RN/100

15.24

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Danke, Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ja, dieses tragische und dramatische Ereignis bei uns in Graz ist ein bisschen über vier Wochen her. Ich habe es sehr zu schätzen gewusst, dass wir tatsächlich wenigstens einen, eineinhalb Tage innegehalten haben, drei Tage war Staatstrauer. Wir haben sogar gelobt, dass sechs Parteien – auch die Kommunisten in Graz und alle, die hier vertreten sind – erst einmal sehr besonnen reagiert haben und nicht alles Mögliche gleich gefordert haben und durcheinandergebracht haben. Es waren aber schon wir, die auch gesagt haben: Es ist aber schon wichtig, dass wir unmittelbar danach, wenn diese Phase des Innehaltens, weil so viel Unfassbares geschehen ist, vorbei ist, ganz schnell in die Gänge kommen. 

Ich verstehe schon, Herr Bundesminister, wenn man da und dort ein bisschen herumschraubt bei einem sehr komplexen Gesetz, das sich dadurch auszeichnet, dass viel mehr Aufwand betrieben wird, Ausnahmen zu generieren, als irgendeine Generalregel einzuführen, wie es die Frau Klubobfrau vorgebracht hat, das mag schon ein bisschen kompliziert sein. Wenn wir uns aber dem annähern würden, und dafür werben wir hier, dass wir von einer Prinzipienumkehr ausgehen, was den Privatwaffenbesitz betrifft – wohlgemerkt: Privatwaffen! –, dann könnte es schon schneller gehen. Und insofern hängen die Dinge auch wieder zusammen: nämlich Vereinfachung, klare Prinzipien und Beschleunigung der Vorgangsweise.

Ich sage Ihnen jetzt noch einmal, was unser Prinzip ist – Sie haben es zum Teil schon gehört, Sie haben es damals gehört : Es muss doch damit Schluss gemacht werden, dass es einen quasi mehr oder weniger selbstverständlichen Anspruch darauf gibt, dass man sich als Privater oder ich mir nicht nur eine Waffe, sondern wenn ich will sogar – wenn ich nicht komplett dulli bin – ein ganzes Waffenarsenal anlegen kann. Was ist denn das überhaupt für eine Zugangsweise? – Das ist völlig verkehrt und das gehört vom Kopf auf die Füße gestellt, und deshalb sagen wir, das Prinzip muss lauten: Freiheit von Waffen und nicht Freiheit für Waffen. (Beifall bei den Grünen.)

Darauf läuft es nämlich hinaus. Wir haben eines der laschesten Waffengesetze in Europa, und parallel dazu, korrespondierend, sind wir in Europa – gemessen an der Einwohnerzahl – auch unter denen, die die höchsten Waffenbesitzstände haben, weltweit sind wir sogar unter den top ten nach den letzten Entwicklungen. Stellt euch das einmal vor: unter den top ten! Dabei sind wir an sich ein sicheres Land. Und erklären Sie mir jetzt nicht, das ist deshalb, weil alle Waffen gebunkert haben!

Das ist nicht deshalb, es ist genau umgekehrt. Es ist eine Illusion, dass mehr Waffen in Händen von ganz vielen für mehr Sicherheit sorgen. Bei allem Verständnis – ich will mich keinesfalls darüber lustig machen – für den Einzelnen oder die Einzelne, der oder die individuell manchmal dies oder jenes Bedürfnis hat, aber das erhöht nicht die allgemeine Sicherheit. Ganz im Gegenteil, und darauf weisen wir hin. 

Es gibt auch einen klaren Beweis dafür, finde ich. Es gibt doch viel, viel mehr bekannte Fälle – sonst beweisen Sie mir das Gegenteil –, in denen der Besitz auch von legalen Waffen – natürlich sind die illegalen ein noch viel größeres Problem, das ist ja eh klar – mehr Probleme verursacht hat, als er gelöst hat. Es sind doch viel mehr Fälle bekannt, bei denen damit Verbrechen verübt wurden, Gewalt ausgeübt wurde, Verletzungen zugefügt wurden und im Übrigen sehr oft auch Morde damit passiert sind, als umgekehrt der Besitz von Waffen Einbrüche oder Tathandlungen verhindert hätte. Zeigen Sie mir das einmal! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Erasim [SPÖ]. – Abg. Darmann [FPÖ]: Wie willst du das belegen?) 

