorien. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Hallelujah!)
Diese Begriffe verwenden Sie – ja, ja, es zeigt sich eh; große Aufregung im FPÖ-Sektor (Abg. Brückl [FPÖ]: Entschuldige, wenn Sie uns beschimpfen!); die Wahrheit anzusprechen, tut euch anscheinend doch weh! – nicht zufällig, sie folgen einem bekannten Muster. Das kennen wir von euch. Wir hören es in jeder Plenarsitzung. Die Erzählung von einer geheimen Elite, die aus dem Hintergrund die Fäden spinnt (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Die ist ja nicht geheim!), marionettenartig andere kontrolliert und manipuliert. (Abg. Stefan [FPÖ]: Denken Sie so? – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Die WHO ist aber nicht geheim! Ihr habt es geheim gehalten, weil Sie es heute zum ersten Mal in Ihrer Rede ...!) Das ist ein zentrales Element jeder antisemitischen Verschwörungstheorie. Genau auf diese Bilder greift ihr systematisch zurück. Das ist es, was ihr macht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Man muss es auch klar benennen: Wer so spricht, wie es die FPÖ in jeder Plenarsitzung macht, der delegitimiert nicht nur internationale Institutionen. (Abg. Kaniak [FPÖ]: ... systematisch der ganzen Fraktion! Ungeheuerlich! Und zwar systematisch!) Was Sie machen, ist, dass Sie antidemokratische, antisemitische Denkmuster in die gesellschaftliche Mitte holen. Dafür sollten Sie sich schämen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wurm [FPÖ]: Zurück zum Thema, bitte! Zurück zum Thema! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Und mit den Beschimpfungen aufhören, bitte!)
Wer die WHO dämonisiert, wie ihr das macht, wer die globale Gesundheitsvorsorge als Bedrohung darstellt, der schwächt das Vertrauen in die Wissenschaft, in die internationale Zusammenarbeit und damit letzten Endes auch das Vertrauen in unsere Demokratie. Das ist brandgefährlich, das sage ich euch, denn Vertrauen ist kein Luxus, sondern Vertrauen ist das Fundament unseres Zusammenlebens, und ihr spielt permanent mit dem Feuer, ihr versucht permanent, dieses Vertrauen zu zerstören, weil ihr davon lebt, weil ihr nur Hass und Hetze schüren könnt. Das ist euer Geschäftsmodell.
Ich stehe hier als überzeugte Demokratin, gemeinsam mit vielen anderen Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, und ich sage euch: Wir werden uns dem, was ihr hier fabriziert, weiterhin mit aller Klarheit, mit aller Deutlichkeit entgegenstellen. Wir sagen Ja zu internationalen Kooperationen, Ja zu einer reformierten und handlungsfähigen WHO, Ja zu europäischer Verantwortung, auch in globalen Fragen. Wir sagen euch heute ebenso klar – wie wir es immer machen – Nein zu eurer Desinformation, Nein zu euren antisemitischen Codes (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ) und Nein zur Normalisierung von Verschwörungsideologien, unter welchem Deckmantel auch immer ihr diese betreibt. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Na ja, aber Herr Präsident! Das ist ja schön langsam - -!) – Ja, ich verstehe eure Aufregung eh, Wahrheit tut weh und ihr regt euch auf. (Abg. Steiner [FPÖ]: Wir regen uns nicht auf, wir lachen dich aus! Wir lachen dich aus! Wir regen uns nicht auf!) Mir wäre es auch unangenehm und peinlich an eurer Stelle. Es wäre mir auch unangenehm und peinlich, wenn das hier so aufgedeckt wird. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Gasser [NEOS].)
Ich habe viel über Souveränität gehört von euch. Wisst ihr, was Souveränität im 21. Jahrhundert heißt? – Souveränität im 21. Jahrhundert heißt nicht Abschottung. (Ruf bei der FPÖ: Flüchtlings...!) Wer souverän ist, übernimmt Verantwortung, auch über Grenzen hinweg. Ihr stellt euch aber gegen diese Verantwortung. Ihr seid nicht dazu bereit, die Lehren aus dieser Pandemie zu ziehen. Ihr seid nicht bereit, wissenschaftliche Erkenntnisse anzunehmen, ihnen zu folgen. Was ihr tut, ist, wissenschaftliche Zusammenarbeit zu diskreditieren – und damit jenen Ast, den wir brauchen, um künftig auf internationale Krisen gut reagieren zu können, abzusägen.
Wie gesagt, wir Grüne – ich kann das noch einmal sehr klar festhalten und ich bin sehr interessiert daran, zu sehen, was für eine Aufregung das bei den unterschiedlichen Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ auslöst (Abg. Steiner [FPÖ]: Wir haben dich nur ausgelacht!) – stehen im Unterschied zu euch für Vernunft statt für Vernebelung, für Zusammenarbeit statt für kleingeistige nationalistische Abschottung (Abg. Stefan [FPÖ]: Islamistische Zuwanderung!), für eine starke WHO, für eine solidarische, handlungsfähige EU und vor allem (Abg. Kassegger [FPÖ]: Und mit euch 8 Prozent der österreichischen Bevölkerung! Mit uns 30 Prozent! Das ist Demokratie!) für eine Politik, die aufklärt, die schützt, die sicher hält und die das Vertrauen stärkt und nicht untergräbt, so wie ihr das macht. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS. – Abg. Martin Graf [FPÖ]: Also mehr Establishment geht ja gar nicht mehr!)
16.24
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Belakowitsch. Eingemeldete Redezeit: 5 Minuten.