RN/182
20.38
Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Frau Präsidentin, vielen Dank für das Wort! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sie merken, es ist der zweite Plenartag, es ist schon ein bisschen spät, aber umso besser ist es, dass wir noch aufmerksam sind, weil es wirklich um ein wichtiges Thema geht. Stellen Sie sich Folgendes vor: Ein Mann wird bewusstlos gemacht, betäubt oder missbraucht, und die erste Reaktion lautet nicht: Was hat der Täter gemacht, was haben die Täter gemacht, sondern: Selbst schuld, hättest du besser dein Getränk im Blick gehabt! – Das ist absurd, oder? Diese Feststellung hört sich absurd an.
Genau dieser absurde Reflex begleitet Frauen aber eigentlich seit jeher, seit Jahrzehnten. Wenn es um Gewalt durch K.-o.-Tropfen und um sexualisierte Gewalt generell geht, richtet sich der Blick leider noch immer viel zu selten, viel zu wenig oft auf die Täter, sondern tatsächlich in dem Sinn auf das Opfer, dass gefragt wird: Was hast du getragen? Warst du allein unterwegs? Hast du denn darauf geschaut, wo dein Getränk abgestellt wird? Oder: Wieso hast du nicht überhaupt besser auf dich aufgepasst?
Die aktuelle Kampagne zu K.-o.-Tropfen der Frauenministerin greift ein wichtiges Thema auf, adressiert ein wirklich immer größer werdendes Problem. Das erkennen wir ausdrücklich an. Ich glaube, die Zahlen sind schon genannt worden; ich wiederhole sie aber gerne, weil sie mir Sorgen bereiten: 2024 sind in Österreich 150 Anzeigen im Zusammenhang mit K.-o.-Tropfen erstattet worden. Dabei ging es in 110 Fällen um sexualisierte Gewalt. Fast alle Opfer waren Frauen. Das heißt, K.-o.-Tropfen sind lange schon kein Randphänomen mehr, sondern strukturelle geschlechtsspezifische Gewalt und damit auch ein klares Verbrechen. Das muss man hier klar auch so festhalten. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)
Diese Knock-out-Tropfen, von denen wir hier sprechen, sind auch ein Werkzeug der Macht. Es hat jemand vorhin schon den Fall von Gisèle Pelicot erwähnt, in dem der eigene Ehemann die Frau über Jahre hindurch sediert, vergewaltigt und im Internet auch anderen Männern zur Vergewaltigung in den eigenen vier Wänden angeboten hat. Das heißt, diese Tropfen, diese Sedierungsmittel, werden nicht nur in Klubs, auf Partys et cetera eingesetzt, sondern auch in Freundeskreisen, in Beziehungen und dort, wo Frauen am sichersten sein sollten.
Schieben wir jetzt einmal den Umstand beiseite, dass wir hier gleich einen Antrag beschließen werden, der die Ministerin damit beauftragt, eine Kampagne zu initiieren, die es eigentlich schon gibt! Schieben wir einmal diesen Umstand beiseite, und schauen wir uns die Kampagne selber an! Was lesen wir da? – „K.O.-Tropfen / So schützt du dich“, ist auf Instagram zu lesen, oder: „Drink nicht aus den Augen lassen“. Das heißt, die Kampagne folgt einem alten Muster und sagt Mädchen und Frauen: Du musst dich schützen, du, die potenziell Betroffene! Damit verschiebt sich die Verantwortung weg von den Tätern hin zu jenen, die gefährdet sind.
Wir Grüne haben im Gleichbehandlungsausschuss lautstark unsere Sorge artikuliert und darauf hingewiesen, dass eine einseitige Infokampagne, die auf Mädchen und Frauen fokussiert, ohne Täter anzusprechen, die Gefahr von Victim Blaming, von Opfer-Täter-Umkehr mit sich bringt. Jetzt bestätigt sich in der Umsetzung dieser Kampagne leider unsere Kritik.