Wir sagen nicht, überhaupt nicht, ganz im Gegenteil, auch die Frau Klubobfrau nicht, dass damit alles gelöst ist – nein. Ich habe nach dieser kurzen Frist, die ich gerade noch gelobt habe, eher von anderen Parteien tatsächlich so Stimmen gehört, wie: Wir tun alles dafür, dass sich so etwas nie wieder wiederholt! – Das kannst du überhaupt nicht versprechen! Was wir aber versprechen können, ist, dass wir alles dafür tun, dass die Wahrscheinlichkeiten sinken; auch mit den legalen Schusswaffen passiert genug Unfug und Böses.

Deshalb ist es unsere Aufgabe und unsere Pflicht, dieses zu tun, auch als Rahmengesetzgeber (Beifall bei den Grünen): die Wahrscheinlichkeiten zu reduzieren, weil wir in vielen Bereichen der Delikte sehen, dass der Anteil der legalen Schusswaffen bei Delikten im Zunehmen begriffen ist. 

Deshalb glaube ich, dass wir da hinschauen müssen. Es gibt ja sinnvollerweise gar nicht einmal so wenige Ausnahmen, seien wir doch ehrlich: Jäger, ja, zunehmend auch Jägerinnen, Sportschützen, auch die Schützenvereine; und ich habe immer hinzugefügt: auch für Personen, die nachweislich individuell bedroht werden – ja, leider gibt es das auch in unserer Gesellschaft, in der Gewalt zunimmt. Das ist richtig, ja, aber da weiß die Behörde in der Regel schon, dass jemand bedroht ist und sich derjenige vielleicht auch selber verteidigen können muss, weil der Staat das nämlich gar nicht in jeder Sekunde leisten kann.

Wenn das aber eh schon die Ausnahmen sind, und das sind ehrlicherweise gar nicht einmal so wenige, dann frage ich mich: Wo sind Sie daheim? Was ist daran so unverständlich? Ich habe versucht, zuzuhören – früher, heute ist das beim Herrn Bundesminister noch nicht gefallen –, um irgendeinen Sinn zu finden. Da gibt es eine uralte Tradition – ich glaube, das wird auch bei den NEOS gelandet sein; ich will mich darüber auch nicht großartig lustig machen –, die es irgendwie als liberales Grundrecht ausweist, dass man seine Waffe hat.

Auch bei den Freiheitlichen: Ich weiß nicht, woher das alles kommt, historisch bedingt, vielleicht von den Bauernkriegen – keine Ahnung –, dass man sich gegen die Obrigkeit verteidigt hat und nicht nur auf den Dreschflegel angewiesen war, oder von 1848, als die große Revolution stattfand und es danach offensichtlich nützlich war, dass Private leichter zu Waffen gekommen sind. Ich kann damit gar nicht so viel anfangen, aber wie auch immer: Ich sage Ihnen, wir leben im 21. Jahrhundert und spätestens seit dem 10. Juni von Graz sollten wir umdenken! Wenn jemals der Begriff Anlassgesetzgebung etwas Gutes gehabt hat, dann ist es hier und jetzt und dieser Anlass! Was für einen Anlass brauchen wir denn noch? (Beifall bei den Grünen.)

Wir Grünen sind da ja konsistent, wir haben Kurs gehalten: Schon 2003 hat Terezija Stoisits – da habe ich als Abgeordneter gerade angefangen – hier Anträge eingebracht, die fast gleichlautend waren; Albert Steinhauser 2016, und so weiter, und Meri Disoski, noch kurz bevor dieses Attentat passiert ist – das hat keiner wissen können.

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Wissen Sie, was passiert ist? – Die Lobbyistenzeitung der Interessengemeinschaft Liberales Waffenrecht (eine Ausgabe der genannten Zeiftschrift in die Höhe haltend) hat unsere Meri Disoski geadelt und ihr ein großes Bild gewidmet: Die Disoski – sinngemäß – fordert schon wieder eine umfassende Waffenreform! – Na schon wieder, aber so etwas auch! Wo sind Ihre Meri Disoskis? (Beifall bei den Grünen.) 

Die Frage geht auch in Richtung Sozialdemokraten. Bei den Freiheitlichen kann man es sich ja vorstellen, denn da ist ja nicht einmal versteckt worden, dass die Waffenhändler, die Waffenproduzenten ihre Großspender waren.

Liebe ÖVP, ich frage mich: Was ist da eigentlich? (Abg. Gödl [ÖVP]: Na hallo, hallo!) Ich meine, es hat ja Zeiten gegeben, als wir nicht in die Spenden schauen konnten – okay, das wäre jetzt nachgelagert –, aber mir kommt vor, es gibt irgendwie so etwas wie einen vorauseilenden Gehorsam, dass all das eine geringe Rolle spielt. Wir kennen das schon: Immer dann, wenn es diese Anlassfälle gab, hat man gesagt: Ja nicht zu schnell, weil - - – Wir haben es ja schon wieder ein bissel gehört, aber das war eine Art Rechtfertigung. Und dass wir hier im Haus gestern einen Initiativantrag gekriegt haben, das war eh nur die Folge der Pressekonferenz von vorgestern – danke, Leonore Gewessler –, und das ist schon ein bissel mau. Wenn man nämlich hineinschaut – und das sollten die Zuseherinnen und Zuseher hören –, dann sieht man, dass das, wie es im Jargon heißt, eine Trägerrakete ist. (Abg. Herr [SPÖ]: Ja, es ist noch nicht fertig!) Da steht eigentlich nicht viel drinnen – soll sein, so etwas gibt es im Parlamentarismus –, das ist eine Ankündigungsrakete in Reinkultur. 

Dabei wäre es überhaupt keine Raketenwissenschaft, diesbezüglich etwas zu tun, wenn man sich diesen Prinzipien, die wir hier vorschlagen, annähern würde. Genau das wollen Sie aber offensichtlich nicht! Ich bin es auch schon leid, wenn sich die Regierung – bei allem Verständnis und bei allem Lob, das wir schon gehabt haben –, wenn sich der Herr Vizekanzler bei einer Resümeepressekonferenz über die ersten vier Monate hinstellt und sagt: Wir haben das Waffenrecht verschärft! – Ja wann denn, wo denn, wie denn? Hört auf mit den Schmähs, wirklich wahr! (Beifall bei den Grünen.)

Unsere Sorge ist, dass es wieder so kommen wird, dass wieder nur da ein Schräubchen, da ein Schräubchen, da ein Schräubchen gedreht und im Großen nichts geändert werden soll. Das ist unsere Sorge! 

Ich sage Ihnen, wir haben eine Verantwortung fürs Ganze, für die Sicherheit von allen und nicht bloß nur für individuelle eingebildete oder tatsächliche Sicherheitsbedürfnisse. 

Und wieder ist es so, dass ein alter Grundsatz völlig in die Irre führt: Wenn jeder auf sich selber schaut, ist schon auf alle geschaut! – Das Gegenteil ist richtig! Wir haben Verantwortung für die gesamte Gesellschaft, und da sorgen weniger Waffen an dieser Stelle dort für mehr Sicherheit. Das führt auch dazu, Herr Innenminister, dass das Gewaltmonopol beim Staat viel, viel besser verankert ist. 

Das war der Schlusssatz. Danke, Herr Präsident. (Beifall bei den Grünen.)

15.35

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Reifenberger. Eingemeldete Redezeit: 8 Minuten, Entschuldigung, 5 Minuten.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.