Nicht nur wir Grüne kritisieren diese Kampagne, Frau Ministerin, auch auf Ihren Social-Media-Accounts – ich habe mir das vorhin angeschaut – wird sie mittlerweile sehr breit kritisiert. Ich habe ein paar Kommentare mitgebracht. Zitat: Wieso wird hier der Fokus darauf gelenkt, was Frauen dagegen tun können? Mit keinem Wort werden Männer erwähnt. – Zitatende. Anderes Zitat: „Könnte man vielleicht endlich die Verursacher [...] belangen und nicht die Frauen in ihren Handlungen einschränken, weil diese ja ‚aufpassen‘ müssen?“ Und ein weiterer Kommentar lautet: „Come on. Verhaltensregeln für Frauen, damit sie nicht Opfer werden, erwarte ich mir von einer Feministin 2025 eigentlich net.“
Frau Ministerin, die Kampagne ist wichtig und sicher gut gemeint, aber die Ausführung ist leider nicht gut gemacht – und das ist wirklich problematisch, denn wenn Mädchen und Frauen gute Tipps für richtiges Verhalten mitbekommen, sagen wir ihnen gleichzeitig automatisch immer, dass sie auf eine gewisse Art und Weise eine Mitverantwortung dafür haben, wenn ihnen jemand K.-o.-Tropfen verabreicht. Das Motto ist: Hättest du halt einmal besser aufgepasst, dann wäre das nicht passiert! Das ist die falsche Botschaft. (Beifall bei den Grünen.)
Das ist die falsche Botschaft, weil wir immer und immer und immer wieder jeder Frau sagen müssen: Es ist nicht deine Schuld! Das macht beispielsweise die Kampagne von Eva Schobesberger, der grünen Frauenstadträtin in Linz. Frau Ministerin, ich bitte Sie wirklich: Schauen Sie sich das an! Lassen Sie das noch einmal prüfen! Ich weiß, dass Ihnen das ein Anliegen ist, ich weiß, dass Sie eine große Kämpferin für Gewaltschutz sind. Ich bitte Sie wirklich: Schauen Sie sich das an, und schauen Sie, ob Sie an der jetzigen Kampagne etwas adaptieren lassen können und etwas daraus lernen können!
Abgesehen davon fehlt uns in dieser Kampagne tatsächlich die Perspektive auf die Täter, das habe ich schon gesagt. Nicht Frauen sollen ihr Verhalten ändern müssen, sondern – so simpel eigentlich, würde man meinen – Männer sollen endlich damit aufhören, Gewalt auszuüben. Darum bringen wir heute einen Antrag betreffend eine umfassende Informationsoffensive zum Schutz vor K.-o.-Tropfen ein, der diese fehlende Perspektive hineinholen soll, der auf die Täter abstellt, auf die Täter fokussiert.
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Meri Disoski, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Informationsoffensiven zum Schutz vor K.O.-Tropfen“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung und der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, im Rahmen des geplanten Nationalen Aktionsplans zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen umgehend umfassende Informationsoffensiven zum Schutz vor K.O.-Tropfen in die Wege zu leiten, welche die in der Begründung genannten Maßnahmen umfassen, um insbesondere Mädchen und Frauen vor der Verabreichung von K.O.-Tropfen als Gewaltform zu schützen.“
Der Schutz vor K.-o.-Tropfen ist eben kein Frauenproblem, sondern ein Problem männlicher Gewalt, also müssen Männer Teil der Lösung sein. Ich bitte Sie deshalb wirklich: Geben Sie sich einen Ruck! Stimmen Sie unserem Antrag zu, damit wir Männer in die Pflicht nehmen und die volle Verantwortung bei den Tätern liegt! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)
20.44
Der Gesamtwortlaut des Antrages ist unter folgendem Link abrufbar:
RN/182.1
Informationsoffensiven zum Schutz vor K.O.-Tropfen (108/UEA)
Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, steht mit in Verhandlung.
Nun hat sich Frau Bundesministerin Eva-Maria Holzleitner zu Wort gemeldet. – Bitte.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.